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Kurze Pause

Ist mir grade so durch‘s Hirn geschossen:

Zurücklehnen ist für Einheimische. – Ja, und vielleicht stimmt das sogar. Vielleicht brauchen „Einheimische“ sich nicht mitzuteilen. Weil sie zufrieden sind. Naja, zufrieden genug.

Ich nicht. Ich bin ein Spürhund, ein seeker, eine Schnüffelnase, ein instinktiver Detektiv mit detektivistischem Instinkt, immer auf der Suche nach… mehr.
Mehr Leben, mehr Liebe, mehr Wahrheit, mehr Schönheit. Ich bin NICHT zufrieden.

Bin ich denn irgendwo ein Einheimischer?
Indien fühlt sich zuweilen komisch vertraut an. Erinnerungen an ein altes Leben? War ich der sadistische Kolonialbeamte mit einem Reispudding aus Kindheitstraumen unter meinem Tropenhelm oder der zermalmte Inder zu seinen Füßen, jeder Blutstropfen ein schlagender Beweis seines passiven Widerstands?
Auf der anderen Seite, wenn ich bedenke, wie lange es dauert, bis ich es schaffe, nicht mehr mit dem linken Zeigefinger in der Nase zu bohren…

Herbst im Westpark

München? Ich denke, ich bin dort zu Hause. Manchmal. Mal öfter. Immer seltener. Mit jedem Bier, das ich weniger trink, mit jedem Abend, den ich gemütlich zu Hause verbringe, mit jeder Freundschaft, die im Widerschein unserer Zeit zerrinnt, scheint diese schöne Stadt weniger mit mir gemein zu haben.

Dettingen? Die raue Alb? Gewiss sind dort meine Familie und meine Wurzeln. Was immer das heißt. Doch lebe ich dort seit 16 Jahren nicht mehr. Selbst ein kleines, oft vom Nebel verschlucktes Dörfchen ändert sich gemächlich, wie ein vorsichtig bratendes Spanferkel.

Ich ändere mich. Oder? Schwer zu sagen, wenn man sich selbst ist. Dabei würde ich gern außer mir sein. Mehr sein. Doch auch mehr von mir.
Das ist es! Ich suche MEHR von MIR. Fragt man sich, gut, warum schaust denn dann auf der ganzen Welt umeinander und nicht dort, wo‘sd am wahrscheinlichsten bist: innen drin?

Berechtigter Einwand. Völlig widersinnig eigentlich, woanders zu kramen.
Das Ding ist nur – wenn man anfängt, zu schauen, zu reisen, dann weiß man ja zunächst gar nicht, wonach man sucht. Man fühlt nur einen inneren Drang, eine schemenhafte Anziehungskraft, eine prickelnde Neugier, welche sich stets einstellt, wenn einem etwas Bedeutendes im Leben begegnet.

Das kann manchmal nur ein Wort sein, das sich verheißungsvoll anhört; wie zum Beispiel Gin-Tonic. Die Namen vieler indischer Städte wecken dieses seltsame Gefühl in mir: Mumbai, Chennai, Bangalore, Pondicherry, seien es die alten oder neuen.

Sich selbst finden. Große Worte, allseits wiedergekäut und drauf geschissen.

Selbstbild

Drum hege ich den leisen Verdacht, dass, je mehr man sie in den Mund nimmt, desto weniger sind sie einem klar. Mir auf jeden Fall nicht. Weil, man verwechselt das Selbst ja so leicht mit dem Ego.
Vielleicht ist man sich überhaupt nicht bewusst, dass es da einen Unterschied gibt! Und wenn, dann handelt es sich meist um ein katastrophales Missverständnis.

Denn das Ego liebt es, Schubladen zu zimmern und Konzepte zu ejakulieren, auch und vor allem um sich selbst herum. Und schon sitzt man in der Falle. Oft hat man sich bereits hoffnungslos im klebrigen Netz der eigenen Vorstellungen und Hirngespinste verheddert, bevor man überhaupt weiß, was wirklich gespielt wird.

Da hat man grade die Pubertät zerschunden und zerlumpt überstanden, schon bricht unmittelbar der posttraumatische Stress des Schulabschlusses wie ein hohl grinsender Racheengel über einen herein. Und eh man sich‘s versieht, führt man einen aussichtslosen Grabenkrieg gegen sich selbst, weil was anderes hat unsere großartige Zivilisation nicht hervorbringen können.
Das haben Nationen und Imperien nie anders gemacht. Wie innen, so außen.

Charme

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