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Ansage

So eine Scheiße.
Jetzt war das Hostel La Candelaria, das mir Carmen und Jana empfohlen hatten, wegen so einer abscheulichen Gruppe aus Skandinavien ausgebucht! Fünfzehnjährige, hormonbedingt überhebliche Labello-Chicks, die daherstackseln, als hätten sie die Weisheit der Welt mit Schöpfkellen gefressen. Zum Kotzen.

Am Ende lag es aber weder am Alter, noch dass sie Mädchen oder aus Skandinavien waren. Hallo? Ich geb’ doch meinen versteckten Machismo-Rassismus nicht offen zu, für wie bescheuert haltet Ihr mich? Mm-mm, nein, mein gestriegeltes und geöltes Vorurteil richtet sich gezielt auf dieses abgrundtief scheußliche Wort „Gruppe“.

Auseinander!

Sowas gehört verboten. Im Ernst, anstatt unbescholtene Reisende völlig überzogene Ausreisegebühren aufzudrücken oder arme, einsame und aufgrund der unerwarteten Heftigkeit des im Überfluss verflossenen Abends schwankende Seelen einzukasteln, die aufgrund eines eklatanten Mangels an öffentlichen Toiletten vor lauter Schmerzen und Not an eine Hauswand pinkeln, sollte die mexikanische Polizei lieber einreisende Personen auf eine womögliche Infektion mit verschiedenen anderen Exemplaren der gleichen Spezies kontrollieren.
(Der war ganz schön lang. Wer mag Satzteile und Wortarten bestimmen?)

Iih, Menschen.

Ja, wirklich! Wenn sich mehr als 5 Personen bibbernd zusammendrängen, rein mit der Machete und mit Gewalt auseinander: „Ihr geht‘s nach Chichen Itza, und Ihr nach Palenque. Keine Widerrede, sonst knallt‘s, und jetzt schleicht‘s Euch!“
So würde ich das machen. Aber das will ja keiner wissen.

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung vor und hinter der Überwachungskamera will ich behaupten, dass Gruppen und Hostels in etwa so vereinbar sind wie ein Wiener Schnitzel mit Taubenmist. Man kann es machen, aber hinterher braucht man sich nicht wundern, wenn man mit Magenkrämpfen aufwacht.

La Candelaria

Also schön. Bin ich halt um die Ecke ins durchaus saubere, doch eher triste Santa Maria eingecheckt. Die Zimmer waren makellos, aber es gab kaum einen Ort, wo man sich aufhalten konnte. Da gab es zwar einen großzügigen Garten, der aber mehr als Schrottplatz für ausgediente Kloschüsseln diente als alles andere. Immerhin gibt es das Santa Maria erst ein halbes Jahr, man kann es also vorerst als Arbeitshypothese bezeichnen.

Dafür war es billig und dessen Besitzer trotz dieser Tatsache überaus freundlich und aufmerksam. Und ich befand mich weiterhin in Fallnähe des hübschen Plaza, nach dem das Candelaria benannt ist. Ein kleiner baumbestandener Hafen, des Nachts warm beleuchtet von geschwungenen Laternen zum leisen Säuseln der Blätter in einer herzerfrischenden Brise. Zudem gab es dort ein süßes Café, wo man den Tag dahinträumen konnte, während die Autos an der Calle 42 emsig vorbeibrausten.
Das war alles, was ich brauchte.

Beschaulichkeit

Valladolid ist ein bezauberndes kleines Städtchen, in deren süßen Straßen tagsüber doch einiges los ist. Die zartbunt pastellnen Häuserwände winken mir im warmen Licht der Abendsonne schelmisch zu. Bürgersteige sind auffallend hoch, dafür so eng, dass man sich seitlich an Passanten vorbeischieben muss. Gar nicht so leicht mit zwei Rucksäcken.
Wahrscheinlich hat der Beton nur für eine Axialrichtung gereicht. Anstatt Namen sind sie lediglich mit Nummern versehen, was das Navigieren erheblich erleichtert. Zugegeben, romantisch ist das nicht gerade.

Straße Kunterbunt

Es ist ein netter Zeitvertreib, ziellos durch die Innenstadt um den zentralen Platz „Parque La Mestiza“ herum zu streunen. Damit hat es sich dann aber auch bald, und die Sehenswürdigkeiten befinden sich eher außerhalb der Stadt, wodurch man nicht Gefahr läuft, sich einen Wolf zu laufen wie an so manch anderem Ort.

Ja, schön ist es hier, doch frage ich mich, ob ich allzu lang verweilen will an diesem Ort. Mein Herz hat noch nicht Feuer gefangen, sein Licht nur wie das Flackern einer schüchternen Kerze. Schön ist Valladolid, aber hat es auch eine Seele?
Die Antwort auf diese Frage fand ich, als ich ins Candelaria rübermachte.

Ein Konvent oder so

Für eine kurze Zeit bin ich allein, auch das tut gut. Kann zu mir kommen nach diesen Tagen der blitzgewittrigen Eindrücke. Ich atme die Leere zwischen der Welt in entspannter Zurückgezogenheit, trete mental einen Schritt zurück und stemme die Arme in die Hüften, atme nochmals tief ein.

So denn Reisepläne oder anderweitige Gedankenspielereien drohen, meinen Körper in einen von einer inneren Feder angespannten und zum Abschuss bereiten Holzpflock zu verwandeln, entspanne ich mich postwendend. Denn ich weiß nunmehr, dass der Abschuss nie erfolgen wird. Die Anspannung bleibt bestehen.

Erden

Ich schaue sie an, wie sie sich wie Nebelschwaden im Licht der Morgensonne auflöst, ohne Nachhall, nicht von Dauer. Ruhig, unbehelligt, frei. Eine Fledermaus flattert umher.

So wechselten meine Tage zwischen frenetischer und explosionsartiger Aktivität und dosiert sabberndem Nichtstun, das der Connoiseur als „Chillen“ beschreibt. Eine Palmenmeditation hier, ein Buchabsatz dort, garniert mit einem Cappuchino-Nickerchen im Café oder in einer der lauschigen Hängematten im üppigen Garten des Candelaria.

Leben

Da habe ich mich natürlich für die nächstbesten Tage eingemietet, sobald wieder ein Bettchen in der bunten und mit allerlei Schnickschnack versehenen Unterkunft frei war. Lustigerweise war das Grundstück sehr eng und schlauchartig angelegt, so dass man vom eigentlichen Gebäude, vorbei an den Mieträdern und dem Frühstücksbereich bis in den Garten fast eine halbe Stunde brauchte.

Doch, doch. So hab’ ich das in dem Kloster in Bangkok gelernt: immer schön achtsam einen Fuß nach dem anderen aufsetzen.

Just another day…

Die meiste Zeit dort verbrachte ich jedoch mit Rodrigo und Sandra, zwei gleichgesinnten und ähnlich gewollt verlangsamten Menschen.
Was heißt in diesem Fall gleichgesinnt? Nun, stellt Euch folgende Situation vor:
Alle drei hängen wir wohlig ermattet in unseren Hängematten im Kreis herum um einen wohlgeformten Holzpfosten.

In einem hinterhältigen Anfall von Inspiration schrabbelt Rodrigo abwechselnd eine Ukulele zugrunde oder jammt auf einer hübsch verzierten Holzflöte, die sich früh in ihrer Kindheit mit Kultur angesteckt hatte. Sandra döst entweder in der ihren oder sitzt auf dem Boden und besudelt sich über und über mit Henna, bis man nur noch den Haarschopf, begraben unter einem Berg veganer Naturkosmetik, erkennen konnte.
(In Wirklichkeit hat sie fantastische Muster auf die Innenseite ihres Fußes gepinselt.)

Verwandte Seelen

Ich hingegen beobachte die beiden in ihrer beinah religiösen Versunkenheit nur und grinse versonnen vor mich hin. Sie haben mich wohl gefragt, ob ich eine Djembe haben will, und dabei ganz verzückt und aufmunternd mit ihren strahlenden Augen gekullert, aber dann hätte ich aufgrund einer Überdosis Hippie-Kitsch einen epileptischen Anfall erlitten und wäre doch glatt aus meinem bauchigen Nest gekippt.
Und so etwas wollte ich eben vermeiden.

 

 

 

 

Hauptattraktion

La Mestiza

Alltag

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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