Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Nicht schuldig!…
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Als ich so durch die baum- und kakteenbestandene Ödnis Zentralburmas hoppelte und die rot gebrannten, zum Teil verfallenen und überwucherten Ziegelbauten wie altvordere Spaliere an mir vorüber zogen, beschlich mich unweigerlich ein fremdartiges Gefühl, wie von der sanft drückenden Schwere der Zeiten.
Bis auf ein paar wenige, doch sehr faszinierende noch erhaltene Wandmalereien aus dem 11. – 13. Jahrhundert erschien das geheiligte Innere dieses frivolen Exzesses jedoch weit nüchterner, um nicht zu sagen kahl und melancholisch. Die versonnen dreinschauenden Buddhastatuen, eingelassen in die vier Innenseiten der Tempelwände, wirkten dabei wie verloren.
Die eigentliche Pracht und Schönheit Bagans entfaltet sich erst, wenn man einige der größen Tempelanlagen – möglichst vor den Humanviehtransportern on the rocks – besteigt…
…und sich auf einen paukenden Trompetenschlag hin die ganze Ehrfurcht gebietende und verschwenderische Vielfalt der Pagodenlandschaft bis zum dunstverschleierten Horizont unter einem ausbreitet wie ein mystischer Mandalateppich.
Meine letzten Zweifel wurden damit endgültig weggeblasen und das schlechte Gewissen verzog sich voller Scham in den dunkelsten Kerker meiner Seele, denn dieser Anblick war in der Tat atemberaubend!
Dann gab es da noch ein rausgeputztes Show Room-Museumsdorf mit einer recht interessanten Darbietung von traditionellen Gewerken wie der Weberei oder dem Herstellen von Öl. Wir durften gelbe „Thanaka“-Schminke auflegen und einen Zug von einer lustigen Pfeife-Schrägstrich-Zigarre probieren, wie sie alte ledergegerbte Postkarten-Mütterchen zu rauchen pflegen.
Da tut man irgendwelche Kräuter (nicht die) in eine Kokosnussschale und zieht daran mit einem phÄtten Glimmstengel. Die Feinheiten jenes Gebrachsystems der globalen Volksdroge war mir auch danach nicht so ganz klar, aber es hat Spaß gemacht.
Natürlich wollte die Alte danach Geld.
Wirklich hingerissen war ich jedoch von dem vorwitzigen Mädel, das uns wie selbstverständlich, souverän und siegessicher durch den Ort führte. Ohne Scheiß, mit ihren kaum zwölf Jahren war sie professioneller und konnte besser Englisch wie so mancher erwachsene Tour Guide, der mir bis dahin über die Leber gelaufen ist – egal, ob zu Hause in Deutschland oder in anderen Damen und Herren Ländern.
Aber wie bereits erwähnt darf man sich jenen Shit nicht zu lange geben, denn nach wenigen Stunden schalten die Sehnerven resigniert und heiß glühend auf Standby.
Der berüchtigte Tunnelblick stellt sich ein, und ein lähmendes Gefühl der Übertempelung droht sich im Wesen eines jeden vornehmen Touristen auszubreiten.
Wenn jedoch im blassgrauen Morgennebel die Legionen der Heißluftballons gemeinsam mit der noch schamvoll geröteten Sonne über dieser großartigen Kulisse aufsteigen, muss man innerlich kalt und tot sein, um in jenem erhabenen Moment nicht tief bewegt zu werden – auch wenn es noch so cheesy ist.
Denn die pralle Wucht des Eindrucks fegt alles andere hinweg und katapultiert Dich weit über den Regenbogen und jenseits allen Kitschs.
Freilich reagierte ich etwas indigniert, da die Ballons nicht genau im Zielwasser der nun stetig heller strahlenden Sonne dahin schwebten und ich mich somit stäändig um geschlagene neunzig Grad drehen musste! Oh, das gibt ein fettes Minus auf Tripadvisor.
Die ominösen Schatten der Jahrhunderte alten Bauwerke hoben sich ab von den in goldene Unwirklichkeit getauchten Ländereien, während meine Finger im Licht des Sonnenaufgangs langsam auftauten und sich das Klappern meiner Amalgamzähne im Gleißen des mächtigen Feuerballs verlor.
Die Sonnenuntergänge in Bagan waren im Vergleich dazu weit weniger spektakulär. Allerdings hatten wir uns für den letzten Abend eine Lieblingspagode auserkoren, die wir mit winzigen eBikes in zehn Minuten erreichen konnten.
Enge Treppenfluchten mit halsbrecherischen Absätzen führten vorbei an bröckligem Mauerwerk und antiken Verzierungen drei Stockwerke nach oben, während bleiche Buddhas in dunklen Nischen kauerten und ein Business Class Indy-Feeling verbreiteten.
Zwar fanden einige andere Leute die Pagode auch ziemlich cool, jedoch begnügten sich die meisten mit den unteren zwei Stockwerken.
Bekackte Amateure. Denn auf die dritte Plattform gelangte man nur über eine kurze Treppe im Freien.
Um aber auf die Sunset-Seite zu gelangen, musste man sich wie ein Schlangenmensch, quasi ägypterhaft um die Ecke und durch einen winzigen Durchgang zwängen, indem man genau bemessen ein Körperteil nach dem anderen abwinkelte und drehte.
Fragt mich nicht wie, aber irgendwie sind wir da durchgekommen.
Nur wenige andere waren außerdem imstande, dieses nicht geringe akrobatische Kunststück zu vollführen, aber ich sage es einmal so: Ihr braucht jetzt zum Beispiel keine Angst zu haben, dass Ihr dort auf Ottfried Fischer trefft.
Wohl aber fanden sich da oben standesgemäß fast durchweg Deutsche.
Die Stimmung war trotzdem wunderschön, als ich so mit dem Rücken an die warmen Ziegel gelehnt und vollkommen entspannt die Sonne hinter den fernen Hügeln untergehen sah jenseits des Flusses.
Ich hätte die Atmosphäre beinah als still und friedlich bezeichnet, wäre da nicht Toms ewiger Laberflash gewesen, bedingt durch den manifesten Endorphinanstieg beim Anblick jener visuellen Naturdroge.
Ach, aber wie konnt’ ich es ihm verübeln, wusste ich doch nur zu gut, dass sein Gefühlsausbruch, im Tarnmantel des Schwadronierens, aus der unendlichen Tiefe seines Herzens stammte. Er brauchte dieses Ventil, sonst wäre er vor Freude wohl geplatzt. Und das wäre schade gewesen.
Später kam ich denn auch noch in den Genuss einer wohltuenden Einsamkeit und Ruhe, nachdem alle anderen unseren Logenplatz verlassen hatten und ich mich allein fand unter einem von Sternen beschienenen Nachthimmel.
In einiger Entfernung vor mir das Funkeln eines beleuchteten Tempels, das einzige Geräusch um mich herum war leises Vogelzwitschern und das sanfte An- und Abschwellen meines Atems. Leider – geil.
So, jetzt aber nichts wie weg!
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht