In diesem Beitrag sind nur vereinzelt Bilder vorhanden und es werden keine Namen genannt aus Respekt vor der Privatsphäre eines jeden Piraten und Zauberers, einer jeden Hexe und Priesterin, die am Camp teilnahmen. Bilder sind zwar einfacher und oft treffender als Worte, doch an dieser Stelle reichen selbst diese bei weitem nicht aus, das Erlebte auch nur annähernd zu beschreiben.
(Anm. des Sammlers)
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Lasst mich Euch eine Geschichte erzählen.
Eine Geschichte von uralten Großmüttern und inneren Kindern, von Priestern und Piraten, Tränen und Umarmungen, von Reiswaffeln und Schnupftabak, von der Erde und vom Kosmos – von Herzen.
Zum ersten Mal in meinem Leben also begab ich mich auf ein schamanisches Retreat irgendwo und ausgerechnet in Bayern, denn ich fühlte, dass die Zeit dafür gekommen war. Es war zudem genau die richtige Zeit, da ich dringend Erholung brauchte von den anstrengenden und arbeitsamen Monaten davor.
Energieausgleich ist da das Stichwort. Jetzt erhole ich mich wiederum von der Erholung.
Denn ich hatte ja keine Ahnung – wie so oft in meinem Leben. Das ist auch vollkommen normal, weil, wie soll man denn sonst etwas lernen?
Gespickt mit biologischem* Proviant, organischen Opfergaben aus hoffentlich reinem Bienenwachs und echten Intentionen sowie einer ordentlichen Portion Vorfreude und gespannten Energiekanälen, alles hübsch verpackt und verschnürt in meinem alternden Rucksack, er selbst ein weiser Druide, saß ich im Auto meiner Mitfahrgelegenheit, konnte es kaum erwarten.
*Wie sehr eine Welt aus den Fugen geraten ist, lässt sich leicht daran abmessen, wenn Lebensmittel extra als „biologisch“ gekennzeichnet werden müssen.
Andere dagegen blickten den kommenden Tagen mit gesundem Respekt, gelinder Nervosität und Besorgnis, ja vielleicht sogar ein wenig Angst entgegen.
All diese Gefühle waren angebracht und wahr, denn Konzepte wie Richtig und Falsch passten leider nicht mehr in den Kofferraum.
Wir parkten die Karre zwischen einigen mit Plastikplanen abgedeckten Haufen; womöglich versteckte sich auch da Biologie darunter.
Sie gehörten zum Hof eines weißhaarigen Bauern, der uns mit einem scheuen und gutmütigen Lächeln begrüßte und uns den Weg wies zum Waldrand über seine diskret mit Eau-de-campagne besprenkelte Wiese, wo andere Hippies schon emsig damit beschäftigt waren, das Camp herzurichten.
Vorsichtig stapften wir mit unseren Sandalen über das in der Nachmittagshitze trocknende Feld, den Blick scharf und misstrauisch auf den jüngst gedüngten Boden unter unseren leidlich geschützten Füßen gerichtet.
Unbeschadet jedoch erreichten wir das andere Ende dieser geballten Ladung schwitzender Natur.
Ein Mädchen saß meditierend im Schatten der angrenzenden Bäume, in deren Schatten das Zeltdach einer großen Jurte gespannt und mit Gebetsfahnen gesegnet war. In einen wachsenden Ring aus Paletten und Platten, die als unsere Rückenlehnen dienen sollten, kuschelte sich zu meinem plätschernden Entzücken eine stolze Feuerstelle in die Mitte eines üppigen Steinrings.
Daneben gab es einige Holzbänke sowie ein weiteres Loch im Boden, an dessen Rand eine Buddha-Statue aufgestellt wurde und wie ein grün bespantes Relikt aus einer vergangenen Zeit anmutete: der Altar für das Abschlussritual.
Mit Gebeten und Opfergaben habe ich zugegebenermaßen meine Probleme und Zweifel, aber was soll’s, die Großmutter wird schon wissen, was sie tut.
Im Eck der Küchenzeile türmte sich bereits unsere kernige, fleischlose und sich seiner selbst bewusste Verpflegung, auf das wir sie bald ebenso bewusst in unser Fleisch integrieren sollten.
Naja, vielleicht nicht alles. Dafür gab es weiter hinten mit dezenten Vorhängen versehene Donnerbalken, gespickt mit verrottendem Klopapier und vor Angst zitternden Blätterhaufen.
Ich drehte mich um und sah weit im Süden die grau majestätischen Hänge der Alpen in das flirrende Blau des Himmels steigen, das Weiß fehlte an jenem Tag. Wie bleiche Knochen lagen sie da, reckten ihre Gipfel zum Kosmos hin und warfen Schatten der Vorahnung auf das kochende Land.
Auf der anderen Seite des Halbrunds aus Wiese und Wald prangte bereits das Weidengeflecht der Schwitzhütte.
Zwei weitere Blumenkinder waren soeben damit beschäftigt, einen kleinen vorgelagerten Erdhaufen, der sich bei genauerem Hinsehen als liebevoll gestaltete Schildkröte herausstellte, mit den farbenfrohen Blüten ihrer Gedanken und Hingabe zu schmücken.
Ich sog scharf die Luft ein und nahm innerlich eine Habachtstellung ein: bei Esoterikern muss man ganz besonders vorsichtig sein.
Denn auch dort kann es ganz gewaltig menscheln unter dem friedvollen Panzer.
Doch das entwaffnende und leicht schelmische Grinsen des Schamanen, der uns durch die kommenden Tage und Zeitalter führen sollte, ließ mich meinen Auraschild wieder sinken und den Knopf des Holsters schließen, welches meine linke Gehirnhälfte umgarnte.
Und schon hagelte es Umarmungen und wässrige Grinseaugen: ich musste aufpassen, das ich zwischen dem Amboss meines Gepäcks und diesem hämmernden Ansturm aus fremder Liebe nicht hinweg schmolz.
Erstmal Nest bauen, safety first.
Ich ging ein paar Schritte in den Wald – wie herrlich es war, endlich wieder seinen harzigen und leicht modernden Geruch in der Nase zu haben und sie mit dem sanften Meisel der Nadelbäume und Moosteppiche von ihrer Patina aus städtischem Feinstaub zu befreien.
Ich fragte einen mächtigen Baumriesen nach seiner Erlaubnis und wählte mein Lager zwischen ihm und einer schräg aus dem Boden ragenden Wand aus Wurzeln und dunkler Erde.
Um mich herum kerzengerade Säulen aus Rinde und Holz sowie vielblättriges und teilweise mit fiesen Stacheln bewehrtes Schattengrün unter deren Schutz, das mit dem goldenen Licht eines unbarmherzigen Sommers gesprenkelt wurde, der weite Teile dieses Landes zeitweise in eine Wüste zu verwandeln drohte.
Ein guter Anfang und der Grundstein zu einer neuen Welt.
Und eh ich’s mich versah, war ich schon fleißig dabei, sie mit zu bauen. Wir beluden einen Wagen mit ausreichend Feuerholz für die kommenden Zeremonientage, eine einfache und doch freudvolle Tätigkeit, die mich zurückversetzte in die behütete Kindheit auf dem Hof und den Feldern meines Großvaters, der mir von den unsichtbaren Sternen her verschmitzt zuzwinkerte.
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Bitte umblättern: Des Geistes…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht