Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Revolutionen im Regen…
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À propos, andern Tags fuhren wir zusammen mit einer Freundin von Laura nach Chiapa Del Corso. Sie hatte den Ausflug nicht näher definiert, es war mir auch egal, erwähnte nur die Worte „Boot“ und „Schlucht“. Klang sexy genug für mich.
Leider handelte es sich bei dem „Boot“ um ein Speed-Boat, und für die zweistündige Fahrt durch die Schlucht von Sumidera hin und zurück knöpften sie uns umgerechnet 10 Euro* ab, was mir schon deutlich weniger sexy vorkam.
*Das war auch komisch. Rechnet man die Kosten für Busfahrt zur Schlucht und wieder zurück nach San Cris hinzu, so kommt man auf etwa 20 Pesos (1 Euro) weniger, als wenn man eine Tour gebucht hätte. Die ihre Teilnehmer zudem noch zu drei herrlichen Aussichtspunkten bringt, von denen aus man die Schlucht von oben betrachten hätte können.
Wie vor den Kopf gestoßen blickte ich auf Larissa‘s Fon, während sie mir die traumhaften Bilder zeigte. –- Wie geht denn sowas? Das verletzt alle guten Sitten und Bräuche des Tourismus. Touren sind immer um einiges teurer und bieten dafür weniger, das ist ein ehernes Grundgesetz!
Aber die Leute hier scheißen drauf, keine Ahnung wie die daran groß was verdienen oder welch teuflischen Verträge sie dafür abschließen mussten.
Die spinnen, die Mexikaner.
…Ich weiß nicht, wie Ihr dazu steht, aber für mich sind Speed-Boats ein vorzügliches Charakteristikum wie auch Symptom unserer modernen Gesellschaft: schnell, laut, oberflächlich, männlich. Würde man ein Speed-Boat in Testosteron umwandeln, so käme man bei einer Mischung aus Hulk Hogan und einem Zuchtbullen heraus, dem die Eier vor lauter Fortpflanzungsdrang auf die Größe zweier überreifer Mangos angeschwollen sind.
Bisher habe ich so einen Quatsch vermieden wie die Pest, widerlich ist sowas. Aber mei, man kann nicht wirklich drüber lästern, wenn man es nicht mal gemacht hat. Also bitte: „So ein Schmarrn, a so ein verreckter!“
Ich gebe auch gern mein Leben hin für vermeintliche und unangebrachte Authentizität: Lieber würde ich in einem gammelnden und von jahrhundertealten Korallen überwucherten Skelett eines Kutters dahintreiben und glücklich gurgelnd versinken als mich freiwillig in eines dieser röhrenden und quietschbunten Zivilisationsmonster zu begeben.
Naja, mal gewinnt man, mal verliert man. Schnell gewann ich meine Fassung wieder, nachdem ich fieberhaft einige Seiten im „Tao“ überflogen hatte.
Die Schlucht selbst war umwerfend schön, steil aufragende Steinriesen, nach unten hin dicht bewaldet, reckten sich stolz der Sonne entgegen.
Wie Gletscher schoben sich dunkelgrüne Waldstücke über anmutig geschwungene Gebirgssattel in Richtung des breiten Flusses, Pelikane und Reiher dösen auf den Wellen dahin. Wir sahen sogar ein Krokodil, wobei ich sagen muss, dass das mit Sicherheit das Vorzeige-Reptil war.
Der Steuermann hielt viel zu direkt auf den Felsen zu, wo das Tier in der Sonne fläzte, als das es Zufall hätte sein können: „Oh, schaut her, na sowas!“
Mich würde es nicht wundern, wenn sich hinter einem seiner Haxen eine scheue Eisenkette verborgen hätte. Jeder, nach San Cristóbal kommt, macht diese Tour (außer uns Vollpfosten), und jeder, wirklich jeder hat eins oder zwei von den Viechern gesehen. Und es war mit Sicherheit das Gleiche, ich fress’ meine versiffte Unterwäsche, wenn das nicht die Wahrheit ist.
Vielleicht ist es auch einfach nur aus Pappe. Bewegt hat es sich zumindest nicht.
Ich muss auch zugeben, dass die eher ruppige und windige Fahrt eine interessante Herausforderung für meine Kamerafertigkeiten darstellte.
An einer Stelle gab es ganz entzückende Felsformationen, die aussahen wie versteinerte Schwammerl, die sich an ihre Baumwirte klammerten. Das Ganze mariniert in Moos und hängendem Grünzeug, von dem feine Wasserperlen nach unten tropften und auf halbem Wege im Wind verflogen und verdampften.
So schön die uns umgebende Natur auch war, desto trauriger war ich, als ich der Unmengen an Müll gewahr wurde, die auf der Wasseroberfläche trieben. Ich nahm an, dass die unzähligen Passagiere der Schnellboote dafür verantwortlich sein mussten, die Tag für Tag durch den Spalt in der Welt gejagt wurden und fühlte mich schlecht, so etwas auch noch zu unterstützen.
Hätte ich aber an dieser vermaledeiten Tour teilgenommen, so hätte mir der Guide erzählt, dass in diesem Fall genau das Gegenteil der Fall war. Der Müll stammt von den ganzen Ortschaften flussaufwärts und sammelt sich nach und nach an, während die Betreiber der Bootstouren verzweifelt versuchen, hinterher aufzuräumen.
Man lernt nie aus, dass der Schein manches Mal trügt. Dieses hier würde ich zu den Paradebeispielen zählen, mit Welle und Kamm.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht