Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Stille Sirenen…
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Hm. Auf den ersten Blick macht auch Palenque nicht viel her, aber irgendwie hat das Kaff was. Wenn man das trostlos geschminkte Touristenviertel hinter sich lässt, offenbaren sich einem, wenn schon nicht sonderlich hübsche, so doch wuslige und lebendige Flaniermeilchen mit Bars, Cafés und allerlei Läden. In den Restaurants und Comedores (einfachere Variante) laufen Filme wie „Troja“ oder „The Expendables“, welch großartiges Vergnügen. Viel unterhaltsamer als das Tao Te Ching.
Ich hatte mich für zwei Nächte im Yaxkin Hostel eingebucht, das eigentlich recht nett aufgemacht war mit verwildertem Garten, Feuerstelle und sogar einer Schwitzhütte anbei. Aber irgendwie wirkte der Ort wie verlassen und ein wenig vernachlässigt. Alles fühlte sich seltsam kalt an, der Rezeptionsbereich hüllte sich schummrige Düsternis.
Alter, lang halt’ ich’s hier nicht aus.
In der Tat waren wenige Reisende dort, weder im Hostel noch in der Stadt. Das bestätigte auch der deprimierte Besitzer der Bar, in der ich die Münsteraner wieder traf. Er selbst war aus Chemnitz. (Da seht Ihr‘s, ich erwähne Nationalitäten schon gar nicht mehr.) Mit hängenden Schultern und grummelnder Mollstimme zeigte auch er sich verwundert über die eigentümliche Flaute in der Saison.
Im Allgemeinen scheinen die Leute im Tourismus-Sektor hier einen eher gelangweilten Eindruck zu machen. Ich kenne diesen leeren und desillusionierten Blick, geplatzte Träume wie Seifenblasen, zerschlagene Hoffnungen und der gemeine Mahlzahn der Gewohnheit; solche Ausdrücke sieht man zumeist in den melancholischen Gesichtern jener armen Seelen, die zu lange und zu viel mit der Reiseindustrie am Hut hatten.
Es ist ein tauber, ein gelähmter Blick so traurig wie ein sachter Windhauch, der kalt über ein aschfahles und brauntotes Land streicht. Ein Blick so voller Reue und Niedergeschlagenheit, als ob der ganze Himmel unter ihrem Gewicht zusammenbrechen müsse.
Der Blues einer anhaltenden Nebensaison. Aber das stört die blauen Libellen in ihrem Paarungstanz wenig.
Wie gesagt fand ich den Ort auf einer Ebene ganz lustig, aber der Campingplatz „El Panchan“, mitten im Gebüsch auf dem Weg zu den Ruinen gelegen, zog mich wie magisch an. Also hüpfte ich schnell in ein Collectivo (Kleinbus-Taxi) und spotzelte für 20 Pesos ein paar Kilometer Richtung Zona Archaeológica.
Mittlerweile gibt es hier natürlich auf jeder Straßenseite mehrere Unterkünfte, so dass man nicht wirklich von einem romantisch verlassenen Ort säuseln kann, aber!
Es ist der verdammte Dschungel, Mann! La selva! Inbegriff von entfesseltem, zum Bersten freien Leben und zähnefletschender Wildnis, bereit, einen auf ewig zu verschlingen, sobald man das Patschepfötchen seines Guides loslässt.
Das Panchan jedoch genoss unter Travellern den berüchtigsten und wohl sympathischsten Ruf. Empfangen wurde ich allerdings weit weniger sympathisch von zwei miesepetrigen Chicas, die mir gnädigerweise eine Hütte für 200 Pesos die Nacht zeigten, obwohl ich es wagte, sie in meiner vollendeten Frechheit in ihrem überaus wichtigen und profunden Gespräch zu stören.
Hm, ob es noch was Billigeres gebe? Ja, aber da müsse ich da hinüber, und sie machte Anstalten, in eine ganz andere Richtung wegzugehen. Ich fragte sie, ob sie mir das Zimmer nicht zeigen wolle, aber in dem Moment kam ich drauf, dass El Panchan im Prinzip aus einem größeren Areal besteht mit mehreren Unterkünften und Rezeptionen. I see.
Zu meiner großen Freude und Erleichterung war die Empfangsdame im „Jungle Palace“ um ein Redliches freundlicher und meine Cabana direkt an einem lauschigen Bacherl (wenn grad nicht der Generator vom Nachbarn schepperte) schlappe 80 Pesos günstiger. Gelegen in einem traumgleichen Garten mit Bananenstauden, lila Blumen und thronenden Baumriesen, die den Übergang vom Campingplatz in den eigentlichen Busch auf wundersame Weise verschleierten. Jackpot!
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Wie riecht der Dschungel?
Wie Wald, nur schwüler, dicker und schwanger. Das sind keine richtigen Gerüche. Hm… Nach feuchter Erde, und mehr.