Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Entsetzliche Schönheit…
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In der Zwischenzeit hatten wir uns ganz gut auf den ausgetretenen Pfaden eingegrooved und strandeten in Kalaw, einer unscheinbar adretten Kleinstadt in den Bergen des südlichen Shan-Staates.
Gelegen auf 1.300 Metern über dem Meeresspiegel, war sie früher ein Luftkurort für englische Tropenflüchtlinge, ist sie heute das Sprungbrett für Wanderungen zum weltberühmten Inle-See mit seinen schwimmenden Klöstern und Gärten.
Da die mehrtägigen Hikes sowohl im Crowded Planet als auch in jedem anderen Reiseführer als Highlight angepriesen werden und mit 45 Dollar inklusive Seelenheil, ja sogar einer Bootfahrt über den See am letzten Tag lächerlich günstig waren, machten wir uns keine Illusionen und hielten uns getreu an unser Credo aus Bagan. Außerdem wollten wir uns schon sehr gern einmal die Beine vertreten.
Wir blieben nur eine Nacht, besuchten kurz den Markt und organisierten uns einen Guide gleich für den kommenden Tag. Den fanden wir auch recht zügig in einem kleinen, charmant bescheidenen Office neben einer Moschee im Ortskern und besiegelten den Deal.
Die einzige andere Tour Agency, die uns empfohlen wurde, wirkte wie ein durchgestylt protziger Pseudo-Outdoor-Laden, wo ich mir während der Einführung in die einzelnen Etappen der Wanderung vorkam wie in einer elitären Uni-Vorlesung. Da bekamen wir alle Panik und sind schnell wieder rausgerannt.
Mittlerweile stieg unser Grüppchen mit Jana, die ja seit Bagan auch am Start war, und Han aus Südkorea auf fünf Leute an. Ihn lernten wir auf der Fahrt nach Kalaw kennen, ein urlustiger Geselle, sehr intelligent und mit einem frechen Sinn für Humor. (Des glaabst goa ned bei de Asiaddn, ge?)
Nur sein Englisch erinnerte eher an ein Telegramm: „Kalaw? – Aah hikinnng – thrree day-thrree day! – Gooo – aaah-me too-me too! – togetherww?“
Aber sehr gern. Davor war er ebenfalls in Bagan gewesen – was durchaus Sinn macht, schließlich kam er mit dem gleichen Minibus wie wir: „Templlle – aah climb-climb! – frree see – aah one cigalette – Good!“ –- Genial.
In den kommenden drei Tagen brachten Tom als Initiator und in der Folge wir alle ihm die wichtigsten bayrischen Floskeln bei, wobei er ein natürliches Talent für Akzent und Betonung sowie ein beeindruckendes Vokabelgedächtnis bewies. Pfenningguat.
Noch ein paar Tage mehr und wir hätten ihn komplett bajuwarisiert. Bereits davor liebte er den FC Bayern München, aber der hätte auch Mitglied im Ku-Klux-Klan und gleichzeitig ein NSA-Spion sein können, wir hätten ihn trotzdem geliebt.
Und Hühnchen. Immer wenn Elias, unser Guide und selbsternannter Multi-Butler, eines seiner uberphänomenalen Curries oder Fried-Noodle-Gerichte aus dem einfachsten Herdfeuer zauberte, fragte Han stets und erwartungsvoll: „Chicken???“ Ja, er war wirklich wie ein wiedergefundener Bruder für uns.
Erscheint es überdies nicht allzu passend, da es sich bei ihm zudem um einen waschechten Korri-Aner handelte? Jaaa! Noch ein Grund mehr für Tom und mich, dorthin zu fahren. Schon lange wollten wir ja in einem Hostel in Seoul absteigen und dann ganz naiv und unschuldig nach Chhot Wataaa?? für unsere Dosenweißwürschd fragen, aber das ist ein Insider.
Nicht nur als Koch entpuppte sich auch Elias als eine wahre Perle: er war zu allen Zeiten sehr bemüht, stinkefreundlich, grundsympathisch und rührte sich besorgt um seine Schaferl. Darüber hinaus sprach er sehr gutes Englisch und erklärte uns alles genauestens und – fast schon zu – ausführlich.
Aber selbst wenn er ein kompletter Vollarsch gewesen wäre, hätte er nur mit seinen einzigartigen French Fries unter unseren Nasen wedeln müssen, und wir wären ihm auf Gedeih und Verderb verfallen.
Dazu nämlich schneidet er eigenhändig frische Kartoffeln in die klassische Pommesform, frittiert sie zunächst um die 25 Minuten in heißem Sesamöl, lässt sie danach abtropfen und- MOOOMENT!!! Spinnt Ihr, ich werd’ Euch doch nicht sein geheimes Rezept verraten! – Five Dollar!
Einmal, nach dem Dinner erzählte er uns zu Shan-Wein (wird ähnlich wie Most, nur aus Reismehl sowie einer bestimmten Grassorte -nicht die- hergestellt) und Jagertee Myanmar Style von seinem quasi unverwundbaren Heldenonkel, der schon, wenn Ihr den Geschichten von Elias glauben mögt, mit seinen bloßen Händen strenge Militärtypen und wilde Dschungelkannibalen zu Papaya-Muß verarbeitet hatte.
Ihn selbst habe der Onkel am gleichen Tag aus dem Gefängnis geholt und dazu einen vollbepackten Bus vor einem Raubüberfall mit anschließendem Mord zum Dessert bewahrt.
Tom meinte, dass der Typ dann wahrscheinlich auch Chuck Norris trainiert hat, und ich hatte keinerlei Bedenken, mir das bildlich vorzustellen. Was für eine wundervolle und herzerfrischende Gute-Nacht-Geschichte!
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht