Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Faule Kompromisse…
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Von der Stadt Santa Ana wollten und haben wir nicht viel gesehen außer die verruchte Gegend um die verwirrend in die Straßen und Märkte gestreuten Terminals, wo nur Vollzeittrinker, Zuhälter und Huren ihr Unwesen trieben. Das war durchaus mit Ansage, denn wir wählten unsere Unterkunft so, dass wir es am nächsten Morgen nicht weit zum Bus hatten, weil wir früh los wollten. Natürlich.
Das war auch soweit in Ordnung, nur Patricia musste kurz in einen Supermarkt und vielleicht in eine Tüte pusten und die hübsch geordneten Regale für einige Augenblicke betrachten, die sie an das saubere und mit Mindesthaltbarkeitsdatum versehene Europa erinnerten, dann ging es auch schon wieder.
Dem Geist der Zeit entsprechend hatte sich unser Hotel auch stramme 50% bei booking.com* verdient, was mir allerdings weniger als unter Wert verkauft erschien. Klar war das ’ne Absteige, aber sämtliche Wände waren liebevoll mit teils händeringend kitschigen Malereien vollgepinselt, die Rezeption erinnerte an ein Antiquitätengeschäft und im pittoresken Innenhof lebte ein Hase, leider in einem Käfig.
Aber immerhin. Für zehn Dollar (Ach ja, man zahlt hier in USD, arme Schweine.) pro Nase logierten wir herrschaftlich in einer großzügigen Maisonette-Wohnung mit Buntglas-Fensterfront vor einem Balkon mit Blick auf… nichts Bestimmtes. Das Bad verfügte über Wasser, und wir hatten einen Barhocker, Frühstück mit dabei, was also gibt es da zu meckern?
Der Staff sei unhöflich. Wahrscheinlich lag das daran, das der gute und eifrige Rezler leider nur Spanisch sprach, aber wir fanden ihn überaus nett und zuvorkommend. Grad dass er uns das Frühstück nicht ans Bett brachte, aber das wäre tatsächlich etwas beunruhigend und vielleicht zuviel gewesen für alle Beteiligten.
*Das ist auch so ein Ding. El Salvador ist auf Hostelworld nicht allzu üppig vertreten, wie es scheint. Ataco? Gibt’s nicht. Allein das sagt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin!
Denkt jetzt bitte nicht schlecht von mir.
Ich würde mir lieber mit Tränen der Freude in den Augen beide Hände abhacken, als über booking.com zu buchen, aber gewisse Umstände der Müdigkeit und potentielle Verfügbarkeiten wie in München zur Semana loca -seufz- ließen uns die letzte Todsünde begehen und vom digitalen Baum des Halbwissens kosten.
Am Ende machte es Gott sei Dank keinen Unterschied, denn der gute Mann scherte sich nicht groß um unsere Buchung und gab uns einfach irgendein Zimmer, das ihm billig und recht erschien. Ab da mochte ich ihn umso mehr.
So, gut geschlafen? Sehr fein, und jetzt nichts wie weg hier! Den Bus fanden wir auf Anhieb, allerdings brauchte der in etwa 45 Minuten, bis er sich langsam und mit Bedacht eine Schneise durch den Markt gebahnt hatte.
Jaa, das ist hier halt so.
Ein weiteres Kennzeichen für ein interessantes Reiseland: Pläne gehen nie auf, alles kommt anders als man denkt, und irgendwie funktioniert es trotzdem.
Paradebeispiel war eben die Hinfahrt von Ataco zum Vulkan. Obige Regel beherzigend standen wir bereits um fünf Uhr morgens auf, weil keine Ahnung, lieber früh dran sein, wer weiß, wie oft man umsteigen muss, und überhaupt ist alles ungewiss.
Tatsächlich verpassten wir trotz allen Vorsichtsmaßnahmen den letzten und mithin kritischen Bus in Santa Ana. Der nächste fuhr erst um elf zum Parkeingang, da fing aber die Tour schon an. Kurze Panik. Der Himmel neigte sich schon bedrohlich aus seinen Angeln, bis der junge Ticketverkäufer endlich segnend den Finger hob.
Wir rannten los und sprangen auf einen anderen Bus, der zwar eine halbe Stunde später aus Santa Ana losfuhr, es aber irgendwie fertig brachte, den anderen einzuholen, so dass wir ganz entspannt im nächsten Ort umsteigen konnten. Und so läuft das, da fragt man besser nicht nach, sondern schwimmt einfach mit, alles andere ist zum Scheitern verurteilt und nicht Sinn der Sache.
Im Allgemeinen scheint El Salvador im Vergleich zu Guatemala oder vielleicht auch Mexiko irgendwie entspannter, ruhiger, weniger reglementiert. Man stellt sich einfach an die Straße und schaut, was zuerst vorbei kommt, ein Pick-Up oder der Bus. Das ist fast schon egal, weil ich glaube, ich habe bisher nie mehr als einen Dollar gezahlt für eine Fahrt.
Das liegt zum einen an den unfassbaren Spottpreisen, zum anderen jedoch auch daran, dass El Sal ähnlich wie Belize winzig ist.
Einfach schaun, was passiert, alles geht, kein Problem, kein Stress. Im Grunde erinnert es mehr an Belize als alles andere, mit dem Unterschied, dass das Easy Going hier weniger institutionalisiert und formell erscheint; dort trifft es Dich eher wie eine Dampfwalze mit Überdruck im Gebälk.
Da kann man sich auf dem Kindersitz auch mal umdrehen und die baumbestandene Allee hinter dem Rückfenster genüsslich filmen, die ausschaut wie ein grün belaubter Tunnel.
Das war auf der Rückfahrt vom Strand in Los Cobanos.
Obwohl er es jetzt nicht gerade in meine Top Ten der Augenöffner schaffen würde, ging ich voll steil auf seine windschiefen Hüttchen und Restaurants, die angeleinten Fischerboote und die malerischen Felsen zwischen dem vulkanischen Sand. Wie überall Massen an einheimischen Touris, aber weit und breit keine Gringos.
Ich kann mir nicht helfen, aber es beeinflusst mein Erleben auf eine ungemein positive Weise, obwohl die Locals sich oft schlimmer aufführen als jede Weißbierwampn. Ihnen schien auch der ganze Müll im lauwarmen Wasser nichts auszumachen.
Dergestalt ist es um die Logik des Menschen bestellt: Mr. Spock würde kotzen und mit zweifelhaftem Blick seine rechte Augenbraue nach oben ziehen, während er sich angeekelt mit dem Handrücken über den Mundwinkel fährt.
Wir aber zogen es vor, uns von einer scheu kichernden Horde Schulausflügler interviewen und pubertär bewundern zu lassen: „You are so beautiful and handsome!“ Welches Backpacker-Herz schmilzt da nicht dahin wie Pudding in der Sonne?
Sie hatten ein Stipendium für einen Englisch-Kurs erhalten und verliebten sich praktisch von Rechts wegen vom Fleck weg in uns.
Dreiundsechzig Umarmungen, Liebesbekundungen und Fotoshootings später mussten sie leider schon abreisen, und ich muss zugeben, ich war ein wenig erleichtert. Denn wir mussten ja auch unser Programm einhalten, gechillt am Strand entlang stapfen und huldvoll mit den Armen winken.
Hey, und whoa! Mein neues Smartphone, ne? Was das alles kann, ich bin fassungslos fasziniert. Da gibt es Schneidewerkzeuge, Zeitlupenfunktionen und sowas wie „Kreative Effekte“, alter Schwede, ganz gefährlich! Ohne Patricia wäre ich da gar nicht drauf gekommen, weil die hat so ein neues Teil mit all diesen neckischen Spielereien.
Stellt Euch also vor, man kann – mit meinem neuen Smartphone – ein Schwenkpanoramabild machen. Ein „Schwenk“panoramabild. Panoramabilder sind ja ein alter Hut, das kann mein zehn Jahre alter Knochen auch. Aber da heißt die Funktion noch „Stitch Assistent“.
Das heißt, man muss sich in ganz rustikaler Manier, und daraus bestand meine ganze fotografische Welt bis zu jenem Zeitpunkt, hinstellen und ein Foto nach dem anderen machen, und die Kamera sagt Dir auf dem Bildschirm, wo und wie das nächste Bild an das letzte angefügt werden muss, damit es am Ende wie aus einem Guss aussieht. Die älteren Semester unter Euch werden das vielleicht noch kennen.
Aber heute! Tjaaa, heute stellt man sich gaaanz easy auf einen Berggipfel, wählt mit einem lässigen Tippen die Funktion „Schwenkpanoramabild“ aus – und dann schwenkt man das Gerät fast schon nachlässig und gemütlich von einer Seite der Welt auf die andere.
Das war’s. Wird verarbeitet. Fertig. …ABgefahr’n.
Das Problem ist jetzt natürlich, dass ich ständig damit herumspielen und immer tiefer in diesen digitalen Dschungel eindringen will, bis ich mich am Ende hilflos verliere und voll auf Time Lapse hängen bleib: „Hey Mann! Ich muss ein Video drehen, bitte, gib mir irgendwas, irgendeine Einstellung, irgendeinen Winkel, scheißegal, ich brauch nur ein VIDEO!!
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht