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Early Birds

Bis in die kleinste Faser verbunden und überreizt schälte ich mich in der frühen Nacht aus meinen sechs Klamottenzwiebeln und in zwei Schlafsäcke, denn hier oben wurde es gar empfindlich kalt. Doch unsere Mission war noch nicht zu Ende, um vier Uhr morgens klopften die Guides bereits wieder an unsere Zeltwände.

Mond

Ja, wir waren doch noch nicht einmal ganz oben! Und das kann ich Euch sagen, ohne Frühstück, kalt und unaufgewärmt nur mit Stirnlampe im Dunkeln einen steilen Geröllhang hinaufzustolpern, der nach jedem Schritt nachgibt, das treibt einem schon die Kohlensäure an die Schädelbasis.

Bis dahin empfand ich die Wanderung zwar als einigermaßen anstrengend, jedoch nicht als derart übertriebenes Extremsportabenteuer, wie es so mancher Reiseführer oder Blog eben darstellen mag. Aber dieses erste und letzte Stück in den klirrenden Morgenstunden brachte mich ganz schön an meine Grenzen, halleluja.

Stoisch und schlaftrunken stapften wir unserem zweiten Klimax entgegen, und wie so oft: wenn der Gipfel einmal in Sicht ist, setze ich ungeahnte Kräfte frei. Mein Körper hatte sich bis dahin immerhin weit genug hochgefahren, um meine plötzliche energetische Explosion einigermaßen zu tolerieren. Fast schon rannte ich die letzten Meter nach oben und fand mich urplötzlich am Rande einer Mondlandschaft wieder, die sich im fahlen Morgendunst schwach abzeichnete.

Kuss

Fuego kotzte unterdessen unverdrossen, doch mit jeder Minute, in der das Licht zunahm, wich der rötliche Feuerregen mehr und mehr wieder braungrauen Aschewolken, bis er im überwältigenden Glanz der Sonne scheinbar vollends erlosch.

Und unter mir breitete sich die Welt aus wie ein bleicher Teppich, durchzogen von Nebelschichten und Wolkenmeeren, der langsam von unserem aufgehenden Stern wachgeküsst wurde. Um uns herum ragten Vulkane steil und majestätisch in die Höhe, doch konnte es keiner mit unserem erhabenen Thron aufnehmen.

Wir blickten über alles hinweg, und selbst der lodernde Feuerball, der das Firmament schon bald in flüssiges Gold tauchte, hatte Mühe, sich vollends über unsere Köpfe zu erheben. Wenn man sowas mal miterlebt hat, dann muss man als Nächstes wahrscheinlich ins All, um das noch toppen zu können.

Lodern

Vielleicht, wenn ich in Rente gehe.
(Das Wort „Rente“ verstehe ich in diesem… nein, in jedem Kontext im übrigen als bunte Metapher, denn mittlerweile glauben wohl selbst die optimistischsten Ökonomen nicht mehr an dieses Märchen.)

Was…wo…ich…bin…ja?
Gute Güte, das ist einfach zu viel in zu kurzer Zeit. Und die Hybris und das End’ vom Lied in solchen Situationen zeigt sich meist in einer reflexiven Entladung kindischer Narretei. Nach oben hat uns das lose Geröll ganz schön zu schaffen gemacht, aber auf dem Rückweg zum Base Camp sah die Chose jedoch ganz anders aus.

Spielplatz

Hüpfend, springend und wedelnd surfte ich glucksend und schallernd den Berg hinunter und konnte gar nicht verstehen, warum die anderen mit soviel übertriebener Vorsicht einen Fuß nach dem anderen setzten.
Hha! Sollten Sie doch, die ängstlichen Narren, ich hatte den Spaß meines Lebens und erinnerte mich lachend an eine ähnliche Episode auf einer Sanddüne in der Wüste Gobi, am anderen Ende der Welt.

Satt und vollgepumpt mit Glückshormonen bis an den Rand langte ich wieder am Lagerfeuer an, der Kaffee stand schon dampfend bereit. Ich rollte mir eine Zigarette und fand es einfach geil, am Leben zu sein. Hier, auf einem der höchsten Vulkane Zentralamerikas.
Loift. Fehlen nur noch die Nordlichter.

Flüssiges Gold

Und an dieser Stelle einmal Herzlichen Dank an Guilmer’s Recken, die uns safe und wohlbehalten hin und wieder zurückbrachten vom Schicksalsberg. Ein Reiseführer bezeichnet seine Handynummer als „the hottest line in Central America“, und das dürfte nicht einmal untertrieben sein.

Wenn Ihr also diese unvergessliche Tour unternehmen wollt, kann ich seine Tour Company, zumindest im Jahre des Herrn 2018, freimütig empfehlen, denn Guilmer leitet fürderhin keine von diesen aufgematschelten und auf Hochglanz dressierten Tour Agencies, sondern ein eher bescheidenes Unternehmen, das sich auch um die Menschen in der Region kümmert, denn ein Teil unseres Geldes ging in den Bau einer Schule sowie in ein Projekt zur Etablierung von fließend Wasser. Endlich.

Gespräche

Nach einer gemütlichen Pause machen wir uns dann endlich an den zweiten Teil des Abstiegs, diesmal mit erheblich leichterem Gepäck, denn das Essen und den Großteil unseres Wassers hatten wir bereits vertilgt.
Nach drei Stunden und einigen anregenden Gesprächen über die Fallen des Menschseins brachen wir in einer mächtigen Staubwolke wieder auf die Straße der gezähmten Welt.

Ähnlich erleichtert wie diese alten Fernfahrer-Haudegen in dem Klassiker „Convoy“ nach ihrer haarsträubenden Wüstendurchquerung, um die leidigen Bullen abzuhängen, wischten wir uns den Schweiß von der Stirn, als wir endlich wieder festen Teer unter ihren Achsen spürten.

Staub

(Der dilettantische Trottel, der den Link gepostet hat, hat doch tatsächlich den zweiten, wichtigsten und besten Teil der Szene einfach rausgeschnitten! Was für eine liederliche, abgrundtief scheußliche Häresie! –- Das ergibt doch keinen Sinn!… Ich meine, so gar nicht. – Wieso macht man denn sowas??)

Und dann ab in den Bus und unter eine leidlich wunderbare, weil kalte Dusche im El Hostal: den Rest des Tages wollte ich nichts mehr von der Welt wissen.
„Sam, hast Du den Ring am Ende eigentlich ins Feuer…?“
„…Ich dachte, Du wolltest das machen, Herr Frodo.“
„Oh.“

Welt vergessen

Abschiedsgruß

Im Himmel

Erhaben

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