Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Verdurstetes Karma…
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Es war eine dufte Crew, die sich da nach und nach zusammenfand; die meisten alte gehaudegene Veteranen der Arbeiterkämpfe aus dem Ruhrgebiet, zwischen denen ich wie ein schillernder Pfau dahinstolzierte in meiner khakigelben kutta, der traditionsgemäßen Hemdentracht der indischen Männer.
Doch hatten wir uns dazu entschlossen, eine internationale Bergarbeiterkonferenz vorzubereiten, weshalb unser mitteleuropäisches Milchreis-Curry mit vereinzelten Delegierten aus so exotischen Ländern wie Tunixien, Morokoko, Ungrazia, Kombüsien oder Kalaschnachstan würzig verfeinert wurde.
Ich teilte mir mein Zimmer mit Arangoli, dem kalaschnachischen Vertreter. Er selbst war kein Bergmann, dafür bereits Vorsitzender des Jugendflügels seiner kommunistischen Partei, Fußballtrainer (dessen Lizenz er sich autodidaktisch durch Youtube-Videos und Filme erwarb), Gitarrist, Poet, angehender Filmemacher und ein Herz von einer Seele.
Arangoli liebt Bayern München und den Song „Wind Of Change“. (Als wir herausfanden, dass wir beide zu unterschiedlichen Zeiten mit diesem Lied im Ohr an der Mosqva entlang zum Gorky Park gefahren sind, war das goldbereifte Band der Liebe fest um uns geschlungen. Außerdem sind wir fast hintenüber gekippt vor Lachen.)
Arangoli war 21 und wurde am Ende der Konferenz in das höchste Gremium, die internationale Korodierungsgruppe, gewählt. Was für ein glühender Komet.
Zu Beginn konnte er kaum Englisch und sehnte sich schmachtend nach seinem Russisch-Übersetzer, der erst einige Tage später eintreffen sollte.
Als dieser dann endlich hier war, wollte Arangoli aber von Russisch nichts mehr hören und lauschte während der mannigfaltigen Meetings und Besprechungen lieber meinen Ausführungen als seinem etwas missmutig dreinschauenden Bolschoiski, der sich unversehens auf dem Abstellgleis der ungehörten Übersetzer wiederfand.
Doch so leicht gab der alte Kämpfer nicht auf und redete unverdrossen gemäß seiner ostdeutsch sozialistischen Vergangenheit stoisch und monoton auf unseren jungen Helden ein, der jedoch nur angewidert den Kopf abwandte.
Eines Nachts gar fuhr der hundemüde und von Resolutionen gequälte Arangoli lieber mit Andarion und mir zum Veranstaltungsort, damit wir uns einen Überblick über das nicht funktionierende Chaos der Übersetzeranlage verschaffen konnten, als im Hotel mit seinen osteuropäischen Nachbarn ein kyrillisches Pläuschchen zu halten:
„I DOON‘T want to talk to Rrussians! I CAN‘T take their mentality anymore, no!“
Was für ein schrulliges Kerlchen und bald der heimliche Star der Konferenz.
Durch meine nunmehr Zwei Jahre währende sprachliche Begleitung der Bergarbeiter hatte ich mir bis zu jenem Zeitpunkt ebenfalls einen getuschelten Namen unter den glückaufenden Kumpels gemacht, und so gaben wir beide ein sehr unterschiedliches (Er war vielleicht halb so groß wie ich und noch dürrer.), aber illustres und extravagantes Paar ab.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht