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Spoiler

Jene kurzerhand gesurfte Welle spülte mich quasi direkt in die Arme von Hatam.
Bei dem wollte ich eigentlich gar nicht Couchsurfen, sondern mir nur demütig ein paar Tipps und Ideen zum Wandern im abgeschiedenen Alamut-Tal einholen. Zwar hatte er keine Tipps und Ideen zum Wandern im Alamut-Tal, dafür wollte er sehr, dass ich bei ihm couchsurfe.

Qazvin

Und das obwohl ich einen Tag früher als geplant nach Qazvin fuhr, der Neujahrsstress ihn plagt und er arbeitsbedingt voll unter Hochdruck stand.
Er hatte eine eigene Firma, der Arme. Die zogen dort Saatgut, und bald war Frühling.

Ich kam also an, er packte mich nur stinkend ins Auto und ab ging’s zu einer Party auf dem Sommerhaus seines Onkels.
Duschen? – „Wurschd, findet eh draußen statt.“ – Na gut; Erinnerungen an Moskau.

Ein paar Atemzüge später saß ich feixend und lachend mit seinen zwei Kumpels im rasenden Karren, während sie mich mit Knabbersachen und Saft versorgten. Wir waren spät dran.

Ummauerter Garten

Die konnten alle Englisch! Das tut aber schon gut ab und an. So eine Unterhaltung mit richtigen Sätzen, Verben und Adjektiven und so. Voll krass.
Eine Stunde später waren wir dort, mitten in der Pampa irgendwo kurz vor Karaj in Richtung Tehran. Nur nicht zu nah ran an das Flittchen, das ist gefährlich!

Das Anwesen war großzügig bemessen mit einem üppigen Garten, einem nobel-spießig hergerichteten Haupthaus sowie zugehörigem Nebengebäude, das vielmehr einer abgehalfterten Kolonialhazienda glich mit seinem säulengestützten Vorbau. Keine Frage, arm waren die nicht.

Locker

„Hallo, salaam, wer bist Du, was machst Du, wo kommst Du her, sehr angenehm, hier, trink einen Schluck Whiskey.“
Das war das zweite Mal, das ich in Iran Alkohol trank.

Oh, es wird durchaus ordentlich gefeiert in diesem Land, nur eben hinter verschlossenen Türen, wo auch die Kopftücher wie durch Zufall nach und nach verschwinden.
Das ist wohl so ähnlich wie mit den Kugenschreibern. „Eh? Ist es schon wieder runter gerutscht!“ Das lockert die Zunge wie auch das Tanzbein.

Heiden

Es war der letzte Mittwoch vor No Ruz, der fast ebenso hart gefeiert wird wie der „Neue Tag“ selbst. Einem uralten zoroastrischen Brauch folgend springen die Leute über’s prasselnde Lagerfeuer, klatschen, singen und tanzen dazu.
Just zum Wechsel der Jahreszeiten. Klingeln da bei dem einen oder anderen die alten, heidnischen Glocken? Sehr interessant ist das.

Ein älterer Herr, pflichtbewusst alkoholisiert, karikierte zum Entzücken der Umstehenden einen hochrangigen Politiker und stellte sich dabei hinter einem ansehnlichen Rücken in die Menge, um nicht aus Versehen fotografiert zu werden. Vorsicht ist die Mutter der Social Media.

Industrialisierung

Die Anzahl der Spieße auf den Grills mutete eher an wie Massenproduktion als wie ein gemütliches Barbeque, es waren auch einige Leute zugegen. Quassel, laber, radatsch, „aber jetzt iss erst mal, Du musst sicher hungrig sein. Und überhaupt, viel zu dünn ist er, der Arme!“ Seufz. Ach ja.

Als Nachspeise zum klassischen Kebab gab es perfekt designte Wackelpuddings und Präsentierkuchen, die mich in ihren grellen Farbkombinationen an die überzeichneten Gelage im Capitol kurz vor den „Hunger Games“ erinnerten.

Feuerwerk

Danach wurde ordentlich geböllert und geschossen. Doch da ging mir auf gut deutsch das Messer in der Tasche (…Taschenmesser! Da ist es ja endlich.) auf, denn diese zu groß gewordenen Kinder warfen völlig schmerzfrei und sorgenlos mit Krachern um sich und in die Menge, die man bei uns schon im 17. Jahrhundert zurecht verboten hätte.

Warum ich nicht taub geworden bin, frage ich mich. Hat meine Metal-Phase als Teenager also doch was gebracht.
Das war echt nicht mehr lustig. Ich hab’ gesehen, wie so ein Ding wirklich direkt neben einem kleinen Kind losging. Den Erwachsenen war das grad scheißegal, wahrscheinlich standen die Eltern daneben und haben gelacht. „Uuui, jetzt ist er aber erschrocken, der Kleine, haa?“ Voll daneben.

Aufleben

Der einzige, dem es ähnlich wie mir zu ergehen schien, war Hatam, der sagte aber auch nichts. Ich mein, es war wirklich eine schöne Party, und ich konnte mich in der Tat glücklich schätzen, dabei gewesen zu sein lalalala, aber diese debinfantile Schießerei erschien mir schlimmer und fahrlässiger als ein Haufen besoffener und zugedröhnter minderjährig Bemittelter bei uns.

Gut denn, als mein Gähnen dann schon langsam auf halb zwölf stand, blies Hatam Gott sei Dank zum Rückzug; es herrschte sowieso allgemeine Aufbruchstimmung.
Auf der Rückfahrt lebte ich im Verlaufe angeregter Unterhaltungen über hochtrabende Themen (völlig normal und angemessen um die Zeit) mit meinen neuen Instant-Kumpels noch ein letztes Mal auf.

Kollision

Aber als ich endlich während einer todesähnlichen und abgrundtief langgezogenen Seufz- und Gähnarie der Erschlagenheit mit der Matratze in seinem Heim kollidierte, gingen auch schlagartig die Lichter aus. Ein letztes schwaches Grinsen, als ich mich an meine recht blitzartige Entscheidung in Hamedan (War das erst gestern ??) erinnerte… Intuition… Vorsehung… Du… … kleine- hrrrrrchchchch……

Licht aus

Ruf

Hinter Türen

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