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Pilgerstätte

Ach ja, das Office war der Wine Shop in Gokarna, einer jener vergitterten und eher zwielichtigen Läden mit einer Lizenz zum Alkoholverkauf, in diesem Falle sogar mit einer im wahrsten Sinne angehängten Eckboaz‘n, wie sie düster im Buche steht.
Hierher geht man nicht aus, um Spaß zu haben, sondern man trinkt mit der Konzentration und Ernsthaftigkeit eines Kriegsveteranen, während man sich mit beiden Händen an der Flasche festklammert, den Blick starr auf die flüssige Rettungsleine gerichtet in gewaltsamer Meditation.

Trost

Gokarna ist eines jener verschlafenen Örtchen, bestehend aus altersschwachen Häuschen mit schwindelerregend entzückenden Holzbalkonen, die sich asthmatisch keuchend aneinander zu lehnen scheinen, um sich gegenseitig Halt und Trost zu spenden. Wenn man hier durch die Straßen geht und sich vorstellt, auch nur ein kleines, unbedeutendes Hüttchen aus dem Brettspiel zu nehmen, hat man den Eindruck, als müsse die ganze Stadt wie ein Kartenhaus zusammenfallen.

Verschlafen

Die Leute grüßen freundlich und versuchen lediglich mit angezogener Handbremse, einem Schals, Ketten oder Tücher anzudrehen. Es ist ein Ort, wo ich unwillkürlich durchatme und innerlich alle rostigen Fensterläden öffne, während meine Augen sich bereits intensiv mit der Suche nach einem schnuckligen Kaufobjekt beschäftigen.
One day…

Da waren die sympathischen und professionell zähnebleckenden Jungs am Strand von Om Beach schon hartnäckiger: „Come on, brrother, see, today verry hot, no business, slowly slowly, no? Maybe laterr, tomorrow ok? Last day, ok thank you, brrother, have a good day…“
Man stelle sich diesen Monolog vor begleitet von einem sanften, mitfühlenden Kopfschütteln und peinlich berührtem Lächeln des Gegenüber.

Ruhe vor dem Sturm

So zogen die schwülen Tage unbarmherzig ins Land, es wurde stetig heißer und das Konzept einer Wolke scheint mir mittlerweile so unverständlich und weit her geholt wie Donald Trumps Vereidigung als Präsident der Vereinigten Staaten.
Nur anlässlich eines Feiertages wurde unser süßes Leben gestört, als wilde Horden johlender und plantschender einheimischer Touristen in die Bucht einfielen, sich hemmungslos die Kante gaben und den idyllischen Frieden unflätig zerstörten.

Plantschen

Zu ihrer Verteidigung muss ich mit einem weiteren Anflug von Déja-vu (Gehört das Ryan Air mittlerweile?) sagen, dass sie sich das auch mehr als verdient haben, wenn man bedenkt, dass sie sich das ganze Jahr über den Arsch aufreißen für ein grottenkümmerliches Gehalt und das Konzept von Freizeit so unfassbar und eigenartig erscheint wie intelligentes Leben im Weltall.

Selbst die vom Kriegsdienst gezeichneten und gestählten israelischen Stoßtrupps flohen angesichts der erdrückenden Übermacht in ihre Guest Houses, um sich zitternd mit so illustren Drogen wie Ketamin vollzupumpen (Nicht dass sie das sonst nicht auch getan hätten.), das man hier ganz nonchalant in Apotheken an der Straße erwerben kann. Ohne Rezept versteht sich, wo kämen wir denn da hin?

Israelis? Bestimmt.

Oh, ich möchte nicht rassistisch erscheinen, es waren natürlich nicht nur Israelis, denen die Yoga-Retreats, Dance-Workshops, Rebirthing-Seminare und Hypnose-Workouts nicht ganz ausreichten in Bezug auf ihre spirituelle Entwicklung.

Innerlich kichernd stelle ich mir vor, wie Landungsboote voll zähnefletschender und vor Erwartung bebender Inder gegen den Strand krachen ähnlich den furchtbaren Szenen in der Normandie während des D-Day vor nicht allzu langer Zeit.
Auf der anderen Seite bibbernde und verängstigte Touristen in Bunkern aus meterdickem Beton, dank der Traumfänger-Camouflage gut versteckt zwischen dem dichten Blätterdach des angrenzenden Dschungels; wie sie schwere mit Mantra-Schutzzaubern belegte Maschinengewehre durchladen und all die Om Shantis vergessend um ihr nacktes Überleben kämpfen, wobei ihnen soßig dämmert, dass sich ihr ätherischer Höhenflug jäh in einen Panik und Todesangst verbreitenden Horrortrip verwandelt hat.

Nicht ins Wasser

Sowas kann einem schon mal die Zeit vertreiben und erscheint überaus vergnüglich, wäre da nicht ein trauriger und bitterer Aspekt an der ganzen Geschichte, der zahlreichen Indern jedes Jahr das Leben kostet.
Denn die meisten von ihnen können nicht schwimmen, was in Verbindung mit Alkohol aus dem spritzenden Spaß schnell eine Tragödie macht.
Gerade einen Tag vor unserer Ankunft wurde wieder die Leiche eines unglücklichen und nichtsahnenden jungen Menschen angeschwemmt, der sich zur falschen Zeit unter falschen Umständen am falschen Ort befand.

Patrouille mit Ausblick

Aus diesem Grund patrouillieren auch täglich Polizisten entlang der Strände von Südindiens Westküste, nur darauf bedacht, einheimische Touristen aus dem Wasser zu pfeifen, wenn die abendliche Dunkelheit und damit der Alkoholgehalt im Blut zunimmt. Das und die berüchtigten Quasi-Kontrollen ausländischer Reisender nach Drogen, um ihnen ein bisschen Baksheesh abzuluchsen.

Vergehen

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