Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Wut entbrannt…
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Endlich, endlich war es soweit! Um sechs Uhr morgens setzte sich mein 1st-Class-Bus gautschend in Bewegung, und ich kehrte Lalibela für immer den Rücken.
Und tschüss!
Meine Nebensitzerin roch nach Hühnerstall und erinnerte mich an meine Kindheit auf dem Bauernhof. Die andere im Gang schien sich in einer Blumenwiese gewälzt zu haben und trug das Aroma eines ganzen Botanischen Gartens am Körper. Oder einer Douglas-Filiale.
Die Fahrt verlief wieder einmal durch die bildhübschen amharischen Berge bis nach Woldia, meinem ersten Etappenziel und mit etwas Glück nur eine Durchgangsstation zum Pferde(stärken)wechsel, auf dem langen Weg nach Axum.
Leider existieren von diesem Abschnitt kaum Bilder, da ich mich strategisch ungünstig und fern von jedem Fenster zwischen äthiopischen Gliedmaßen eingekeilt sah.
Ich wunderte mich ja am Ende der Fahrt, dass bei dem Versuch, sie wieder zu entwirren, sie sich nicht in einem keltischen Knoten verhedderten.
Was werden das gewesen sein, vierzig Sitze? Da waren bestimmt siebzig, achtzig so arme Seelen eingepfercht, und nur eine davon in – strahlend braun gebranntem – Weiß.
Eine angemessen authentische Reiseerfahrung also, hervorragend.
Gegen Elf etwa erreichten wir Woldia, wobei ich schon dachte, ich verleb’s nicht mehr. Denn das war das Verrückte: Als wir für das letzte Wegstück der Strecke auf den smoothen und die Knochen lindernden Asphalt der Hauptstraße abbogen, wurde der Bus immer langsamer! Sonst wären wir noch früher dagewesen.
Was war denn mit dem los? Lehnt da völlig entspannt wie ein pfeifender Kiwi auf seinem Lenkrad und zuckelt praktisch in Schrittgeschwindigkeit über den Pfirsichhintern des Teers unter ihm. Davor ist er zwar nicht eben gepest, aber er hat durchaus dafür gesorgt, dass die Kiste ordentlich am Rollen bleibt.
Aber dann wurde der immer phlegmatischer! Wer weiß, vielleicht fehlte ihm der Grip, das kann schon sein. Lieber hält er mal an und lässt sich ein Glas Wasser bringen oder ratscht mit einem entgegenkommenden Kollegen. „Griaß Di, was macht Dein Ischias?“
Da wurde ich immer ungeduldiger und fahriger, denn mittlerweile hatte sich schon frech der Gedanke in meinem Kopf festgesetzt, dass ich es vielleicht doch an einem Tag bis nach Mekelle schaffen könnte. Doch jetzt sah ich meinen schmackhaft sich entfaltenden Plan jäh von diesem Trödelhuber gefährdet!
Lalibela lässt einen eben nur widerstrebend aus ihren scharfen und blitzenden Klauen.
Dass er beim Abbiegen in den Busbahnhof nicht vollends einschlief, war grad alles.
Und dann ging es los, das lustige Ringelreihen: „MekelleMekelle!!!“ Wer, ja wer darf den geldscheißenden ferenji wohl zuerst mitnehmen? Sag schnell!
Einer, der mir ungefähr so sympathisch war wie ein Ringgeist, wollte sich gleich meinen Rucksack schnappen. – „Nix da, hiergeblieben, Du Schlawiner! Zuerst einmal, was soll die Fahrt denn kosten? 300 Birr?! Jajaja. Von wegen.“ Auf zweihundert ließ ich mich dann ein, weil so langsam langweilte mich der Terz.
Aber irgendwann im Verlauf der Preisverhandlungen mit anderen Burschen schnappte sich der arglistige Bengel schon wieder mein Gepäck und ab durch die Mitte, ohne zu fragen. Wahrscheinlich hatte ich einen schwachen Moment oder war kurz unaufmerksam oder ich weiß nicht.
Es stimmt schon, mein Hirn war bereits etwas matschig gemörsert von dem ganzen Schotter. – Na schön, Freund, von mir aus. Werden wir ja sehen, wer von uns beiden am Ende die Fresse zieht: 100 Birr wollte er nämlich für seine ungebetenen Dienste haben, und Nullkommanichts hat er bekommen für seine Frechheit.
Siehste Mal. Hatte ich doch recht: er zog die Fresse. Aber er wollte ja nicht hören.
Immerhin, es war geschafft. Ich saß drinne in der „Makina“ und bewegte mich unaufhaltsam und immer weiter von Lalibela weg.
Der Bann war gebrochen! Und je mehr Entfernung ich zwischen mich und mein ganz persönliches Höllennest legte, desto leichter wurde es mir ums Herz. Kein Scheiß.
Ich war circa der zwanzigste Passagier in dem Neunsitzer, also grade noch so im leicht verzogenen Rahmen, aber ich hockte gar nicht so unbequem auf meinem gelben Wasserkanister mit Sitzkissen. Der Leiberwald lichtete sich jedoch bald, und ich robbte mich langsam, aber unerbittlich auf den Logenplatz in der „Cabina“ vor wie ein Soldat unter Artilleriebeschuss.
Je weiter wir nach Osten und vor allem nach Norden vordrangen, desto steiniger und rauer wurde die Landschaft. Nicht ganz so karg vielleicht wie auf der Fahrt nach Harar, aber auch da übernahmen Kakteen und brüchiges Dornengestrüpp nach und nach die Herrschaft. Kamele reckten ihre Hälse und fraßen Blätter von den Bäumen am Wegesrand.
Jetzt war aber Kontrastprogramm angesagt. Weil, dieser meschiggene Pilot drückte auf die Tube, als wäre die Wilde Horde hinter ihm her! Dabei konnte er auch nicht gleichmäßig Gas geben, sondern nur in ruckartigen Schüben, die mir meine Organe angenehm durchmassierten. Womöglich hatte er es mit den Nerven.
Er bemühte sich zwar, die Stolperschwellen so vorsichtig wie möglich zu nehmen, aber ich war hinterher trotzdem immer wieder aufs Neue erstaunt, dass die Decke des armen Vehikels nicht auch noch von Dellen übersät war.
Und das war’s auch schon. Kaum hatte ich den Satz zu Ende gedacht, war ich nach insgesamt elf knackigen Stunden sowie einem Kilo Bananen (Stimmt nicht ganz, eine hab’ ich abgegeben.) und vier großflächigen Energy Biscuits in meinem zweiten Knotenpunkt gelandet: Mekelle.
Für eine Nacht schlug ich dort meine Zelte auf in der nüchternen, aber tadellos funktionierenden „Atse Kaleb Pension“ für unschlagbare hundert Birr die Nacht. – Nächstes Mal nehme ich aber doch das teurere Zimmer mit eigenem Klo.
…Ja, das wird besser sein.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht