Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Wie innen…
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Zumindest hatte ich den richtigen Riecher und mich rechtzeitig aus dem Staub gemacht in die Ruhe und Abgeschiedenheit der Berge um das winzige Pueblito La Garnacha, das aus nicht mehr als einer Straße und etwa zwanzig gedrungenen Hütten bestand, die sich auf dem schmalen Talsattel zusammenkauerten.
Die einzigen Unruhen hier bestanden in dem schrillen Gekreische der zwei Hausgänse, welches von einem indigniert grunzenden Schwein dementsprechend kommentiert wurde, sowie einem hyperaktiven kleinen Vögelchen, das früh morgens immer ganz aufgeregt mit seinem Schnabel an meine Fensterscheibe tackerte wie ein derangierter Specht, wenn er der Meinung war, es wäre jetzt immerhin an der Zeit für mich, aufzustehen.
Ich mache keine Scherze, der hat das ganz sicher geschnallt. Es gab nämlich einen bezaubernden Morgen, da war ich schon vor ihm wach und dabei, mich im Innern meiner Cabana auf Stelzen vorsichtig zu räkeln, als er wieder angesaust kam und anfing, wie wild auf die Scheibe einzuhacken.
Doch an jenem Tag, am einzigen von allen Tagen, die ich dort verbrachte, hörte er nach nur wenigen Sekunden auf mit seiner nervtötenden Percussion, als ob er registriert hätte, dass ich schon senkrecht war.
An all den anderen Tagen hörte das Mistvieh erst auf, nachdem ich malträtiert das Fenster aufgerissen hatte; rein wollte es allerdings nie. Es schien allzumal damit zufrieden, sobald ich ein Lebenszeichen von mir gab. Sehr interessant.
Vielleicht lag es auch an meiner sauberen und gefegten Ausstrahlung. Denn in jener Nacht, ich lag bereits früh wach und langweilte mich in der Dunkelheit meiner heimelig rustikalen Behausung, entschied ich mich nach langer Zeit wieder einmal dazu, ein wenig Energiearbeit zu leisten und meine Aura durch die feinstoffliche Waschanlage zu schieben.
Und ich kann Euch sagen, da wurde ordentlich gescheuert und gebohnert, das konnte ich deutlich spüren, keine Frage.
Es war zauberhaft, weil ich endlich wieder diese wundersame, göttliche Verbindung mit… Allem: der Welt, dem Universum, der ganzen verdammten Schöpfung spüren konnte.
Das ist klingt so esoterisch weichgekocht und ist so schwer zu erklären, wenn man nicht weiß, ob der Andere, in dem Falle Ihr, sowas in der Art schon einmal erlebt hat und damit irgendetwas anfangen kann.
Aber es ist ein unvergleichliches Gefühl, das alles, alles! andere locker in den Schatten stellt.
Es ist ein pures, glasklares… Wohlgefallen; keine Ekstase oder galoppierende Entrückung, lediglich eine zarte Zufriedenheit und Ausgeglichenheit, die tiefer reicht als jedes Gestein der Erde, eine vollkommene, unverrückbare und unzerstörbare Sicherheit und Geborgenheit, die mich einhüllte wie eine warme Wolldecke aus Diamant.
Es war, als ob mir eine Stimme zuflüsterte, ich solle mir keinen Stress machen, alles mit der Ruhe, es gibt für alles – die richtige Zeit. Gewiss, manche Themen, manch alter Brocken hat eine härtere und dickere Kruste, da muss man etwas länger und öfter kratzen und sanfte schrubben, das ist ganz normal und okay so. Ois… easy.
Absolut friedlich und wohlig lag ich also in meinem Bett, obwohl es noch mitten in der Nacht war. Obwohl ich auch danach noch recht unruhig schlief; ich wachte oft auf des Nachts, weil der Wind in jenen dunklen Stunden regelmäßig (pünktlich bis neun Uhr morgens) an Stärke zunahm und die Äste des Baumes, um den das Haus gebaut war, ordentlich und lautstark gegen das Dach schlugen. Ab und an bellte ein Hund, und die Hähne krähten noch vor fünf am Morgen.
Jedoch belastete mich all das nicht, denn ich hatte trotzdem das Gefühl, dass ich ausreichend Schlaf bekam und somit ausgeruht und frisch erholt in den nächsten Tag starten konnte.
Ja, es schien, als ob in jener Nacht das Blatt meines Gemüts sich vollends wendete und ein neues Gleichgewicht und Ruhe mich erfüllten.
Tags zuvor sah das jedoch noch ganz anders aus.
Die Tatsache, dass hier viele Menschen tatsächlich noch reiten, hatte mich dazu inspiriert, eine Reittour zu buchen. Ich freute mich wie ein Schnitzel darauf, denn ich saß schon lange nicht mehr auf einem dieser wundervollen Tiere.
Doch leider hatte mich an dem unglücklichen Tag mein Ego noch fest im Griff und ritt mich im wahrsten Sinne übel zu. Erst wollte der wundervolle und vermaledeite Gaul partout nicht so, wie ich wollte, und weil ich deswegen schon schlecht gelaunt und verwirrt war, war mein Spanisch zu dem Zeitpunkt noch schlechter als es eh schon ist.
Ich war vollkommen blockiert. Jedes Mal, wenn Reynaldo, mein stets gut gelaunter Host und Tour Guide, ein bisschen Small Talk machen wollte, kam nur grauenhaftes und verwaschenes Gestottere aus meinem Mund. Was die, also meine, Lage natürlich nicht besser machte.
Aber auch die Tour an sich machte keinen Spaß, denn wir trotteten nur ewig an der „Carreterra“ entlang, die ich schon im Bus hierher gefahren war, fast bis ganz zurück nach Estelí, nur um zu einem Wasserfall zu gelangen, der so: „Naja, ganz nett“ war.
Meine Freunde, es ging mir gar nicht gut da oben auf dem Viech.
Ich wollte so gerne galoppieren, aber das ging nicht. Ich hatte solche Schmerzen!
Ja, weil ich gemeint hab’, ich müsste gleich vier Stunden buchen, weil ich so geil drauf war! Himmelherrgott, ich kann immer noch kaum sitzen, ohne zu heulen. Die Steigbügel waren zu kurz, und man konnte sie nicht länger machen.
Ich hab’ ihn gefragt, ob ich irgendwas anders machen kann, aber er meinte nur, nee alles gut, tranquilo, entspann Dich.
JA WIE DENN, WENN MIR BEI JEDEM SCHRITT MEIN WURZELCHAKRA EXPLODIERT!!
Im Ernst, Leute, ich übertreibe nicht: zum ersten Mal in meinem Leben reibe ich mir meinen Arsch mit ayurvedischer Heilsalbe aus Indien ein.
Das war so eine Schnapsidee. Zum Glück nahm ich nicht noch mehr Stunden, überlegt hatt’ ich’s mir, weil es so scheißbillig war. Mannmannmann.
Die Wut war dann auch endgültig weg, stattdessen fühlte ich mich danach für einige Zeit ziemlich neben der Spur. Das war auch so ein ungemütlicher Tag, an dem der Wind etwas zu stark blies und sich leicht mal Schluckauf einstellt, wo alles hakte und potenziell daneben ging; ich stolperte bei jedem Schritt, wie es schien.
Ein guter Tag zum Meditieren – oder zumindest zum Nichtbewegen.
Alles verändert sich, alles ist in Bewegung, instabil, man muss gut aufpassen und scharf beobachten.
Ich hasse Veränderungen. Zumindest dann, wenn ich es mir gerade eben erst gemütlich gemacht habe.
Diese Unsicherheit… ist das vielleicht auch sowas wie eine Neugeburt? So energietechnisch gesehen?
Das Kronengeflecht meldet sich zu Wort…
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht