Seite wählen

Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Saving Private To…
———————————————–

Perspektiven

Am selben Abend noch lernte ich im Santa Maria ein junges Früchtchen aus Neu-Ulm – gefährlich nahe an München – kennen. Die Arme war Anfang zwanzig, hatte grade ihr Auslandssemester im Norden Mexikos hinter sich gebracht und war dementsprechend mitteilungsbedürftig. Trotzdem war sie mir sympathisch, und zusammen mit ihr und dem Italiener aus meinem aus zwei Betten bestehenden Apartment-Dorm* schaute ich mir Tags darauf die Ruinen von Ek Balam an.

Der war auch lustig, weil er konnte kaum Englisch. Wenn irgendwas nicht gepasst hat, war alles gleich „terrribel“, einfach weil sein Wortschatz zu beschränkt war, um feinere Grade an Unpässlichkeiten ausdrücken zu können: „Oh nooo, I-a need-a to charge-e my phone-e but-e de cabel’ is in-e de big backpack-e! Is terrribel!!“

Ek Balam

*Das passiert hier auch schon mal. Da in der ersten Nacht kein Bett im Schlafsaal frei, hab’ ich mir mit Peter ein recht günstiges Doppelzimmer mit Küche und Blick auf die Gartenhalde geteilt und bat darum, am nächsten Tag in ein Dorm umziehen zu dürfen. „Si claro.“ Also bin ich vor der Fahrt nach Chichen Itza ausgecheckt und hab’ mein Zeug bis zum erneuten Check-In untergestellt.

Was mich dann allerdings verblüffte, war die Tatsache, dass mich der nette Besitzer wieder in unser altes Zimmer führte. „Eh. Compartido?“ „Sii.“ Zum Dorm-Preis? „Siii, no es problema.“ Also habe ich weiterhin im gleichen Zimmer geschlafen, nur um fünf Euro günstiger.
Im Gegensatz zu uns haben die Leute hier das Prinzip der Relativität nicht nur verstanden, sondern in ihrem Herzen verinnerlicht.

Abenteuer

Doch zurück zu Ek Balam. Im Gegensatz zu seinem großen Bruder wirkte die Anlage beinahe verlassen, und dieses Mal durfte man die Stufen des Hauptgebäudes (Der Crowded Planet beschreibt es als „Akropolis“, naja) durchaus erklimmen, von wo aus ich mir zum ersten Mal einen Überblick über die überwiegend flache Buschlandschaft verschaffen konnte. Die übrigen Ruinen dort kuschelten sich wie graue Inseln aus Stein abenteuerlich-romantisch in das tiefgrüne Blättermeer.

Es handelte sich herbei weniger um eine heilige Stätte mit Tempelanlagen als vielmehr um die Überbleibsel einer kleinen Stadt , wobei an dieser Stelle der Richtigkeit halber erwähnt werden muss, dass Chichen Itza als Ganzes im Grunde auch eine wohl recht beeindruckende Stadt gewesen sein muss. Das Ausgrabungsgelände, das heute zu besichtigen ist, stellte lediglich den religiös herrschaftlichen Kern derselben dar.

Stufen & Mauern

So, das reicht erst mal, sonst werde ich gar „overruined“.
Zum Ausgleich schaute ich mir noch einige dieser hübschen Cenotes an, die ich bequem mit meinem martialisch schwarzen Cruiser-Leihfahrrad abfahren konnte, das, wie ich gestehen muss, fast so cool ausschaut wie mein eigenes.
…In Wirklichkeit fand ich es sogar noch geiler, aber diese unangenehme Tatsache habe ich schnell in mein Unterbewusstsein verdrängt, um sie lieber später in wirren Alpträumen zu verarbeiten.

Licht

Das war allerdings, nachdem ich ins schöne Candelaria umgezogen bin, sorry, aber die Chronologie ist auf Betriebsausflug.
Mit von der Partie waren unsere freiwillige Köchin Sandra aus Kanada, Jetze aus Holland und ein Schweizer – geboren in München. Hmpf.

Die erste hieß „Zaci“ und war nur ein paar Blocks vom Candelaria entfernt. Mitten in der geruhsamen Kleinstadt tut sich also ein Loch im Boden auf, und ich tauche ein… in eine andere Welt, wie es scheint.
Zur Hälfte unter einer Höhlendecke verborgen, zur anderen eingerahmt von einem üppigen Pflanzenhain, erstreckt sich unter mir ein beinah kreisrundes Bassin mit kristallklarem, azur-türkis-tiefblaugrünem, ach zefix, einfach saugeilem Wasser.

Andere Welt

Wenn ich in dieses wunderbar erfrischende Becken eintauche, meine ich, dass all meine eingebildeten Sünden abgewaschen werden und ich ewig jung bleiben müsse. Die aufsteigenden Luftblasen, die meinen Körper umspielen, erscheinen wie Perlen aus gefrorenem Sternenlicht, die vom einfallenden Licht der Sonne tausendfach gebrochen werden.
Wenn die Weltseele aus dichter Materie bestünde, so müsste sie nach diesem Vorbild geschaffen sein.

Wellness on a shoestring

Leider ist mir bei meinem ersten etwas übermütigen Kopfsprung der Bügel der in meiner Hand befindlichen Brille gebrochen, aber mei, nichts ist von Dauer auf dieser Welt, no?
Wie Kinder im Freibad vergnügten wir uns und sprangen ein- ums andre Mal ins herrlich kühle Nass, um uns danach in der prallen Sonne zu trocknen und von den eifrigen Fischlein die Füße peelen zu lassen. – Manche Leute zahlen für sowas.

Sandra und der Schweizer sind danach abgesprungen, während der gute Jetze und ich uns etwas außerhalb von Valladolid auf die Suche nach weiteren versteckten Paradiesen begaben.
Wie es sich eben so ergibt, unterhielten wir uns viel über’s Reisen. Dieser Wahnsinnige hat bis zum heutigen Tag bereits gut über 40 Länder besucht und straft so die deutsche Reisedisziplin und -effektivität Lügen. Obwohl er etwa in meinem Alter ist, kommt er auf soviel mehr als ich, dass mein Neid sich vor schierer Überforderung selbst verzehrte.

Jetze Popetze

Ein sehr angenehmer und unterhaltsamer Tagesgefährte. Wir waren so sehr in unser Gespräch versunken, dass wir den Abzweig zur Cenote „Oxman“ (sprich: Oschman) verpassten und uns unversehens auf einer Müllhalde wiederfanden.
Das erweist sich jetzt vielleicht nicht als eine der herausragendsten Sehenswürdigkeiten Yucatáns, aber ich erwähne das deshalb, weil sich dort eine Unmenge an Aasgeiern versammelt hatte und sich mitunter an einem ausgezehrten Kadaver gütlich taten, dessen Haut sich wie sonnengegerbtes Leder über die nutzlosen und verdorrten Knochen seines Vehikels spannte.

Das Fest

Das klingt morbide, aber dieses unerwartete Spektakel faszinierte mich trotzdem, hatte ich doch nie in meinem Leben so viele von den Viechern aus solcher Nähe beobachten können. Über uns im Baum saßen sie, als warteten sie bereits auf das nächste, vielleicht etwas zähe Festmahl.
Die Arbeiter dort störte das freilich nicht, die schienen sich trotz dem Dreck und dem Gestank köstlich zu amüsieren. Die Kunst des Lebens verlangt keine Wunder.

Lachend wiesen sie uns den Weg, und wenige Minuten später fanden wir uns auf einer alten, ausgedienten Hazienda wieder, die fortan ihr Dasein als aufgematschelte Touristenoase mit Swimming Pool dient.

Höhere Macht

Das ist natürlich nur verständlich, wer will schon in einem Naturwunder plantschen, wenn er aus einem bis auf subatomare Ebene sterilisierten und zerchlorten Kachelbecken saufen kann.
In wohl dosierter Überheblichkeit stolzierte ich abstrafend daran vorbei, um mich unversehens vor einem Abgrund wieder zu finden…

 

 

 

 

Obacht

Umfunktionierte Hazienda

Zaci

 

 

 

 

 

 

————————-

Bitte umblättern: Launische Physik…