Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Kosmische Konvergenz…
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Während meiner freien Stunden ließ ich mich tagsüber meist über das Festivalgelände treiben und beobachtete interessiert amüsiert das bunte und verrückte Treiben um mich herum: ehrliche und tiefblickende Begegnungen, Partneryoga, Slack Line-Artisten, Meditierende, Schauende, Lächelnde, Lachende, Springende, Turnende, und immer der dumpfe Beat aus den formidablen Lautsprechern im Hintergrund.
Ab und an hielt ich ein Pläuschen mit den Jungs, machte aber ansonsten wenig Bekanntschaften außer mit einem ganz herzlichen, sexy ergrauten Kanadier mit verräterisch russischem Akzent. Schon nach unserem ersten Gespräch auf dem kleinen Hügel mit einer Teestube auf dessen Plateau für die etwas ruhigeren Stunden zwischen den frenetischen Dancefloors und einem Ausblick über dieses wunderliche Kabinett aus Oz und Phantasien war uns beiden klar, dass diese Begegnung kein Zufall war.
Nun, es war jetzt auch nicht lebensumwälzend, aber wir teilten etwas, das uns verband, verwandte Seelen waren wir. Und darum geht es am Ende bei diesen wunderlichen Happenings, diesen Acid-Tests des neuen Jahrtausends: verbinden und strahlen, senden und empfangen.
Einer hat einmal gesagt, unser Gehirn sei eigentlich mehr wie ein Radio, so eine Art Verstärker. Ich glaube langsam, der hatte Recht.
Wie auch immer, ich hatte immerhin soviel Vertrauen zu ihm, dass ich mir von ihm eine kolumbianische Medizin, bestehend aus einem ominösen grauen Pulver (GRAU; nicht weiß), namens „Rape“ durch ein Stück Bambusholz in die Nase jagen ließ.
Schon während des Shots liefen mir die Tränen über die Wangen, weil das Zeug so scharf brannte auf meinen Schleimhäuten, als hätte ich eine Ladung Chili eingeatmet. Und der sagt, ich soll ganz entspannt durch den Mund weiteratmen… Ja, wie denn, wenn ich nix seh’?! … Ach so.
Nachdem ich mich von diesem Einschlag erholt hatte, begann ich darüber zu meditieren. Danach blickte ich einen Spiegel, aber ich war noch immer kein Einhorn.
Mei, wenn‘s hilft.
Zwar warf ich einen Blick auf das üppige und kunterbunte Programm aus Workshops, ließ mich jedoch meist ziellos von einem zum nächsten treiben. Wenn es mir gefiel, so blieb ich.
Wie das eine Mal, als ich bei einem Redner vorbei kam, der nach seinem Vortrag einige Fragen beantwortete und einem seiner aufrecht versonnenen Jünger Tipps gegen Kopfschmerzen gab.
Erinnert Euch daran, dass ich mich zu jenem Zeitpunkt in einem Hochsicherheits-Trainingscamp für die kommende Hippie-Generation befand. Demgemäß empfahl er ihm, er solle sein Stirnchakra mit dem oberen Ende der Wirbelsäule verbinden, sich einen Tunnel oder Röhre voller Licht vorstellen und sich darauf konzentrieren.
Was für ein Haufen gequirlter Pferdemist. Wie wär‘s mit einer Aspirin und einem ordentlichen Schluck Whiskey, Du weichgespülter Hanssojawurst? Lächerlich sowas.
Das Blöde daran war nur, dass ich diesen ominösen Lichttunnel spüren konnte…
In einem Zelt saß einer und quasselte über das Echtsein in der eigenen Persönlichkeit und das Zulassen von Gefühlen, gähn. Oder so dachte ich zumindest.
Dieser blondbefranste Typ im Klischee-Schneidersitz hatte die Augen auf Halbmast, weil er gerade am Channeln war. Vielleicht hat er deswegen auch so selbstentrückt gelispelt – oder es war Teil seiner Marketingstrategie, das kann ich nicht mit letzter Sicherheit sagen.
In der Theorie bedeutet das jedenfalls, dass sein mentaler Kanal wie beim Frühjahrsputz derart auf Durchzug steht, dass er sich mit Geistern, höheren Meistern, Aliens und vielleicht sogar Michael iii-hi! Jackson verbinden und durch sich sprechen lassen kann. In diesem Falle stammte der telepathische Podcaster von den Plejaden, gut gut. Why not.
Die meisten Leute mit gesundem Menschenverstand werden spätestens jetzt angewidert die Augen verdrehen und sich kopfschüttelnd eine Zigarette anzünden.
Aber ich frage mich tatsächlich, was am Ende dämlicher erscheinen mag: mit Antibiotika verseuchtes Hühnchen zu fressen, Plastik, Feinstaub und Abgase in die Atmosphäre zu schleudern, die Regenwälder abzuholzen, um Platz zu schaffen für zerstörerische Monokulturen, oder mit Außerirdischen über Hormonschübe zu diskutieren.
Wir sind alle nicht ganz dicht in der Birne, die Frage ist nur, wie viel Schaden richten wir am Ende damit an.
Ja, vielleicht ist das alles ausgekochter Blödsinn, aber zumindest kommt so einer nicht auf die Idee, Haifischzähne als Potenzmittel zu verkaufen und den Rest wegzuschmeißen.
Aber davon verstehe ich in Wirklichkeit nichts. Ich weiß nur soviel:
Das Eigenartige an diesem dubiosen und bei allem Irrsinn doch liebenswürdigen Verein ist am Ende die Tatsache, dass man nie wissen kann, ob man in dem ganzen Durcheinander nicht zufällig auf einen Goldhaufen tritt. Und das ist immer noch um einiges wahrscheinlicher als ein integrer Volksvertreter auf diesem Planeten am Rande des Dschungelcamp-Wahnsinns.
Selbstverständlich, man kann sich tagelang irgendwelchen Quark anhören, aber mitten im Strudel der Scharlatanerie stößt man plötzlich auf jemanden, der einem mit seinen Worten, seinem Auftreten oder einfach dem Blick oder Glanz in seinen Augen tief drinnen verrammelte und verkeilte Türen einrennt und einen ein Stück weiter schubst auf der Straße durch das unendliche Universum.
Es ist mir redlich scheißegal, wer oder was da in jenem Zelt mit mir redete, aber es ist die volle Wahrheit, wenn ich sage, dass in dem Moment alles in mir aufmachte und anfing, summend zu vibrieren und zu fließen.
Es ist ein ähnliches Gefühl, wie wenn man sich nach einer stundenlangen Busfahrt mit eingeklemmten Beinarterien und Gedankengängen endlich die eingeschlafenen Füße vertreten kann.
Emotionen zuzulassen und ehrlich zu sich selbst zu sein ist nun zumindest seit „Harry & Sally“ ein alter Hut, aber die Art, wie er darüber redete, katapultierte mich aus irgendeinem unerfindlichen Grund auf eine andere Ebene auf der ewigen Spirale des Lebens. Voll crazy.
Aaah. Aber ich liebe diesen Scheiß. Und solange er funktioniert, habe ich üüüberhaupt nichts dagegen, wenn mir das ein formloser Gentleman von einem anderen Stern vor den Latz knallt, solange es nur jemand sagt. Und immerhin steh’ ich auf Sci-Fi.
Oder meint Ihr, dass jenes Erlebnis weniger sublim gewesen wäre, hätte es sich um einen Moorgeist aus Altötting gehandelt?
Nein, darum geht es nicht, denn Weisheit ist überall, selbst im kleinsten und unscheinbarsten Tropfen alltäglicher Banalität.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht