Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Seniorenheim für…
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In Mexiko gibt es übrigens noch einige unserer alten VW-Käfer zu sehen. Nur parken sie mehr als dass sie fahren, was so viel pittoresker auf die ganze Szenerie wirkt; das scheinen auch die Einheimischen instinktiv zu spüren. Mittlerweile rosten einige traurigen Modelle ganz schön vor sich hin, die hiesige Produktion wurde wohl in den 90ern ’rum eingestellt.
Das weiß ich auch nur von Marc, weil der früher mal Autohändler war. Dass VW in diesem Land Autos hergestellt hat, interessiert mich nämlich in etwa soviel wie die chemische Zusammensetzung von Polyester.
Schon früh in meiner jugendlichen Stammkneipe packte mich jedes Mal das Grauen, wenn meine in Moschusöl getauften Kameraden ehrfürchtig zitternd wie ein mittelalterlicher Mönch vor dem Abendmahl die „Auto, Motor & Sport“ aufschlugen und sodann herzhaft schnalzend über die ökonomischen Vorzüge von Edelstahlfelgen und tiefer gelegten Fahrwerken diskutierten, während sich der wabernd schwärende Bierdunst mit dem Rauch unserer selbst gedrehten Kippen (Schwarzer Krauser schmeckt genauso wie der Name klingt.) zu einem klebrigen Film verdichtete, der das ohnehin schon schummrige Licht der Tischlampe noch weiter verdusterte. Die automatisierte Bewässerung unserer von chronischer Dürre geplagten Kehlen tat ein übriges.
Um Hilfe flehend starrte ich an die sich in dicken Schlieren windende Patina, die nur Jahrzehnte konzentrierten Alkohol- und Zigarettenkonsums hervorzubringen imstande sind, und versuchte verzweifelt an irgend etwas Schönes zu denken, wie zum Beispiel an die Szene, als Luke Skywalker sich endlich gegen seinen Vater erhebt und ihn windelweich prügelt mit seinem grell singenden Lichtschwert…
Oh. Nun, es war nicht schön, das kann ich Euch sagen.
Aber wenn wir schon bei diesem deprimierenden Thema sind, selbst mir fällt auf, wie viel Steuergelder der mexikanische Staat in seine Bullerei buttert. Also. Das sieht aus, als ob sie mit ihren frisierten Schlachtschiffen und den mattschwarzen Choppern beim nächsten Fast & Furious mitmachen wollten. Und am Ende gewinnen, nachdem sie alle anderen kalt gemacht haben.
Gut, das niedliche Elektroplaymobil zwischen den alten Kreuzern macht jetzt nicht den bedrohlichsten Eindruck, aber wer weiß, vielleicht ist es ein fieser Transformer.
So nach und nach gab Campeche’s Altstadt jedoch ein paar versteckte Paradiese preis, die mir den Abschied dann doch erschwerten. Fast schon bereute ich es, mein Ticket nach Palenque für den nächsten Tag gekauft zu haben – aber was sollte ich machen? Die Fernbusse hier sind kaum billiger als die in Deutschland, und es gab eine Promo-Aktion.
…An dieser Stelle empfehle ich das Stück „Schnäppchentour“ von Uli Keuler (Unfassbar, das gibt’s nicht bei youtube! FAIL.).
Da gab es ein nettes Café in der ansonsten eher angeposhten 59. Straße, auf der man allerdings wohlig gemütlich sitzen konnte, denn sie war für den Verkehr gesperrt worden. Wie simpel man mit ein paar Stühlen und Tischen entspannte Lebendigkeit an einen Ort zaubern kann, der eigentlich nicht dafür vorgesehen war; ähnlich wie in der grandiosen 19th Street in Yangon, Myanmar.
Im Inneren eines Konvents entdeckte ich einen wunderbar ruhigen Innenhof mit in kräftigem, doch sanftem Gelb verputzten Wänden und von schlichten Säulen getragenen Bogengängen. Wie geschaffen für die eine oder andere kontemplative Stunde, während sich ein junger, angehender Maler an verschiedenen Perspektiven probiert. Auf einer Bank dahinter sitzt ein schüchternes Mädchen konzentriert über ihren Hausaufgaben. Nur der Mann im Mond schaut zu.
Schweißtreibender war dagegen der kleine Frühstücksladen von Andrea und ihrer mütterlichen Chefin. Ich wäre glatt dran vorbeimarschiert, wenn da nicht das an eine Geröllawine erinnernde und tief aus den Eingeweiden von imponierenden Bäuchen hervorpolternde Lachen der Insassen gewesen wäre. Verwundert blickte ich auf und dort hinein, und es verging keine Nanosekunde, da sie erkannt hatten, dass ich ein mondäugiger Tourist bin, um mich mit breitem Grinsen und schlackernden Armen zu ihnen einzuladen.
Das war mein erster richtiger Härtetest für mein leidiges Spanischrepertoire. Ich muss aber sagen, ich war recht stolz auf mich, obwohl ich es viele Male wie zum Wiederkäuen und mit aller Gewalt hervorwürgen musste, als ob ein Biberbau aus Fischgräten in meiner Kehle es daran hindern wollte.
Doch ich war trotz dieser Schwierigkeit in der Lage, einige Sätze wie aus einer leeren Zahnpastatube hervorzuquetschen. Und nachdem ich ihnen erzählte, dass es in Deutschland mitunter sehr hohe Tische („mesa“ statt „casa“, Haus) gebe, ich an die Pfannkuchen wirklich glaube und sie nicht einfach nur haben möchte („creo“ anstatt „quiero“, „Ich möchte gern“) und ihnen versicherte, dass ich keinen Schönling habe („hermoso“ statt „hermano“, Bruder), nahmen sie mich offenen Herzens in ihre Runde auf.
Ich denke, ich habe einiges gelernt in jenen schillernden und schwülstig keckernden Morgenstunden und musste nur darauf Acht geben, dass ich nicht spontan verheiratet werde. Die Besitzerin des Ladens hatte da nämlich schon Lunte gerochen und ihre fürsorgliche Angel ausgeworfen, beobachtete aus den Augenwinkeln aufmerksam meine angeregten Gespräche mit Andrea.
Aber so ist das mit Bauchentscheidungen. Man weiß nie, was man kriegt. Immerhin, sie steht auf die „Avengers“, da kann quasi schon von Seelenverwandtschaft sprechen.
Ja zefix, den einen oder anderen Tag hätte ich es hier schon noch aushalten und im kühlenden Schatten der Stadtmauer die Zeit dahindämmern können.
Aber die Straße ruft, Mann, der Asphalt kitzelt meine Kniekehlen und schubst mich zurück auf seine lockenden Wege, die sich wie graue Schlangen durch den Dschungel winden.
Auf, weiterrr nach Palenque! Mehr Leben, mehr Dinge, mehr Welt!
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht