Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Des Schicksal’s…
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Willkommen in Iran’s ältester und zweithöchster Stadt, gelegen auf knapp 2.000 Metern.
Davon zeugen auch Mauerreste auf dem Ausgrabungsgelände der alten Siedlung Hagmatana, welche bereits im 11. Jahrhundert vor Christus von den Medern gegründet wurde, die ich jedoch großzügig links liegen ließ. Für’s Erste war ich gesättigt von alten Kulturen, mersi.
Zu Beginn war die quirlige Stadt für mich lediglich das Sprungbrett zu den vielgerühmten Höhlen von Ali Sadr, auf die ich weiter unten noch zu sprechen kommen werde.
Doch ein geräumiges, gemütliches Einzelzimmer mit Gemeinschaftsdusche in einem vernünftigen mosaferkhuneh „mosaferkhuneh” (Reisehaus; ist gleich günstige Pension mit einer Bandbreite von versifft grindig bis sauber annehmbar), welches mir mein örtlicher „dust“ (Freund) Amin souverän auf schlappe elf Iurro die Nacht heruntergehandelt hatte, sowie die eine oder andere Eingebung veranlassten mich dazu, doch ein paar Tage länger dort zu verweilen.
Amin fing mich gleich am Emam-Khomeini-Platz ab, nachdem ich ziemlich abgeranzt und zerlumpt in einer Gewaltaktion von Shushtar über Dezful, dann mit dem Nachtbus von Andimeshk nach Kermanshah geeiert war, um mir im nahebei gelegenen Bisotun die Darius-Reliefs anzuschaun (auch davon später mehr) und sofort weiter nach Hamedan zu düsen.
Das war genau ein Tag und eine viel zu kurze Nacht.
Also checkte ich erst mal ein und warf mich genüsslich auf’s Bett, um all das zu verdauen. Aber um halb sechs war schon wieder Programm angesagt. Amin wollte mir einen Wasserfall, weitere Steininschriften und überhaupt sämtliche Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigen.
Allerdings begnügten wir uns denn mit einem Steinernen Löwen, dessen Kopf aussah wie eine Eule und anscheinend im Auftrag vom alten Alexander (Groß) angefertigt wurde, sowie einem recht unscheinbaren Grabturm, bevor ich komabedingt die Notbremse zog. Es war sowieso ein ekelhaft nasskalter Tag, wo man sich lieber fein zu Hause einmümmelt als auch nur einen Schritt vor die Tür zu tun.
Aber Amin war da anderer Ansicht.
Mein Homie, Chauffeur und Guide für die nächsten Tage also schien gesichert. Er habe Freunde in Salzburg, der Schweiz und Norditalien, da passt doch München ganz gut ins Bild.
Doch dieses Mal wollte es die Vorsehung anders. Seine Mutter wurde nämlich just am nächsten Tag krank, und er musste sich vor allem anderen um sie kümmern.
Schade, war ein sehr netter Kerl. Aber so hatte ich meinen Tanzbereich ganz für mich allein und konnte meine persischen Reiseskills erweitern.
Nicht jedoch bevor ich erst einmal gaaanz entspannt durch die Innenstadt geschlendert war, um die dortige Atmosphäre zu beschnuppern. Die Sonne lachte wieder nach jenem ungestümen Intermezzo, und die Leute waren gut drauf. Jaaa… warum nicht?
Für den Iran eher selten konnte man am zentralen Meydun (Emam Kh.) noch schöne alte Gebäude mit niedlich runden Ecktürmchen aus dem frühen 20. Jahrhundert bewundern, welche in einem weiten Kreis um den Platz angelegt wurden.
Von dort aus gingen strahlenförmig sechs Hauptstraßen ab, von denen mich eine zum Grabturm von Bu’Ali Sina, im Westen besser bekannt als der große Avicenna, führte.
Ich hatte ja wirklich die Schnauze voll von dem ewigen Eintrittsgetickezetere, aber für diesen wissenschaftlichen Tausendsassa sollte man sich schon eine Ausnahme genehmigen.
Versüßt wurde mir der unweigerliche Geldscheinverlust von einem schnuckligen Museum, das mir weit sympathischer war als das wuchtige Monument auf einer erhöhten Plattform, das an einen kalten und kantigen Sowjet-Bau erinnerte. Der schien mir weder ziemlich noch passend für einen überragenden Mediziner, Poeten und Denker, von dem seine geistigen Nachfahren noch Jahrhunderte später zehrten (unter anderem Sir Isaac Newton).
Ähnlich groß wie sein Talent muss offenbar sein Ego gewesen sein, weshalb er es schon in jungen Jahren zu Ruhm und Ehren brachte. Mit Anfang Zwanzig fing er dann an, sich zur Ruhe zu setzen und Bücher zu schreiben. Wenn ich in meinem Leben so zurückdenke… naja. Lieber nicht.
Im Museum waren antike Gefäße für Pülverchen und Tinkturen, verschiedene Kräuter mit Beschreibung der Wirkungen, unheimliche chirurgische Werkzeuge sowie die gesammelten Werke des neuronalen Überfliegers ausgestellt. Am meisten beeindruckte mich jedoch eine von ihm mit akribischer Genauigkeit handgezeichnete Abbildung eines Wirbelkörpers, an dem kein Band und keine Sehne fehlte. Glaube ich.
Das alles geschah so grob um das 11./12. Jahrhundert.
Gut, reicht aber auch. „Wohin soll’s gehn, schwarze Perle?“ – „Einmal ums Karrée Milchbrötchen!“ (aus „Die Indianer von Cleveland“; Anm. d. Sammlers), und hurtig wieder zurück in mein kuschliges Zimmerchen. Es war schon halb drei, und ich musste Blog-chillen.
(Das wiederum sei kein scheinbares Paradoxon, versichert mir Meister Schnurgerad, aber ich werde es wohl nie lernen.)
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht