Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Zu spät…
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Ha! wombat’s. Flüchtlinge. Bueno. Es war bereits Abend, unsere Chefinnen schon lange zu Hause und ich wider besseren Wissens an der Bar.
Herein spaziert eine müde, abgekämpfte Familie samt Kindern und gehetztem Blick und bittet demütig um ein Obdach für die Nacht.
Inoffziell, illegal und mit allen barbarischen Etiketten unserer hehren Zivilisation gezeichnet wie gebrandmarktes Vieh mussten sie möglichst schnell und besser ungesehen nach Holland.
Nun, es war Hochsaison und die Hütte voll, aber unsere damalige Rezeptionistin brachte es nicht über ihr Herz, das den Himmel überspannt, sie wegzuschicken. Also schlug sie vor, sie über Nacht in unserem überdachten Wintergarten einzuquartieren.
„Saskia bringt mich um“, war mein erster Gedanke, der zugegebenermaßen einen gewissen boshaften Reiz mit sich brachte.
Nach einiger Überlegung und Rücksprache mit dem Dienst und Verantwortung habenden Nachtschichtler nickte ich schlussendlich als ältestes erhaltenes Fossil jenen gutmütigen Schelmenstreich mit einem hauchdünnen Anstrich geflüsterter Rebellion großzügig ab, solange sie sich vor sechs Uhr morgens und somit vor dem gewitternden Herannahen unseres Souveräns von dannen machten. Da sie eh frühest möglich los wollten, waren am Ende alle glücklich, auch Saskia, denn sie weiß bis heute nichts davon.
Doch aufgrund des eher zögerlichen Zugangs zu meinem widerspenstigen Gedächtnis enthielt ich meinem entrückten Publikum am Hang des Acatenango den schönsten Moment vor, da er mir selbst eben erst in der Retrospektion dieses unmöglichen und unfassbaren Wandertags wieder an die Oberfläche meines geräderten, ausgefransten Bewusstseins schwappt:
Der junge Mann, welcher währenddessen mit uns über das Schicksal seiner Schützlinge verhandelte, bereits zu jenem Zeitpunkt überglücklich über unsere zögerliche Zusage, erkundigte sich also bescheiden um den Preis für die behelfsmäßige Unterkunft auf Bean Bags und Klappliegen.
Verwirrt runzelte ich die Stirn: Meint der das ernst? – „Nothing of course“, gab ich entschieden zurück.
Und sein Gesicht schwoll an wie ein reifer Pfirsich. In seinen glasigen Augen schwappte eine Dankbarkeit und eine Freude, die mich hinwegfegte und vernichtete. Uns war natürlich sonnenklar, dass wir ihre Not nicht auch noch barsch und schal ausnutzten, aber ihm schien da ein ganzer Gebirgszug vom Herzen zu fallen.
Und so sind es oft die unscheinbarsten und unverhofftesten Momente, so selbstverständlich, so belanglos, die mir vor lauter Liebe das Herz in Stücke reißen.
So wandelt sich Sinnlosigkeit in Glück, Missgunst in Verbundenheit, Einsamkeit in Frieden.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht