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Oder: Erklärungsversuche & Bewältigungsstrategien
Da war es mir ein tröstendes Pflaster, dass wir klammheimlich um das staatliche Eintrittsgeld von 20 Dollar herum kamen, da unser Bus unbeabsichtigt durch die Kontrollen schlüpfte. Wir kamen zwar an einigen Checkpoints vorbei, wurden aber stets anstandslos durchgewunken. Wahrscheinlich hat der Ticketmensch grad Mittag gemacht oder so.
Aaah, das geht runter wie Öl, wenn man dem bösen Umtrieb ganz entspannt den Stinkefinger zeigen kann und dafür noch nicht einmal was tun muss. Fight the machine, baby! Aber bitte mit Sahne.
In Bagan waren die Touristenslums eh noch relativ erträglich, weil sich die Reisenden auf drei Ortschaften in einem 40km² großen Gebiet verteilten, doch schienen auch dort die Weichen für Gomorrha Myanmar-Style schon längst gestellt.
Na, dann nichts wie rein ins schizophrene Vergnügen!
Demnach nächtigten wir nicht in der letzten Schabracke mit Ungeziefer-WG’s, sondern im moderat teuren „At Bagan“, einem schön angelegten und nagelneuen Hostel mit rustikalen Holzbetten in unserem recht beengten Dorm.
Das Bad hingegen war lustigerweise genauso groß wie das ganze Zimmer, da sie es zu Beginn behindertengerecht einrichten wollten. Leider stank es da drin ganz erbärmlich, weil sie zudem die Abflusskonstruktion verkackt hatten.
Der gemischt birmesisch, italienische Staff wirkte verplant und chaotisch und verbreitete keinen sehr angenehmen Vibe. Teilweise kümmerten sich drei Rezeptionisten um einen einzigen Gast, von denen jeder nur sehr bedingt eine Ahnung zu haben schien. Leider ergänzten sie sich weniger in ihrem Tun als dass ihre zweifelhaften Anstrengungen sich gegenseitig auffraßen und zusammenfielen wie eine perforierte Lunge.
Also alles in allem eher semi-empfehlenswert für die frechen 18 Dollar pro Nacht; vielleicht muss man ihnen einfach noch etwas Zeit geben.
Und was bleibt einem nach den obigen Überlegungen schon noch übrig?
Entweder man distanziert sich innerlich wie äußerlich so weit wie möglich von dem ganzen Affenzirkus, mietet sich bei pochender Hitze ein Fahrrad und quält sich selbstgeißlerisch durch die sengende Staubwüste – Ich stell mir das so vor wie bei Mel Gibson’s „Passion Of The Christ“, nur dass man in dem Fall die metaphorische Peitsche selbst in der Hand hält.
Teh. Ich bin doch nicht bekloppt… Nicht mehr. – Nicht in dem Ausmaß.
Oder man atmet einmal tief durch und taucht sein ganzes Sein mit furchtbarer Wonne tief in den Pfuhl der vermeintlichen Todsünde. Selbstüberzeugung à la „Sonnenallee“: „Rin in die Orjanisation (der DDR; Anm. des Sammlers) und von innen uffmischen!“
Und da ich nicht sonderlich erpicht war auf eine Kombination aus Hitzschlag und Staublunge, entschied ich mich zusammen mit meinen Gefährten also für letztere Variante. Denn es sind die bereits erwähnten Rakhine-Gebirgszüge im Westen, welche die ohnehin schon kurzzeitigen Monsunregen an der Küste aufhalten und die Gegend um Bagan in die trockenste Region von ganz Myanmar verwandeln.
Romantisches Setting, jedoch muss man schon einen ordentlichen Knacks im eigenen Selbstbild haben, um dort Ausdauersport betreiben zu wollen.
Gut, und jetzt vergesst das alles, denn es ist alles gelogen. In Wahrheit waren es weit einfachere Motive, weshalb wir uns eine Pferdekutsche mit Guide mieteten:
Stell Dir vor, Du stehst in diesem Schlaraffenland für Eintags-Abenteurer und Flip Flop-Entdecker und Du musst zwischen Tausenden und Abertausenden Tempeln und Stupas, die wie die fremdartigen Bruchstücke eines interstellaren Meteors in die Landschaft geschleudert wurden, entscheiden, welche Du sehen willst, denn Du hast nur zwei Tage Zeit.
Allein der Gedanke an einen selbst organisierten Tagesausflug lässt Deinen stolz mit wehenden Bannern aufmarschierten Enthusiasmus wieder vergehen wie ein seufzender Hauch im lauen Wind der Savanne. Nur ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel in das tumorartig aufgeblähte Inhaltsverzeichnis des Reiseführers stranguliert Deine verzweifelt nach Gnade flehenden Energiespeicher und lässt Dich kaum mehr atmen.
Deine Gedanken sägen und flirren wie ein Zikadenorchester in der schwülen Abenddämmerung, der Magen scheint sich in einem panischen Schluckauf um sich selbst stülpen zu wollen, und Dein Herz stolpert und torkelt kurz vor dem Seitwärts-Koma einem Betrunkenen gleich, Dein armer Schädel pocht und wummert wie ein hyperventilierender Atommeiler…
Außerdem schauen diese nostalgischen Kutschen mit ihrem süßen Sonnendach und den übergroßen Wagenrädern doch so goldig und putzig aus. Überschäumende Rede, ertrunkener Sinn:
Für schlappe-rapappe 20 Dollar pro Naseweiß charterten wir uns zwei dieser Dinger und ließen uns zu den laut unserem Guide schönsten, tollsten, höchsten, ältesten, viereckigsten, ziegelsteinigsten und so weiter Pagoden fahren.
Selbst in dieser entspannten Variante wäre ein ganzer Tagesritt der alles zerschlagende Overkill gewesen, deshalb teilten wir die Chose auf zwei halbe Tage auf, einmal zum Sunset, und einmal zum gähnenden Sonnenaufgang. Wie schön.
Und so clever!
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht