Ich liebe Zugfahren, außer in Deutschland und vor allem in Indien. Dort präsentiert sich jene Form des Transports gar als eine eigenständige Sehenswürdigkeit an und für sich. Wer es schon einmal erlebt hat, wird wissen, wovon ich rede.
Jetzt kann es aber durchaus sein, dass man mehr oder weniger müde und ausgelaugt ist, je nach Reiseerfahrung und Zeitbudget. Daher nehmt Euch vor allem in kommunalen Schlafabteilen vor neu- und wissbegierigen Locals in Acht, die gern ihr Englisch aufpolieren wollen.
Das Bild, das ich hier zeichnen will, um jene Situation zu verdeutlichen, besteht in dem verhungerten Skelett eines armen, nichtsahnenden Backpackers, der den Zug letzten Endes nie verlassen hat, weil sich sein Gesprächspartner wie eine linguistische Vampirzecke an ihm festbiss und erst von ihm abließ, als der untersuchende Arzt den endgültigen Zeitpunkt des Todes feststellen konnte.
Aus diesem Grund empfehle ich Euch wärmstens, bucht oder schnappt Euch wenn möglich ein Upper Bunk-Bett (mithin das obere Stockbett), denn dann könnt Ihr Euch beim ersten Anzeichen eines gierig funkelnden Augenpaares nach oben verziehen und in Sicherheit bringen. Schnell noch die Ohrstöpsel rein und leidenschaftlich mit dem Kopf und verträumt geschlossenen Augen zur imaginären Musik wippen, und die Tarnung ist perfekt.
War man aber seit längerer Zeit mutterseelenallein unterwegs, weil man sich in den Kopf gesetzt hat, dass off the beaten track zu reisen unbedingt phätter ist, so hat man jederzeit die Möglichkeit, vorsichtig und auf Zehenspitzen nach unten zu klettern und das Terrain nach möglichen Gesprächspartnern zu scannen.
Vorsicht ist jedoch geboten, denn Ihr wollt sicher nicht Eure Stimmbänder überdehnen. Als Aufwärmprogramm empfiehlt sich 15-minütiges halbkehliges Mantrasingen, vor allem in Indien stets gern gesehen und überhaupt nicht Aufsehen erregend.
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht