Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Die Realität ist…
———————————————–
Das Schönste an dem ganzen erbärmlichen Geschubse allerdings waren meine kurzweiligen Unterhaltungen mit Astrid und… Hmhmhm, also insgesamt zwei französischen Mädels, die für ihre Botschaft im Sudan arbeiten – angeblich ein sehr sicheres Land mit überaus gastfreundlichen Menschen, ist das zu fassen.
Vor allem aber mochte ich Annie, eine betagte Schottin, die in ihrer Wahlheimat der Vereinigten Staaten lebt, sich das jedoch seit Donald Truck wieder verstärkt durch den Kopf gehen lässt.
Ich pries ihre bildschönen Pferde, und wir philosophierten über Forschungsschiffe in der Antarktis sowie mögliche Jobs als Handlanger (Ja, irgendwie muss ich ja dahin!). Wir sprachen über Bücher, Geschichten und über die sonderbaren Eigenschaften der menschlichen Sprache an sich. Sie arbeitete ebenfalls lange Jahre als Tour Guide, demnach verfügten wir über eine solide gemeinsame Basis.
Wahrscheinlich hatte es sich Tags zuvor deswegen so gut angefühlt, die Tour zu buchen.
Ja, ich denke, das wird es gewesen sein, denn mit Astrid und Hmhmhm schlenderte ich danach noch ein wenig an der beschaulichen Uferpromenade des Sees entlang und verzehrte einen fürchterlich überteuerten, „gegrillten“ Fisch in einem gähnend leer gefegten Nobelrestaurant mit Blick auf Lake Tana.
Eigentlich wollten wir zum Fischmarkt und da essen, aber yelem, den gab’s grad nicht.
Der Staff dort schien sich über Low Season zu langweilen, die aufgrund von vorangegangenen Unruhen, ich meine im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl, irgend so ein Schmarrn wird es schon gewesen sein, etwas verfrüht angebrochen war.
Comme ci, comme ca, jedenfalls verzehrten wir für geschlagene FÜNF Euro einen zwar leckeren Fisch, aber wenn der gegrillt gewesen sein soll, dann will ich meine dezent knusprige Sonnenbräune als kohlrabenschwarz bezeichnen dürfen.
Der war höchstens leicht angedünstet, das sag’ ich Euch.
Das bisschen kalter und bemitleidenswerter Reis daneben war genauso vernachlässigbar wie der lieblos hingerotzte Klumpen mit phlegmatischem Gemüse, dessen Vitamine und Nährstoffe sich bereits verabschiedet hatten, bevor es sie laut Diätbüchern überhaupt gab – da sie schon wussten, was ihnen blühte.
Eine blühende Frechheit und die erneute Bestätigung meiner Hypothese, dass es sich einfach nicht lohnt, für adrett grinsende Bedienungen in glänzenden Kostümchen zwei- bis dreimal soviel zu zahlen als anderswo.
Der Fischgulasch in einem einfachen Straßenrestaurant am andern Tag war ein Gedicht und kostete gerade einmal einen Zwickel. qed.
Danach verabschiedete ich mich von den Girls, nicht jedoch bevor ich mich mit ihnen auf einen Ausflug nach „Tis Abay“, zu den Wasserfällen des Blauen Nils verabredet hatte. Ich war nämlich am Hadern, ob ich da alleine überhaupt hin sollte, weil potentiell teuer und zudem eventuell nur ein Rinnsal wegen der Trockenzeit.
Aus jenem Blickwinkel also wenig sexy, aber geteiltes Leid ist halbe Freud.
Somit sah ich es in der Tat als Schicksal an, dass ich an dieser gscherten Tour teilgenommen hatte.
Am Abend besuchte ich noch Annie in ihrer Bleibe, um Adressen und Nummern auszutauschen. Ich war auch neugierig, denn sie meinte, sie wohne in einem „Backpackers“, das von einem Äthiopier geführt wurde, der selbst angeblich viel mit dem Rucksack unterwegs war und demgemäß vielleicht sogar ein wenig Ahnung hatte.
Dorms gab es jetzt zwar keine, aber die großzügigen und fast schon zu makellosen und nüchternen Zimmer gruppierten sich um einen gemütlichen Innenhof mit Bäumen und Blumen.
Definitiv ein Ort mit Potential, allerdings doppelt so teuer wie meine Klitsche, die nur marginal weniger sauber war als das „Manuhie“. Aus diesem Grunde verspürte ich trotz der schöneren Atmosphäre und Lage in einer ruhigen Wohngegend kaum Motivation, dorthin umzuziehen.
Zudem war ich im Verlauf unserer interessanten Gespräche recht schnell von seinem Besitzer genervt, der mir allzu selbstherrlich, besserwisserisch und dazu noch eklatant desillusioniert und frustriert vorkam. Ein Zyniker vor dem Herrn, der derart faulige Vibes versprühte, dass sogar Eckart Tolle das Kotzen kriegen müsste.
Er sei ja ein offener Mensch, aber wie fast alle Einheimischen hatte er unverrückbar etwas gegen Schwule und trug standardmäßig einen abfälligen Gesichtsausdruck zur Schau.
Den Frust und die Enttäuschung kann ich wiederum gut verstehen in einem von Korruption und Armut gebeutelten Land mit Jobaussichten wie auf dem Mars.
Lediglich ein paar verklärte Studenten schienen noch Hoffnung zu haben.
Nicht jedoch, dass sie nach ihrem Studium eine anständige Arbeit fänden, sondern dahingehend, sich so schnell wie möglich aus dem Land zu verpissen und gen Amerika oder Europa abzuhauen.
Trotzdem war mir seine Art recht schnell über und ich selbst darüber hinaus todmüde, da mir die Busfahrt noch immer in den Knochen steckte. Also begab ich mich zurück in meine Absteige mit all den Huren, Henkern und üblen Gesellen, die seiner Ansicht nach in meiner Gegend ihr Unwesen trieben. Naja.
————————-
Bitte umblättern: Minnesänger & Marktschreier…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht