Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: „Clean Shoes?“…
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Daneben befand sich die Farm unserer Gastgeber. Wie mir Ismail später berichtete, wohnte früher dort gar niemand. Erst als ein deutsches Team die Gegend kartographierte, Hütten gebaut und mit einem Tusch der Freischuss für den wanderbesohlten Tourismus gegeben wurde, hatten sich willige Familien in Wahoro niedergelassen, um die Hiker zu bewirten.
Im Küchenverschlag prasselte bereits ein köstliches Lagerfeuer, dem ich mich freudig näherte. Kaffee? Kaffee! Schon wollte Ismail unserem wetterfesten Gastgeber die Bohnen in die Hand drücken, damit sie still und heimlich in dessen Behausung zubereitet wurden.
Neeneeneenee, Moooment! Von wegen, da will ich doch zusehen bei und mitmachen! Was bitteschön wäre denn die Alternative gewesen? Mir das herb duftende Aroma frisch und eigens gerösteter Bohnen entgehen lassen etwa? Nur über meine zerfallene Leiche!
Also schwärzten sich die Kaffeefrüchte brav über dem Küchenfeuer.
Das ging ganz schön flott, und im Nu erfüllte ein herrlicher Geruch den offenen Raum. Sodann schüttelte der betagte Herr sie ein wenig, um die ärgste karzinogene Spreu vom Rest zu trennen, während Ismail und ich wie zwei Lausbuben immer wieder einen dieser Gotteskerne vernaschten und krachend in unseren Schlemmermäulern zermalmten.
Dann nahm er ein antik aussehendes Gefäß aus eingelebtem Holz, tat die Bohnen dort hinein und fing an, sie mit einer etwas weniger antik aussehenden Eisenstange zu mörsern. – Seid nicht so zimperlich, Eisen ist gut für’s Blut.
Selbstverständlich probierte auch ich mich kurz daran, allerdings, ich muss gestehen, dass mir Kaffeemühlen mit einer Handkurbel tatsächlich lieber sind. Denn das mit der Eisenstange war am Ende so ähnlich wie der Toyota, nicht wahr.
So, das dunkelbraune Ambrosia hurtig rein in den Pott, ab auf’s Feuer und schon kurz darauf hielt ich meine erste Tasse taufrisch vom Alpha bis zum Omega zubereiteten Kaffee in Händen. Ein Genuss höchsten Grades, obwohl, ein bissl stärker hätt’ er schon sein können.
Hernach labten wir uns an einer klassischen Wandersmahlzeit, bestehend aus Spaghetti mit Tomatensauce und verfeinert mit einer wunderbar matschigen Avocado. Ha, sogar meine ominöse Outdoor-Gewürzdose kam endlich einmal zum Einsatz.
Kennt Ihr die Dinger? Das sind so winzige Fächer im Kreis angeordnet für vier verschiedene Gewürze, sogar Curry steht da drauf, gibt’s bei jedem Globetrotter.
Warum die das allerdings als Schlüsselanhänger verticken und wie ich überhaupt in den Besitz einer so seltsamen Gerätschaft gekommen bin, das wiederum muss ein Geheimnis bleiben. — Ich hatte sogar zwei von den Dingern, voll crazy.
Da wir vergessen hatten, Chili zu kaufen, kramte ich sogar das kleine Fläschchen mit dem mexikanischen Zaubertrank aus den Tiefen meines Rucksacks: „Marie Sharp’s Habanero Pepper Sauce“ zum konservierten Nachbrennen.
Ich glaube, es liegt am Teig.
Mithin muss ich mich bei den äthiopischen Köchen entschuldigen, aber es stimmt schon, denn was einem dort teilweise als Pasta vorgesetzt wird, da würde sich ein gestandener Italiener vor Schmerz und Trauer glatt in ein Reiskorn verwandeln.
Die Nudeln gehen im Kochwasser nahtlos über von mehlig zu matschig, al dente is’ da nich. Gott sei Dank war mir das nach einem Tag Gekraxel herzlich Latte. Um die Verdauung zu beflügeln, meditierte ich noch eine Weile draußen unter einem formidablen Sternenhimmel.
Nach einem herrlich erholsamen Schlaf sowie einer Schüssel semiherrlichen Haferbreis verabschiedeten Ismail und ich uns von dem netten, alten Herren. Mit frischem Pferd und neuem Mut erklommen wir den Hang hinter der Lodge. Obwohl wir nicht weit nach oben klettern mussten, wechselte die Szenerie abrupt und dramatisch.
Wir passierten die Baumgrenze und erreichten ein Plateau mit niedrigem Heidekraut, das ich zunächst für Wermut gehalten hatte.
Hmpf, soviel also zum Naturburschen.
In der bereits gleißenden Morgensonne schweifte mein Blick nun weit über das Land und bis hinunter in die gelb-braune Ebene um Dodolla. Zwischen die übermächtigen Erika mischten sich immer wieder weiß und strahlend blühende Büsche mit Strohblumen.
Wir stiegen hinab in eine flache Senke, dort oben war es mucksmäuschenstill, abgesehen von gelegentlichem Vogelgezwitscher und dem wütenden Geklänge der Straßenbaumaschine weiter vorn.
Nachdem wir diese durchquert hatten, passierte unser Trupp anschließend einen Sattel zwischen einigen niedlichen Berggipfeln, die ich im Stillen die „Drei Könige“ taufte. Noch ein kleines Stückerl weiter…
…und hinein ins Blumenwunderland!
Da blieb mir mit Verlaub die Spucke weg, weil meine sämtliche Körperflüssigkeit in die Produktion der Tränen umgeleitet werden musste, die mir bei jenem hinreißenden Anblick in die Augen traten.
Ein wogendes Meer aus weißen Immortellen begleitete mich hinunter ins Tal, während stolze Lobelien kakteengleich Spalier standen. Dazwischen entboten mir knorrige und ungestüm gewundene Bäume ihren Gruß vor einer Kulisse aus kühn aufragenden Hängen und dem makellosen Blau des Himmelsdachs. Hie und da erblickte nun auch nackter, neugeborener Fels das Tageslicht.
Ich wusste gar nicht, wohin ich mich wenden sollte und musste gut auf meine Schritte Acht geben, um vor lauter Schönheit nicht auf die Schnauze zu fallen.
Umgeben von einem derartigen Panorama machten wir Rast in einem Talkessel zwischen Kühen und Ziegen und verzehrten unser Tomaten-Avocado-Sandwich.
Leider war in Dodolla kein Markttag gewesen, weshalb die Auswahl an Gemüse etwas eingeschränkt verblieb. Trotz alledem tauchten wir frisch gestärkt und abermals ein in den Schutz eines lichten Waldes, der nun oft mit Moos überwuchert war und den zotteligen Baumbärten im magischen Fiordland auf Neuseelands Südinsel glich.
Einige adrett gekleidete Reiter in ordentlichen Jacketts kamen uns da auf geschmückten Pferden entgegen: sie waren auf dem Weg zu einer Hochzeit.
Bevor wir aber Angafu, die zweite Hütte, erreichten, ging es in Serpentinen noch einmal steil nach oben, bevor ich endlich mein Gepäck in eine gediegene Ecke werfen konnte.
Die wunderten sich eh, warum ich mein Graffl lieber selber herumwuchtete, wenn es doch dafür ein Packpferd gibt.
Ich erwiderte nur, dass ich eben verrückt sei. Außerdem sah ich mich dergestalt in die Lage versetzt, mich in meiner Vermessenheit als hehrer Tierschützer zur Schau zu stellen, nur hatte das keiner gemerkt.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht