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Berge

Ich flüchtete also in die Berge um Estelí, doch meine Wut und meine Unausgeglichenheit nahm ich selbstverständlich mit. Wie allgemein bekannt, erscheint jegliche äußere Flucht als sinnlos, mit Ausnahme der potentiellen Tatsache, dass ein anderer Ort, ein anderer Vibe einen dergestalt positiv beeinflusst und in die Lage versetzt, sich seinen Dämonen zu stellen und ihrer Herr zu werden.

Nun, wir werden sehen.
Auf den ersten Blick sah Estelí relativ nichtssagend aus, es schien sich um eine mehr als durchschnittliche Kleinstadt zu handeln, jedoch empfand ich die Atmosphäre hier um einiges angenehmer als in Léon. Trotzdem blieb es für mich am Ende bei jenem ersten Blick durch’s Schlüsselloch, denn nach nur einer Nacht fuhr ich weiter in eine Art Schutzgebiet mit Namen Tisey, nur zehn Kilometer von Estelí entfernt.

Angenehm

Als ich jedoch am nächsten Tag beim Frühstück im „Café Luz“ saß und zum ersten Mal an meinem Biokaffee aus der Region nippte, verwünschte ich mein vorlautes Handeln vom Tag zuvor. Denn in diesem gemütlichen Laden, grade über die Straße von meinem Hostel, rann der beste Kaffee an meinem Gaumen vorbei, den ich je auf meiner bisherigen Reise – und die muss sich in dem Zusammenhang nicht unbedingt auf Zentralamerika begrenzen – kosten durfte.

Eine solide Stärke bildete sein Fundament, gefolgt von einem leichten, doch angenehmen Hauch von Bitterkeit, der jedoch unverzüglich von einem derart reinen und unverfälschten Aroma aufgelöst wurde, so dass ich meinte, in eine frisch geröstete Kaffeebohne zu beißen.

Psychoaktiv

Bboooaaaa. Leute, das war, als ob mir mein Geschmackssinn durch diese flüssige Initialzündung die Pforten zum Himmel aufstieß und auf einmal alles nur noch Licht war mit braungold schimmernden, ovalen Schemen, die in purem Leben schwammen wie Pfefferkörner in einer würzigen Jägersauce.

Ich hätte mich am liebsten auf dem Sofa des Cafés festgekettet, ein leidenschaftlicher Aktivist für die Endlagerung von psychoaktiv strahlendem Kaffee in seinem Magen.
Doch es ist ein Graus, die Unterkunft in Tisey hatte ich schon gebucht, bald musste ich zum Bus. Sowas Blödes aber auch!

Schweifen

Und schuld daran sind allein diese komischen Typen, die ich auf der Pick Up-Fahrt vom Cotran Sur (Südlicher Busbahnhof) in die Innenstadt kennengelernt hatte. Wir stiegen alle im „Luna Hostel“ ab, zu dem das gegenüberliegende Café gehörte.
Während ich noch versonnen in der Rezeption stand und meine Blicke müßig umeinander schweifen ließ,…

hatten die anderen vier Hanseln schon die Tourmappen in Händen und diskutierten aufgeregt, schoben Zeitbalken hin und her, wuchteten Sehenswürdigkeiten wie schwerelose Felsblöcke von einem Tag auf den anderen, mit einem solchen Affenzahn, dass ich meinte, sie wollten an jenem Abend eine Pyramide nur aus ihren Träumen errichten.
Schon waren die folgenden Tage im Handumdrehen, ratzeputz und mit der kaltschnäuzigen Effizienz eines preußischen Generals verplant,

Fieber

als ich eben den ersten scheuen Blick in jene teuflische Mappe warf.
Puh. Gott sein Dank nahmen sie mich in ihrem Mahlstrom aus touristischer Hybris gar nicht wahr, sondern ich zog einsam und vergessen, weit draußen an ihrer Peripherie meine gemächlichen Bahnen wie Pluto am Rande eines fiebrigen Sonnensystems.

Alter, in deren Gegenwart legen sich selbst Taranteln auf den Rücken und klappen die Beine ein. Hätten sie einen Panzer, würden sie eingeschüchtert den Kopf einziehen. Die ganze Episode muss mich so geschockt und paralysiert haben, dass ich für den nächsten Tag, wie hypnotisiert und in geistiger Umnachtung, die Reservierung für das Guest House in La Garnacha vornahm, weil – ich war einfach überwältigt.
Halt, das stimmt nicht.

Guest House

Gebucht habe ich sie erst am nächsten Tag, leider vor dem Frühstück, aber in den Kopf gesetzt hatte ich es mir bereits am Tag zuvor, ja, und zwar unauslöschlich.
Zumindest war ich noch so geistesgegenwärtig, dass ich ausreichend Achtsamkeit wahrte, um ihnen entfernungstechnisch nicht zu nahe zu kommen, was zugegebenermaßen auch unwahrscheinlich gewesen wäre, denn von allen Destination wurde meine am wenigsten angepriesen.

Das und die Tatsache, dass man relativ flexibel war in dem, was man dort machte und wie lange man an einem Ort zubringen wollte, ohne ständig einen Guide um Erlaubnis fragen zu müssen, hatte mich schneller überzeugt und inspiriert, als mir bei der Tasse Göttergebräu am nächsten Morgen lieb war.

Anspruch

Außerdem war es nicht weit, wie gesagt. Doch macht Euch nichts vor, der Bus brauchte trotzdem anderthalb Stunden, weil das Terrain sich dementsprechend anspruchsvoll gestaltete. Im Prinzip hätte ich nebenher laufen können, im Ernst, das hätte kaum einen Unterschied gemacht.
Und das musste ich auch die letzten zwei Kilometer, weil die Vollspasten von Busbegleitern mich eine Station zu früh rausgelassen hatten.

Oh, ist mir da wieder der Kamm geschwollen, ja bist Du narrisch!
Estelí übte zwar einen mildernden Einfluss auf meine Laune aus, wohl, aber wie bereits erwähnt, der Zorn reiste unerkannt mit wie die Schwarzen Spinne im Gesicht jenes mittelalterlichen Ritters in dem unheimlichen Reclam-Heft, das wir in der Schule lesen mussten.

Tisey

Leider merkte ich das erst zu spät, weil mit mir noch zwei Deutsche ausgestiegen waren, wo ich mir dachte, na gut, das wird schon passen, auch wenn auf dem vernachlässigten Schild am Boden stand: „La Garnacha 2km“. Sicher, der Pfeil zeigte selbstbewusst und unverdrossen die Straße lang, aber was wissen Schilder schon vom Leben.

Also bin ich Ihnen hinterher gedackelt, weil warten wollten sie nicht. Sehr charmant.
Als ich sie dann an einer Posada einholte, musste ich jedoch zu meiner hohlen Entrüstung feststellen, dass es sich hierbei weder um meine Unterkunft noch um das Dorf La Garnacha handelte, und deren Besitzerin mir recht überzeugt bedeutete, dass das vernachlässigte Schild an der Straßengosse durchaus recht hatte.

 

 

Estelí

Spinne

 

 

 

 

 

 

 

Flucht

La Garnacha

Himmel

Land

Nicht viel

 

 

 

 

 

 

 

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