Wehe, lange hat es gedauert. Was ich jetzt schreibe, mag vordergründig und zunächst einmal unheimlich und wider die Natur klingen, aber ich stelle mehr und mehr fest, dass es wahrhaftig Sinn macht, das Hirn auszuschalten, einfach mal den Hammer weglegen und mit dem Herzen, dem Bauchgefühl, der eigenen Intuition zu reisen.
Ja, um Himmels willen, warum denn das bloß?!
Wie gesagt, es hat lange gedauert, denn ich bin mir sehr bewusst, woher ich komme und zu welchem Völkchen ich gehöre.
Gemäß dem deutschen Effizienzprinzip also waren meine ersten Reisen minutiös und bis ins kleinste verschachtelte Detail durchgeplant, um das meiste aus der kürzesten Zeit heraus zu kratzen und den Erfahrungswert auszuquetschen wie eine zeternde Zahnpastatube auf Gewerkschaftsstreik.
Kann man so machen, und ich muss zugeben, es macht nicht wenig Spaß. Auch sah ich nicht, wie es anders besser sein könnte. Pah, diese verplanten Trottel, schau sie Dir an, keine Ahnung vom Leben.
Nun, das Blöde am Reisen ist, dass man immer wieder auf solche Trottel trifft und die gemeine Gefahr besteht, dass man unmerklich unter ihren Einfluss gerät. Vielleicht liegt es auch am Alter oder am Klimawandel, keine Ahnung.
Aber ich habe festgestellt, dass es um soviel schöner und wertvoller sein kann, wenn man sich treiben lässt im Flow auf der Straße und die Welle reitet und gleitet, solange es geht.
Es ist weniger anstrengend, wie ich finde. Und wisst Ihr was? Für die schönsten und bedeutendsten Ereignisse in meinem Leben musste ich keinen einzigen lahmen Finger krumm machen.
Das gesagt ist es wahrlich nicht so einfach wie es sich anhört. Es mag sein, dass man dabei einiges verpasst, so zum Beispiel den 38. Tempel, die beeindruckendste, größte und bedeutendste Ruine der Welt, einen zähneklirrenden Sonnenuntergang, und Gott weiß, ob ich je wieder hierher zurück komme?
Und macht Euch keine Illusionen. Euer Hirn wird sich zur Wehr setzen wie ein tollwütiger, hochgezüchteter Stier auf Steroiden, der sich in die Ecke gedrängt sieht:
„Ja, aber, das geht doch so nicht, das ist doch viel zu gefährlich, Gott, ist mir das peinlich, das sprengt – mir – MEINE KOMFORTZONE!!!“ Fauch!
Wenn man aber einmal damit angefangen hat, bekommt man mehr oder weniger schnell den Dreh raus und die immensen Vorteile zu spüren. Um ganz ehrlich zu sein, fange ich gerade erst an, das zu begreifen, denn meine Wurzeln sitzen tief und fest.
Doch langsam, unendlich zart und langsam, ändern sich Gewohnheiten und eingefahrene Verhaltensmuster, mit Geduld und Spucke.
Wenn es mir irgendwo gefällt, so bleibe ich, wenn es sein muss, mehrere Wochen, bis der leise Ruf erschallt und die Welt mich zieht, so leid es mir tut, Kerala, Mashhad, Oaxaca.
Andersrum: wenn mir irgendwo der Vibe nicht taugt, spring ich auf den nächsten Bus und bin schneller weg als der Roadrunner „Miep“ sagen kann. Dem Kojoten explodiert doch eh die Rakete unter’m Arsch.
Das sind noch recht einfache und nachvollziehbare Fälle. Es kann aber auch sein, dass es Dich an einen wunderschönen, traumgleichen Ort verschlägt mit abertollen Menschen, billigem Kaffee, saftigem Kuchen, Konzerte, Parties, Alter, ist hier was los, es ist rundum durch und durch perfekt.
Aber irgendwie hakt es trotzdem, irgendwie ist alles zuviel, irgendwie findest Du keinen Frieden. In Wirklichkeit möchtest Du allein sein, brauchst Deinen Tanzbereich, bist emotional vielleicht wund von den vergangenen Tortouren?
Wie leicht fällt es einem dann, seinem Instinkt zu vertrauen?
Wie gesagt, online vorbuchen ist einfacher. Und doch, auch wenn man jene spektakuläre Wanderung entlang eines majestätischen Gebirgszuges verpasst, und billig ist sie auch noch!
Und doch, ich bin absolut davon überzeugt und spüre es beim Pissen wie in meinen Knochen:
Wenn ich meinem Herzen folge, dann mache ich genau die Erfahrungen, die gut, richtig und wichtig für mich sind.
Alles andere ist wie Schokolade: unfassbar süß und lecker, aber am Ende doch nur sinnloser Ballast.
Und ich liebe Schokolade!
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht