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Anarchie

Grade, als mich mein überteuertes Taxi an seinem Glückstag an der Blockade absetzte, kam mir eine erleichterte und entnervte Menschenmenge entgegen, unter ihnen auch einige gezeichnete Touristen. Anscheinend ist der zivile Ungehorsam auf Bitteln und Betteln eines Regierungsbeamten gegen Mittag kurz gelüftet worden, um jene Hanseln durchzulassen; die Armen mussten bis zu sechs Stunden auf ihre Erlösung warten.

Doch bis ich an den wartenden LKWs und Automobilen vorbeischusterte und das kleine Eiland aus grob geflochtener Anarchie erreichte, waren die Schleusen bereits wieder fest verriegelt, ein stetig anwachsender Zustrom gerann in der Hitze des Tages zu einem Thrombus aus schwitzendem Fleisch, der die kleine Nebenarterie menschlichen Treibens sicher verschloss.

Selten, zugegeben

Wann denn mit der nächsten Öffnung zu rechnen sei? – Ooh, so gegen sechs am Abend, vielleicht auch fünf; vielleicht auch gar nicht.
Wohlan, ich bin ja entspannt und reise langsam, aber gell, treibt es mir nicht zu bunt, Freunde!

Die Wanderung war schon auf den kommenden Tag festgesetzt, und wenn mich nicht spätestens das letzte der lechzend wartenden Colectivos auf der anderen Seite der gesperrten Straße nach Flores brachte, dann müssten sie den Zorn und die Gewalt eines Mannes über sich bringen, der schamlos in einer seiner seltenen Leidenschaften gestört und behindert wird.

Brüten

Habt Ihr schon einmal probiert, ein Paar beim Liebesakt kurz vor dem Höhepunkt ihrer sakralen Ekstase auseinander zu bringen? Ich nicht und ich will es auch nie tun, denn ich kann mir kaum einen schrecklicheren Tod vorstellen.
Aber wie es die Vorsehung wollte, schien es auch der Glückstag jener entspannt tratschenden Insubordinatoren zu sein. Abgesehen von den Blechschlangen auf beiden Seiten der Straße sah es fast nach Dorfalltag aus.

Ja, es war tatsächlich ihr Glück, dass sich noch immer ein klein wenig Physiologie-Wissen in meinen Hirnwindungen verbarg. Denn was tun, wenn man ein verstopftes Gefäß weder reinigen noch freiräumen kann?
Nun, man legt einen Bypass.

Einladend

Nach kurzer Diskussion mit meinen europäischen Gefolgsleuten packten wir unsere staubigen Sachen und machten uns daran, dieses ulkige Szenario weiträumig zu umgehen. Rechts der Straße präsentierte sich undurchdringlicher Dschungel, doch zu unseren Linken erstreckten sich weite Felder und Wiesen, gesprenkelt mit ansehnlichen Palmengewächsen und einigem vertrockneten Dornengestrüpp.

Das Angebot eines hilfsbereiten Anwohners, uns für 150 Quetzales (grob 20 Euro) pro Nase sicher durch den schlangenverseuchten Busch zu führen, lehnten wir höflich ab und marschierten frohen Mutes los. Immer wieder trafen wir auf im ersten Moment bedrohliche Gestalten, die unseren Weg durch die Pampa Guatemalas kreuzten und wir schon befürchteten, dass sie uns höflich aufhalten und zurück zu unserem Ausgangspunkt geleiten wollten.

Tunichtgute

Doch am Ende handelte es sich meist um genervte Landsleute, die die gleiche Idee hatten wie wir, oder neugierige Zuschauer, die sich das einmalige Spektakel nicht entgehen lassen wollten. Ein paar gaben uns sogar Tipps, welchen Weg wir am besten einschlagen sollten.

Anderthalb Stunden und sechs vorsichtige Überquerungen von Stacheldrahtzäunen später konnten wir schließlich das rettende Ufer erkennen, auf dem sich ebenfalls verstummte Karosserieschlangen drängten. Wie schön selbst ein graues Stück Asphalt unter den passenden Umständen sein kann!

Kein Feuerwerk?

Freudig legten wir nochmals einen Zahn zu und schritten mit neuer Kraft selbstbewusst aus. Schon kam uns ein übereifriger Colectivo-Fahrer auf uns zu geschossen! Sein Herz schlug wild, selbst der Mann im Mond hätte es hören können. Über Stacheldrähte und Stock und Stein hopste er und wedelte ganz aufgeregt mit seinen sonnengebräunten Armen. …Der muss uns gerochen haben, das gibt’s nicht, dass der uns von so weit her gesehen hat.

Was für eine frohe Zusammenkunft auf beiden Seiten! So ähnlich mussten sich damals unsere vor Glück weinenden Familien beim Fall der Mauer gefühlt haben, welche sie solange von ihren Lieben auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs trennte. So nah und doch so fern.
Hurtig sprangen wir in den Minibus, der schon im Begriff war, davon zu eilen und ungeduldig mit den Bremsbelägen schepperte.

Bypass

Sekunden später waren wir auf dem Weg nach Flores – wir hatten es tatsächlich geschafft. Wenn ich so zurückdenke, dann war es eigentlich eine hübsche Wanderung und ein treffliches Aufwärmprogramm für die Strapazen der kommenden Tage. Die Landschaft war wunderschön, allein ein kleiner Pfad fehlte, der einem das Vorankommen erleichtert hätte.

Und so fallen die Puzzleteile unversehens und leise zusammen, dergestalt funktioniert unsere Welt. Ursache und Wirkung sind so komplex und verschachtelt, dass es einem wie unsinniger Zufall vorkommen mag, wenn man nicht genau hinschaut.
Von Murphy war weit und breit nicht mehr zu sehen. Wie immer hatte sich der alte Schlingel leise von dannen und auf zu neuem Schabernack gemacht.

Zu-Fall

Komplex

Besser spät

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