Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Verdächtige und außergewöhnliche…
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Hm? Warum überhaupt nach Palenque? Keine Ahnung. Doch. Was halt am nächsten liegt, die alten abgestylten Maya, wer sonst.
Jesses, die haben’s wenigstens hinter sich.
Es gibt in Mexiko in etwa 10 – 15.000 Ausgrabungsstätten, von denen nur knapp 200 der Öffentlichkeit zugänglich sind. Eine der wichtigsten, größten und weitläufigsten davon befand sich nur etwa drei Kilometer von meiner Cabana entfernt, also konnte ich genauso gut da mal hin spazieren. Was für ein Zufall.
Also früh auf, hopp, hopp! und voller Tatendrang die Carretera entlang ins Dickicht, meine Kamera dehnte tief einzoomend ihr Batteriefach, konzentrierte ihre Linse und ging mental alle möglichen Szenarien durch.
Natürlich gab es auch dort das übliche Tamtam, aber es war Meilen weniger los als in Chichen Itza; wir sind eben nicht mehr auf der übersäten Halbinsel Yucatáns.
Ähnliches Setup: großes Palastgebäude, einige hoch aufragende Tempelgebäude mit dem obligatorischen Alptraum eines jeden Halswirbels, famose Felsgravuren von Kriegern und Herrschern, die bescheidenen Reste eines Ballsaals. Das ganze Ensemble schmiegt sich geschmeidig und malerisch an und in die dicht bewaldeten Hänge um Chiapas Höhen, zur anderen Seite hin reizende Ausblicke auf das sich in der Ferne verlierende Flachland in der diesigen Morgensonne.
Das Schöne an den grauweiß erhaltenen Ruinen in Palenque ist, dass man fast überall herumklettern und auf eigene Faust entdecken kann: um den pittoresken Aussichtsturm im Herzen des Palastes herum, daneben kleine Seitengänge und Nischen und immer neue, teilweise kaum beschädigte Beweise ihrer außerordentlichen Kunstfertigkeit.
Und es ist riesig! Ich hab’ da locker vier, fünf Stunden zugebracht. Klar kann man auch in einer durchschneuzen, aber das ist wie, wenn man den Satz des Pythagoras auswendig lernt und dann meint, man hätte Mathematik gecheckt.
Hier gibt es zig Ausgrabungsstätten verteilt auf 15 Quadratkilometer, manche noch komplett überwuchert, scheinbare Hügel in der wimmelnden und wuselnden Landschaft. Ein kleiner Teil nur wurde bisher freigelegt und untersucht, wer weiß, was da noch alles auf uns wartet, Schlangen und Ungeheuer und Kapitän Nemo.
Das Palast- und Tempelareal stellte wiederum nur den Kern der einstmaligen Stadt dar, etwas weiter in den Primärwald-Suburbs finden sich etwas bodenständigere Behausungen, wo der schwitzende, buckelnde und zum Erbarmen hoffnungsvolle Pöbel sein Dasein fristete.
Blätter fallen unablässig auf moosbewachsene Mauerreste, darüber thront ein hölzerner Wolkenkratzer, der wohl den unfairen Zweikampf über die Zeitalter hinweg gewonnen hat, dessen Wurzeln gerade jetzt im Begriff sind, ihren alten Gegner genüsslich zu zermalmen.
Man kann es auch weniger martialisch betrachten und sagen, er legt tröstend und mitleidsvoll seine gewundenen Arme um das aus seiner Warte doch eher ungeschickte und klobige menschliche Machwerk und beschützt es wie ein sorgender Vater sein kränkelndes Kind.
Verdammte Treehugger.
Auf dem Weg vom einen zum anderen Viertel führte eine hölzerne Hängebrücke über mehrere terrassenartige Bassins, über die sich glucksend ein so klarer Bach – das Wasser hier ist soo klar! Ich komm’ immer noch nicht drauf klar, mwaha – ergießt, dass man ihn kaum sieht: das Bad der Königin. Natürlich.
Wehe, wenn so ein dreckiger und ungeziefriger Untertan seine verlausten Furunkelhaxen da rein hält. Off with their head!! Und heiderdaus knicksdiknacks die Tempeltreppen hinunter, dazu taugt seine verlorene Seele allemal und ist das Höchste, was er sich in seinem verruchten, morastigen Leben zu erhoffen vermag.
– Peinlich berührt hält er inne. Langsam fährt er sich mit der Zunge über die Lippen, wischt sich unterdrückt zitternd den Schweiß von der Stirn, verlagert vorsichtig seinen wogenden Augapfel und klackert entschuldigend mit den Zähnen. Dann holt er tief Luft und strafft entschlossen seine Schultern: –
Es ist erstaunlich. Zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder schuftet meine Kamera wie ein chinesischer Schienenverleger, aber sie ist eine treue alte Lady und macht meine Eskapaden mit einer Engelsgeduld mit; bis auf einige vorsichtige Lamente über den Batteriestatus, die ich geflissentlich ignoriere.
Aber es ist wie mit allen großartigen und von menschlichen Ameisen überlaufenen Wundern der Architektur: es fehlt mir irgendwo die letzte Verbindung, der letzte Zugang. Aufgrund der Künstlichkeit der Situation bin ich wohl nie ganz dort.
In ähnlicher Weise fühle ich mich zwar pudelwohl zwischen den kräftigen rosa Blüten und den riesenhaften taubedeckten Fächern der Bananenstauden unter den Schatten spendenden Herrschaften über mir, und doch gibt es da zuweilen einen Graben, der mir den finalen Zutritt verwehrt, das heilige Ziel schon in Sichtweite und greifbarer Nähe; es fehlt das ultimative Ausatmen, das letzte Quentchen Herz.
Aber was soll’s. Das ist rumflennen auf höchstem Niveau: „Oh! Mir ist etwas Patchouli-Öl auf mein Versace-Magazin gelaufen!“ Gehört auch dazu. Schwamm drüber und weiter im pochenden Takt.
Zwischen all diesen kräfteraubenden Aktivitäten bot es sich freilich auch mal an, sich auf den Tempelgipfeln ein gemütliches Platzerl zu suchen, um ein bisschen zu baumeln und die Aussicht über das magische Areal zu genießen.
Der Trick war, genau in dem Moment irgendwo hochzumarschieren, wenn eine größere Gruppe bereits seit geraumer Weile da oben herumhühnerte.
Denn es dauert nicht lang, nachdem man sich zu den Klarsicht-Zombies gesellt hat, dann verschwinden sie in ihrem psychoaktiven Konsumtrip auch recht flott, und man hat den ganzen Shizzle für sich allein: Wenn ich mich gaaanz langsam bewege, dann sehen sie mich nicht…
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht