Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Täuschend echt…
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Hurtig ging die Reise weiter nach San Ignacio in den ratternden Kabinen der Blechdinosaurier, die mich sodann in der Ortsmitte windelweich ausspuckten. Ein paar Minuten später hing ich im Sofa von Bella’s Backpackers, Nataschas hiesigem Ableger.
Und bevor ich auch nur meine Gedanken ordnen konnte, war ich bereits hilflos im Konversationsnetz von Dean gefangen, einem euphorischen Kanadier, der gerade den alternativen Lifestyle für sich entdeckt hatte. So sprühend vor Lebensglut und liebevoller Hyperaktivität, das unmissverständliche Kennzeichen eines neuen Lebensabschnittes, eines neuen, großartigen Projektes.
Demgemäß warf er sich mit Feuereifer in Natascha’s neuestes Baby, die „Jungle Farm“, nur wenige Busminuten vom Ortskern entfernt, noch in einem eher rohen Zustand befindlich, jedoch ausgestattet mit einem Garten halb im Dschungel und unverkennbar magischem Potential.
Ob ich mir das nicht mal anschauen kann? Dean und Natascha wollten eh da raus fahren. Ja klar! Die beiden strahlten bis über beide Ohren, ich hatte zwei neue Freunde gefunden.
Es war wirklich ein kleines Paradies, zumindest auf der Skizze. „Klein“ trifft auch nur auf den überschaubaren Teil der Anlage zu, denn dazu gehört ein riesiges Grundstück, auf dem man alle möglichen Dinge, praktisch alles, anbauen, Volontäre wie Hänsel und Gretel dem Wald zum Fraß vorwerfen und lauter verrückte Ideen ausbrüten kann, die imstande sein mögen, sich in permakulturellen Hirnböden festzusetzen.
Eigentlich genau mein Ding, kurz war ich schon am Überlegen. Für einen kleinen Moment wollte ich Teil haben an ihrem großartigen Projekt mit seinem Obstgarten und fruchtbaren Beeten am Steilufer, welches einen regenbraunen Fluss weiter unten überblickte.
Jedoch… jedoch. Irgendwie schreckte ich vor den beiden zurück. Da versteckten sich Klingen, die mir ein Dorn im Auge waren, doch es ist schwer in Worte zu fassen. Eine seltsame Aura der Verwüstung, der Verheerung schien von ihnen auszugehen, die so gar nicht zu ihrem gutmütigen und liebenden Lachen passen wollte.
Aus irgend einem Grund machte ich von der ganzen Episode auch überhaupt keine Bilder, was mich noch viel mehr erschütterte.
Es stimmt schon, beide waren unglaublich nett, überaus kreativ und zumindest in Nataschas Fall schneidend intelligent. All diese Eigenschaften wurden zudem überdacht und eingesponnen von jener endemischen Entspanntheit, die Belize in seine ganz eigene Zeitzone versetzt.
Mei, das muss auch nicht heißen, dass die in irgendeiner Form Dreck am Stecken haben oder sonst was, es heißt vielleicht einfach nur, dass mein Weg sich von ihrem unterscheidet und und es gut so war, dass ich es bei dem Gastauftritt, dem leckeren Abendessen sowie einigen Rum-Cocktails beließ. Tihi! Belieze…
Ja, vor allem im nüchternen Licht des darauf folgenden Tages schreckte ich erneut vor dem Gedanken, auf der Jungle Farm mitzumachen, zurück, irgendetwas warnte mich davor.
Wer oder was schickt diese kryptischen Meldungen aus meinem verborgenen Inneren?
Vermutlich derselbe, der vor unsäglichen Zeiten so leichtfertig jenes schicksalhafte Abkommen traf. So leichtfertig…
…und doch felsenfest überzeugt von seinem Tun, wie es scheint. Tatsächlich gerechtfertigt und seinen hohen Wert beweisend in dem einen kristallklaren Moment unter dem Wasserfall, stellvertretend für alle Augenblicke der Vollkommenheit.
Kehren wir aber zurück zu San Ignacio, sonst habe ich das Gefühl, mich nur noch im spirituellen Naturwollwaschgang um meine eigene Achse zu drehen, Eco-Modus nicht vergessen. Irgendwann muss einem ja schlecht davon werden.
Dieses Kaff also war irgendwie funky. Nicht besonders pittoresk oder hübsch, eher unscheinbar und wie selbstverständlich hatte es sich in den westlichen Hügeln gemütlich gemacht, um selbstvergessen die Tage und Jahre dahinzudösen.
Doch man entdeckt so einige kleine Gemmen, wenn man sich ein wenig umschaut im Viertel. Es war zum Beispiel an einem angenehm warmen Sonntagabend, als ich in der süß duftenden Dunkelheit durch meine Hood spazierte, als plötzlich das wutschnaubende und heißere Geschrei eines Redners, den seine Leidenschaft gepackt und davongetragen hatte in ein Inferno aus rechtschaffener Rage, die späte Ruhe zerriss wie Moses das Rote Meer.
Ich weiß nicht, ob er politische Kampfesrufe ausspie, von einer Überdosis Heiligkeit besessene Predigten in die sündigen Schründe seiner schwarzen Schafe klopfte oder ganz allgemein einfach durch und durch wahnsinnig war. Wahrscheinlich alles auf einmal, fürchte ich.
Jedenfalls schüttelte er energisch seine schweißgefluteten Fäuste unter dem eingeschüchterten Gejohle seiner hoffentlich ansonsten mündigen Gefolgschaft. Das konnte ich selbst von meinem nuklearen Schutzbunker aus ohne Fernglas gut sehen.
Was für ein absonderliches Schauspiel, das wiederum so gar nicht zum Go Slow des schläfrigen karibischen Brückenkopfes passen wollte. Ich überlege, wieviel Koks jemand von hier schlucken müsste, bevor er sich aufführt wie Klaus Kinski in der Drehpause. Teh, da würden die Kartelle wohl ganz schön ins Schwitzen geraten, meine ich.
Ah Moment, der spricht doch Spanisch! Na, kein Wunder, denn kein waschechter Kreole hätte sich linguistisch auch nur annähernd auf diese lächerliche Geschwindigkeit hochpegeln können. Das wäre grad so, als ob man einem Faultier irischen Stepptanz beibringen wollte.
Ganz schön crazy. Aber es gibt auch ganz bodenständige und traditionell touristische Attraktionen um San Ignacio herum, so zum Beispiel weitere frischluftige Hügelwanderungen inklusive Pools und Wasserfällen. Nun, davon war ich bereits gütlich gesättigt.
Und dann hätten wir da noch die ATM-Cave…
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht