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First enticed me to take the cup,
When I got drunk, told me to stop,
My eyes watery, my heart on fire,
I became dust and your wind picked me up.“
(Hafiz, „Divan“)

Sinnbild

Tja, den guten Wein gibt es seit der religiösen Revolution anno ’79 leider nur noch überall sonst auf der Welt. Hier in der Stadt der Nachtigallen und Dichter lebt die edle Traube nur noch als Sinnbild der alten Sufi-Poeten in und um das Mittelalter für die mystische Vereinigung mit Allah (auf New Age: „Weltseele“) weiter.

Da wurd’ bei uns gerade heftig an der Uhr gedreht, und zwar auf ewig verdammte Finsternis, wenn’s nach der damaligen kirchlichen Tyrannei gegangen wär’.
Nachtigallen hab ich leider keine gesehen, dafür ein paar putzige Fledermäuse am Philosophenhügel.

Denkmal für Sa’adi

Egal, zwei der bedeutendsten Denker aus vormaligen Zeiten liegen hier in ehrwürdigen Mausoleen begraben, beschützt und behütet von üppigen Parkanlagen sowie je einem Wächterhäuschen mit einem ernüchternden Schild, auf dem der recht uncharmante Einzeiler „20 Tuman“ geschrieben stand. ( Na, wer hat aufgepasst?)

Soviel hab ich für Persepolis gezahlt, das zehnmal größer und abwechslungsreicher ist. Ich mein’ ganz ehrlich, es ist ein Grab. Schön gelegen und rausgeputzt, dazu ein paar vereinsamte Souvenirstände sowie ein in deprimierender Weise an eine Pommesbude erinnernder Tea Shop, aber es ist und bleibt ein verzierter Stein.

Verehrung

Hafiz und Sa’adi wird das herzlich schnurz sein, wo auch immer ihre Seelen zurzeit herum fleuchen.
Hat der bodenständige Mensch mal wieder nicht begriffen, wo der Kern der Sache liegt. Doch zeigt es sehr schön, wie immens wichtig den Iranern ihre altvorderen Künstler zu sein scheinen.
Man hat Leute die Gräber küssen und davor weinen sehen.

Ich weiß nicht, das schreibt mein Reiseführer. Die sülzen je nach Autor ja gern mal von der Glocke und zerren die greinende Nostalgie erbarmungslos aus ihrem verdienten Ruhestand, nur um dann die eigene rosagepufft verklärte Landeskenntnis in die Welt furzen zu können.

Poesie am Tropf

Doch wenn das stimmt, ist es in der Tat erstaunlich, denn das machen die Leut’ hier ansonsten nur bei großartigen religiösen Führern, Märtyrern und vielleicht noch, wenn der FC Bayern verliert.
Ach, es ist Graus. Egal, wo man hinkommt:
„Az Munichh?? Aaah, Bayerrn Munichh!“ („Aus München??“, gesprochen mit einem kehligen Chh) Pfui Deifl.

Nun, ich habe Poesie und Dichtkunst in den letzten Jahren durchschmaus sehr zu schätzen gelernt, allerdings kann und will ich mich weiß Gott nicht über mein Schwabentum hinaus schüttelreimen, deswegen habe ich als Kompromiss lediglich Sa’adis Grab besucht. Alles, was recht ist, abr so goht’s et, gell? Ha, wo semmr denn!

On the road

Und warum Eintritt bezahlen, wenn man das ganze hautnah und live für ganz umsonst bekommen kann?
Schon auf der Fahrt von Busher nach Shiraz fing es als schattenwerfendes Präludium an, als ich Youssef kennen lernte.

Soziologe, Drehbuchautor, Dichter, Schöngeist, arbeitslos. Klassiker. Er liebt Filme, vor allem alte Hollywood-Schinken à la Hitchcock oder Tiffany. Sein Traum ist es, mal einen Film über Familie und Religion zu drehen.

No ruz?

Ja, die lieben Verwandten sind den Iranern sehr wichtig. Zu No Ruz um den 21. März steht in diesem Land augenscheinlich alles still, und die gesamte Bevölkerung erhebt sich, um alle möglichen Verwandten zu besuchen.
Ich frage mich, ob überhaupt noch jemand irgendwo daheim ist, um den internen Exodus zu empfangen. Hotels und öffentlicher Transport ausgebucht und zum Bersten voll, ein bisschen hab’ ich schon Angst davor.

Am Philosophenhügel

Das ganze Spektakel geht an- und abebbend gut zwei Wochen so.
Bei Hochzeiten werden gern mal 500 bis über 1000 Gäste eingeladen. Also einfach alle, in deren armes Dasein man die rattenscharf geschliffenen Gastgeberklauen versenken kann.

Spalier

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