Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Der neue Instant…
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Zehn Minuten später saß ich bei ihm zu Hause auf dem Perser mit adrettem Öfchen und ließ mich von seinen bildhübschen Töchtern Helena und Weißnichmehr beglubschäugen.
Leider sprachen weder er seine noch seine überaus intelligente Gattin Englisch, aber sie wusste meine verzweifelt ausladenden Faxen meist treffsicher zu deuten.
Es gab ein üppiges Abendessen – ey whoa, die ham’ hier Reiberdatschi! Heißt nur anders. Egal, es war wahnsinnig lecker und viel.
Dann war Vorzeigestunde, der sympathische Preis für mein dankenswertes Obdach. Immer mehr Freunde mit ihren Kleinen aus dem idyllischen Dorf kamen vorbeigeschlendert, ja so ein Zufall!, um sich den dürren Marsmenschen anzuschauen: „Almani! Almani!“
Die obligatorische Wasserpfeife wurde ausgepackt, Fotos und Handynummern ausgetauscht. Bilder aus München, Lüneburg, Dresden und Köln befinden sich nunmehr auf einem kleinen, iranischen Smartphone. Dergestalt verlebte ich einen vergnüglichen, doch aufgrund des auf dauerkonzentrierter Welle sendenden Farsi-Meltdowns durchaus anstrengenden Abend.
Nach einem üppigen Frühstück am nächsten Morgen packte ich mein Gedöns, bedankte mich artig und mannigfaltig – so es mir denn möglich war, wanderte beschwingt durch die vom Morgenlicht geküsste Schlucht und erklomm einen Berghang, in dessen Steilwand sich der Eingang zur Shapur-Höhle befand. Die letzten Meter hechelte und japste ich einige steil gemauerte Treppen nach oben; ich war definitiv nicht in Form.
Dort wurde ich auch gleich von einem eifrigen Guide begrüßt, der mich sofort weiterzerren wollte. Schnaufend bedeutete ich ihm, ich müsse mich erst einmal setzen. Er schaltete schnell und reichte mir eine Orange. Ah, Obst. Mmh lecker, danke.
Am Eingang prangte eine Statue von König Shapur, recht eindrucksvoll. Danach erkundete ich in seinem Schlepptau die gewundenen Gänge und bewunderte die schönen Stalagmititen. Sogar einen kleinen Teich gab es mit eisklarem Wasser. Gar nicht schlecht.
Geld wollte er keins, aber ich gab ihm doch ein bissl Trinkgeld, weil er so nett war, und versorgte seinen Wärterkollegen mit einer Mullbinde, weil er sich den Knöchel verstaucht hatte. Nicht dass sie einen nennenswerten Effekt gehabt hätte, aber der hat mich mit einem so kläglichen Hundeblick angeschaut.
Und wie hätte ich es ihm auch erklären sollen? Wie dem auch sei, er fühlte sich besser, und das ist ja bekanntlich die halbe Miete. Fair enough.
Eine Weile genoss ich noch den Ausblick über dieses versteckte Kleinod, bevor ich mich wieder an den zittrigen Abstieg machte. Die gegenüberliegende Felswand schmiegte sich einem weiten Halbkreis um das Tal und schien wie ein gigantischer Urwaldrachen mit Rückenflossen im Begriff erstarrt zu sein, in ein seit langem zu Stein gewordenes Meer abzutauchen.
Ich bahnte mir meinen Weg durch kleine Dörfer, vorbei an üppigen Orangenplantagen in Richtung Talausgang und passierte diverse Ziegenherden mit ihren Hirten, die gechillt auf schnaubenden Eseln einher ritten. Salaam.
Ich warf einen letzten sehnsüchtigen Blick zurück in die Schlucht und wandte mich um in die Gegenwart.
Zurück auf der Straße wollte ich mal mein Glück versuchen und nach Yasuj trampen, meinem nächsten Etappenziel. Das ist hier aber gar nicht so leicht.
Nicht weil man nicht mitgenommen würde, Gott bewahre, nach fünf Minuten hielt schon ein netter, sonnenbebrillter Zeitgenosse, der mir unbedingt! weiterhelfen wollte. Nur läuft das hier eben Iran-Style.
Erstmal zeigte er mir seinen Arbeitsplatz, er ist sowas wie ein Talentscout für junge Fußballcracks, auch hier der Nationalsport neben Volleyball und Ringen. Er hat mich auch gleich um Rat gebeten, wie er denn am besten mit dem FCB in Kontakt treten könnte.
Oh, das darf ich nicht vergessen, wenn ich wieder zurück bin! Nicht dass ich große Hoffnungen für seine ehrenvollen Ambitionen hege, seinen Schützlingen ein besseres Leben zu verschaffen, aber das gehört sich eben so.
Also falls Ihr jemanden kennt, bitte ich um Verlinkung.
Nun, ohne Mittagessen könne ich ja unmöglich nach Yasuj fahren, und selbstverständlich bezahle er dafür. Neinneinnein, bitte. „Sei ruhig, hock Dich hinter deinen Kebab und freu Dich“, wie Uli Keuler sagen würde.
Während des leckeren Mahls, bei dem mehrere neugierige Locals fasziniert beobachteten, wie ein Westler so isst, erklärte er mir das in diesem Land hoch in Ehren gehaltene Prinzip von „Mohabath“. Wenn ich das richtig verstanden habe. Gut denken, gut reden, gut handeln. Da habt Ihr’s. Wo ist nur mein verflixtes Taschenmesser!
„But arround Irran?! Aaaall terrorist!“ Same same.
Nein ehrlich, er schien mir ein sehr aufrichtiger Mensch mit nicht nur guten Manieren zu sein, sondern auch dem dazugehörigen Herzen.
Was noch? Ah ja, er stellte mich natürlich noch seinen Freunden vor. „Alman?? Kheyli khub!“ („Sehr gut!“) Sie mögen uns, das merkt man überdeutlich.
Das ist auch wirklich faszinierend. Wirklich JEDER, mit dem ich bisher so ins holprige Gespräch gekommen bin, hebt die deutsch-iranische Freundschaft hervor, ja dass wir ja quasi Brüder seien, da beide Völker vom Stamme der Arya seien, die irgendwann von Sibirien nach Indien, den Mittleren Osten bis nach Europa geschustert sind oder so. Jeder.
Unglücklicherweise öffnet ihnen das auch das Tor für unsere Nemesis, den bescheidenen Kunststudenten Adolf Hitlerr!, den sie ja gar nicht so verkehrt fanden. Einmal musste ich sogar nachdrücklich erklären, dass der Holocaust tatsächlich stattgefunden und nicht nur ein Propaganda-Instrument der bösen Amerikaner war.
Ich WAR in Dachau. Setzen, sechs.
So geschehen in Persepolis gegenüber Youssef und seinem Freund.
Wie schon gesagt, Youssef ist eine Seele von Mensch, und es liegt wohl kaum an einem irgendwie gearteten Judenhass, sondern es ging Ihnen wohl eher um den star spangled Satan.
Ich denke, Iran hatte wie so viele andere Länder auch Querelen mit den Juden, aber da sie wie auch Christen im Qur’an lobend erwähnt werden, kamen jene Religionen anscheinend eher glimpflich davon. Da hatten’s die Zoroastrier und Baha’i bedeutend schwerer.
Soooo, oke. Bliblablub, als er mich dann schlussendlich an der (falschen) Bushaltestelle absetzte, war es kurz vor sechs Uhr am Abend. Um eins hatte ich mich optimistisch und gewollt naiv an die Straße gestellt.
Glücklicherweise waren es nur anderthalb Stunden bis Yasuj, und nach ein bisschen Herumfragen saß ich denn auch glücklich, wenn auch geflasht in einem Savari = Sammeltaxi.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht