Eine verirrte Tram-Bahn in einer schattigen Nebenstraße unweit jäh unterbrochener bayrischer Gemütlichkeit,
Ein ausgebranntes Auto im Designer-Mekka der Pastellhosenträger und Spritzlippen,
Sich windende Schlangen voller Sehnsucht in der fahlen Brust;
Es tut sich sich was in meiner ach so beschaulichen Weltstadt mit Herz. – Fragezeichen.
Tom und ich haben nämlich beschlossen, uns bei einer Wohnungsgenossenschaft anzumelden.
Also. Wir haben einen Antraaag – auf Vormerkung zur eventuellen Aufnahme in die Warteliste einer solchen Genossenschaft gestellt. Immerhin.
Hierbei handelt es sich um eine mehr oder weniger soziale Einrichtung, die sich um bezahlbare Wohnungen für ihre Mitglieder bemüht.
Und hat man es denn einmal geschafft, für immer und ewiglich den eigenen Namen in einer solch geheiligten Liste einzuätzen, winken einem (viel viel viel später) schöne Altbaudomizile ohne entnervende Mietpreissteigerungen nach jedem Quartalsende.
Denn guter Wohnraum ist in München teuer. Altehrwürdige Gebäude werden luxussaniert oder schlichtweg abgerissen, um Platz zu schaffen für postmoderne Plattenbau-Glasscheußlichkeiten ohne Leben, welche dann zum xfachen Preis an gierig-geifernde Immobilienkonzerne verschachert werden.
Da will natürlich keiner rein. Deswegen hängen dort auch überall an frisch verputzten Außenwänden bunte Banner mit den aufmunternden Worten:
„Gewerbeflächen zu vermieten!“
– während weiter unten ein Obdachloser im Müll nach Pfandflaschen stiert.
Bitte kein Glas.
Familien tun sich schwer, Studenten geben sich allmonatlich die Klinke zur Zwischenmiete in die Hand (Wo sind überhaupt die Arbeiter?), Rentner werden schlichtweg ausgeklammert und vergessen; wie Ruinen stehen sie ratlos da, unsere gealterten und vereinsamten einstmaligen Säulen der Gesellschaft, und warten auf den Tod.
Denn zum Leben reicht’s nicht.
Einen bezahlbaren Platz in einem Kinderhort zu ergattern ist in dieser Stadt in etwa so einfach wie im wirbelnden Chaos der Welt zu sich selbst zu finden.
Aber hier! Komm herein, gründe eine Firma und sei produktiv!
Scheißegal wie und wann,
Solang man es nur verkaufen kann.
Denn wir müssen wachsen! Über uns selbst hinaus und bis ans Ende der Welt.
Und wohin dann? Nun, das weiß keiner, aber es ist ja allgemein bekannt, dass der Weg das Ziel ist. Wider jegliche Natur, denn was hat die am Ende schon geleistet? Als Krone der Schöpfung ein zwar vollkommenes, jedoch höchst ineffizientes und wankelmütiges Wesen auf zwei Beinen mit zerrütteter Psyche, per Kaiserschnitt abgeschnitten vom eigenen Gott, der in einem jeden wohnt.
Man lernt das ja auch nicht! Viel wichtiger ist es zu wissen, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit ein römischer Feldherr beschlossen hat, auf ein germanisches Klo zu gehen, und ob es da geregnet hat. Zwei mal zwei ist neun und die widiwidiwid von allen Fesseln befreite Freie Marktwirtschaft das Aushängeschild westlicher Demokratie, während diese in blutigen Fetzen schluchzend und zitternd in einem schwarzen Kerker weit unter den aalglatten Mauern von Europas Festung dahinwelkt:
abgeschoben, geschlagen und vergewaltigt.
Aber ich schie-schweife ab.
Jedenfalls: kommt’s alle nach München zum Arbeiten!
Aber leben tut’s bittschön woanders, ge?
Und so kann man zurzeit auf sämtlichen Wahlplakaten von Parteien jedweder Couleur den hohlen Spruch
„Für gerechte Mieten!“ oder
„Mehr Bildung!“
lesen. Für das Geld hätte schon wieder ein Flüchtling einen bescheidenen Platz in Deutschland gefunden.
Das Ganze wäre ja auch nur halb so schlimm, wenn einem nicht an jedem Straßeneck diese widerlich heuchlerischen Hackfressen ins Gesicht springen würden. Wer BRAUCHT denn sowas?
Jetzt mal echt, man könnte doch schlicht und einfach ein neutrales Plakat drucken und dann die Namen aller Parteien drunter setzen lassen, weil das kommt am Ende dann auf’s Gleiche raus. Nämlich gar nix. Und man wird nicht blind davon.
Und jetzt lasst Euch das mal in aller Ruhe gemächlich in Euer Bewusstsein tröpfeln, wenn ich nun den Bogen schlage zu einer Wohnung mit Ausblick auf ein menschenwürdiges Leben zu vernünftigen Preisen.
Dementsprechend… gefragt und begehrt muss einem- MIR! so ein Antrag auf Vormerkung zur even… tuellen Aufnahme in die Warteliste einer derartigen Genossenschaft erscheinen. Denn „aus diesen Vereinen tritt man nicht aus, man stirbt raus.“ (Tom Biber, der Nasige)
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Bitte umblättern: Und vergib mir..
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht