Das war für mich der wohl surrealste Beginn einer Reise bisher; dabei wollte ich doch nur eine rauchen.
Aber schön der Reihe nach.
Denn am Flughafen von Kairo wird man gleich gefragt, ob man etwas zu rauchen möchte, was ich sehr anständig fand. Im Vorbeigehen vor der Männertoilette raunte mir der junge Housekeeper ein sachtes „Smoke?“ zu.
Wenig später erkundigte sich ein anderer Flughafenangestellter nach dem Ziel einer Meditationspraxis, als er meine nagelneue Yoga-Matte erspähte, die ich unter meinen rechten Arm geklemmt hielt. Ob ihn mein „There is no goal, just keep going“, untermalt mit einem aufmunternden Lächeln, allerdings anspornte, bleibt abzuwarten.
Um vier Uhr* morgens verließ ich kurz, wie ich meinte, den Flughafen in Addis Abeba, um meinen Nikotinspiegel zurecht zu rücken, jedoch ließen mich die uniformierten Beamten nicht mehr hinein.
Mist, eigentlich wollte ich drinnen auf den ersten Minibus warten, der Richtung Innenstadt fuhr.
*Fakt eins: Theoretisch hat da der äthiopische Tag noch gar nicht begonnen, dieser beginnt hierzulande erst mit dem Aufgang der Sonne, was eine nicht zu missachtende innere Logik besitzt. Sprich, wenn es bei uns sechs Uhr morgens ist, herrscht in Äthiopien „Mitternacht“. Anders formuliert ist ihnen der Rest der Welt sechs Stunden voraus.
Doch damit fängt ihre eigentümliche und überaus verwirrende Zeitrechnung erst an. In Äthiopien gibt es nämlich insgesamt 13 statt 12 Monate: das erste Dutzend à 30 Tage und die wilde 13 bekommt den Rest, wieviel sind da noch übrig, fünf? So in etwa. Denn in diesem kuriosen Land wird noch nach dem alten Julianischen Kalender gerechnet, nicht mit Gregor.
Seid Ihr zufrieden mittlerweile? Nein? Chigarillo. Kein Problem, denn wir schreiben das Jahr 2012, was bedeutet, dass nach dem Maya-Kalender die Welt hier erst jetzt irgendwann untergeht. Dafür gibt es sicherlich auch einen guten Grund, aber irgendwann reicht’s dann auch….
Und jetzt versuch da mal, ein Busticket zu buchen.
Aber dafür war es wie gesagt noch viel zu früh.
Na gut, warte ich eben draußen. Arg kalt war mir nicht, war ich doch soeben erst dem Münchner Winterwunderland entkommen. Dafür war es naturgemäß stockdunkel. Gnädig wies ich einige Taxifahrer ab, die mir ihre Dienst anboten, denn was sollte ich um die Zeit mitten in einer fremden Stadt?
Ein junger Bursche allerdings ließ nicht so leicht locker. Als ich ihm beschied, dass ich lieber öffentlich fahre, wies er mir angestrengt nickend den Weg zu einem geparkten Minibus. „Ach so, kann ich etwa da drinnen warten, bis weitere Passagiere einsteigen?“
Ich war noch nicht recht angekommen und beging just den ersten Fehler.
Denn ich unterschätzte den monetären Eifer des Jungen: kaum saß ich drinnen, knallte er die Türen zu, ließ den Motor an und fuhr los. Natürlich. Der Bastard wollte mich nur in seine Karre locken.
Wenig später parkten wir auch schon im Altstadtkern und Traveller-Viertel Piassa, und da wurde es vergnüglich. Auf einmal wurden aus den 400 Birr (13 Euro) nämlich sage und schreibe 400 Dollar!
Ich lachte laut auf. „Na schön mein Junge, lass uns tanzen.“ Was damit endete, dass ich ihm den zunächst vereinbarten und durchaus regulären Taxipreis in die Hand drückte; immerhin bekam er zehn Kröten in Euro, damit er sie auf dem Schwarzmarkt gewinnbringend tauschen kann.
Dennoch raufte er sich lauthals lamentierend die Haare, aber wer tatsächlich eine so abgrundtiefe Dreistigkeit besitzt, dem gehört es wohl nicht anders und muss es eben auf die harte Tour lernen.
Sämtliche Hotels in der Straße waren logischerweise noch geschlossen, alles schlummerte friedlich.
Hervorragend. Genau das, was ich vermeiden wollte. So setzte ich mich ergeben auf meinen Rucksack und rauchte noch eine, um meinen Geist zu klären.
Ein typischer Anfängerfehler wohlweislich, aber das passiert schon mal, wenn man zwanzig Stunden nicht geschlafen hat.
Was soll’s, ich packte meinen Kram und begann, die Nachbarschaft zu erkunden in der Schwärze der Nacht.
Auf einmal sah ich Licht an einer großen Kreuzung!
Zwar war es nicht die Pforte in kristallne Himmelssphären, vielmehr handelte es sich um die Frontbeleuchtung des noblen Eliana-Hotels, fast genauso gut.
Nachdem der Portier die arme Rezeptionistin um halb sechs Uhr morgens aus ihrem verdienten Schlaf riss, erkundigte ich mich zunächst scheinheilig nach einem Zimmer. 70 Dollar die Nacht, ausgezeichnet, sehr fein. Mmm, ob ich mir das wohl bei einer Tasse Kaffee überlegen könne?
Ja freilich, nur dazu müsse ich mich noch gut eine Stunde gedulden. – „Ist das wahr?“ Jetzt hatte ich sie endlich da, wo ich sie haben wollte: Mmmm. Ob ich vielleicht solange in der Lobby warten könne? – „Aber selbstverständlich!“
HA! Bingo. Ich war weg von der Straße und durfte ganz offiziell in einem herrlich gemütlichen Sessel meine erste ähiopische Morgendämmerung abwarten und gelobte, mich fürderhin in mehr Ehrlichkeit zu üben.
Der Kaffee schmeckte ganz vorzüglich, nur war er leider viel zu klein, aber das scheint hier chronisch zu sein. Natürlich verdrängte ich diesen abscheulichen Gedanken umgehend in die labyrinthenen Stollen meines Stammhirns und bedankte mich überschwänglich.
„Was er denn kostet?“ Mit einem ihr eigenen, umwerfenden Lächeln machte sie nur eine abwehrende Handbewegung. Der gehe auf Kosten des Hauses. Mit der aufgehenden Sonne gewann nun auch meine Menschlichkeit die Überhand. Ich zeigte Reue und gestand ihr in fast vollendeter Aufrichtigkeit, dass ich mir ja aber gar nicht sicher sei, ob ich schlussendlich im Eliana übernachten wolle.
In Wirklichkeit hatte ich schon längst eine Verabredung mit meinem Couchsurfer, aber das darf sie niemals wissen! Doch selbst diese halbgare Offenheit brachte sie nicht von ihrem Großmut ab, stattdessen bekam ich sogar noch das wifi-Passwort.
Nicht schlecht. Innerhalb von zwei Stunden erlebte ich die volle Bandbreite äthiopischer Gastfreundschaft. Was bleibt da noch zu tun?
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht