Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Das Ziel ist…
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Der Schamane und ich wurden sehr liebevoll und achtsam empfangen von zwei eher permanenten Community-Mitgliedern des „El Jardín“. Das war einmal Mio aus Japan und die israelische Elbenfrau, die ich von den Medizincamps her kannte. Außer denen waren zwei weitere Gäste zugegen: Tanja und Elian. Die waren beide aus Deutschland, damit das Ungleichgewicht wieder stimmte.
Gleich im Anschluss ließen wir uns zu einem veganen, doch überaus leckeren Abendessen nieder, das wir liebevoll und achtsam zu uns nahmen. Danach wickelte ich mich wie ein suizidales Insekt in das verführerische Spinnennetz einer Hängematte und erwartete ungeduldig und voller Vorfreude meinen Erschöpfungstod.
Tatsächlich nickte ich noch ein paar Male im Verlaufe unvermeidlicher Unterhaltungen und gab zu verstehen, dass ich durchaus noch am Leben und präsent sei, aber sie alle sprachen viel besseres Spanisch als ich, so dass ich es erleichtert aufgab und schon bald in meine Cabaña trottete, die ich mir mit Tanja teilte.
Die soeben beschriebene Gesprächssituation blieb auch in den kommenden Tagen prinzipiell und zumeist erhalten, und oft war ich es total zufrieden, verwundert und still aus meiner Hängematte zu glotzen.
Vielleicht probierte ich auch mal eine andere, es gab insgesamt drei in ihrem recht luftigen „Wohnzimmer“, um vergessen im wohltuenden Kokon der Sprachbarriere ihren schnatternden Unterhaltungen zu lauschen.
Aber es gab auch Momente, das muss ich ehrlich sagen, in denen ich mich ein wenig einsam und verlassen fühlte und schmerzlich gut nachfühlen konnte, wie sich Alejandro (aus Frankreich, klar) inmitten einer schlagenden bairischen Übermacht in San Mateo gefühlt haben musste.
Vielleicht war es ihm tatsächlich auch sternschnuppe gewesen, ich weiß es nicht.
Ich hatte zumindestens immer das Bedürfnis, mit ihm ein wenig in kastilianischen Bruchstücken zu kommunizieren, einfach, damit er sich nicht so alleine fühlte und damit ich an dieser Stelle damit angeben kann. Aber das kann schon sein, dass ich da zuviel in ihn hineinprojiziert habe.
Vielleicht musste ihm das in manchen Momenten sogar anstrengender erschienen sein als etwa peinliche Stille, aber dazu ist es jetzt zu spät.
Es wäre sicherlich auch kein Problem gewesen, denn alle im El Jardín konnten durchaus Englisch – selbst Mio mit ihrem ulkigen asiatischen Akzent, der einen Marmorpalast schmelzen könnte, aber mei. Es ist einfach oft die sture Macht der Gewohnheit, die einer von Herzen gefühlten Gastfreundschaft manches Mal den Parkettboden unter den Füßen wegzieht.
Zu viele von solchen Situationen hatte ich bereits von der anderen Seite her erlebt, so dass ich meine negativen Gefühlsanwandlungen gerne bei mir behielt. Es hätte ja auch nichts gebracht, und trotzdem war es beizeiten eine harte Umstellung, nachdem ich zwei Wochen lang unter akustischem Artilleriefeuer stand.
Es ist halt, wie es ist: weder gut noch schlecht, und keiner kann was dafür.
Deswegen handelte es sich bei meinen neuen Kompagnons nicht minder um ganz hervorragende Lichtkrieger, zarte und filigrane Seelen, und alle irgendwie ein bisschen schrullig und verrückt.
Mio und die Elfe gehörten zu der Fraktion, die sich aus Überzeugung oder Faulheit oder beidem nicht die Beine rasieren wollten.
Statement hin oder her, beides zählt.
Leider kann ich aufgrund meiner Konditionierung nicht sagen, dass mir das in einem ästhetischen Sinne gefällt, aber das war wohl niemals Sinn und Zweck des Ganzen und darüber hinaus mein Problem, wenn ich mir denn eines daraus machen wollte.
In der Tat stand mir danach nicht der Sinn, denn ich hatte viel mehr Lust, unter den stolzen Ceiba-Bäumen, die schon den alten Maya heilig waren, umherzuwandeln.
Und wenn man einmal zwischen ihre Wurzeln, die bei älteren Exemplaren gerne einmal wie glatte Häuserwände anmuten, und in deren großzügigen Schatten tritt, scheint einem das auch nicht weiter verwunderlich.
Dazwischen gab es viele Bananenstauden, Obstbäume, Gemüse und Kräutergewächse wie auch ganz bestimmte Sträucher mit so violetten Bandeln, auf die ich an dieser Stelle gar nicht näher eingehen möchte. Vieles davon bekam ich aber gar nicht wirklich zu Gesicht, denn es lag wild verstreut oder für mich als Möchtegernlaien vielmehr versteckt in diesem wunderlichen Garten.
Der Schamane meinte, er könnte und würde gerne noch viel mehr anbauen, denn im Moment konnten sie sich dort noch nicht komplett selbst versorgen, aber aus der Erfahrung heraus hätte er dann sämtliche Viecher aus der näheren Umgebung am Hals.
Denn Ihr müsst verstehen, im El Jardín kam man sich wirklich vor wie mitten im Dschungel, aber noch wirklicher lag er auf einem ehemaligen Feld, inmitten von Kuhweiden und Bauernhöfen, ganz anders wie zum Beispiel die alten Maya-Ruinen weiter hinten auf den Hügeln.
Das wurde mir schlagartig klar, als ich nach ein paar Tagen zum ersten Mal wirklich nach draußen in die Welt trat und staunend blinzelte im Sonnenlicht, das mir nun forsch und wie anklagend auf mein Drittes Auge brutzelte.
Ich traute meinen Ohren nicht, als er mir erzählte, er hätte sich vor siebzehn Jahren eben eine von diesen Weideflächen gekauft und alles, was Ihr jetzt quasi auf den Bildern seht, eigenhändig angepflanzt und eingesät. Ich meine, manche von den Baumriesen sahen so aus, als stünden sie dort schon seit Jahrhunderten!
Immer wieder unfassbar, wie schnell alles zuwächst in den Gefilden. Da kann man sich leicht vorstellen, wie auf einmal ganze Städte mit einem milden Rülpser vom Erdboden verschwinden.
Wir befanden uns demnach in einer Oase – was einigermaßen seltsam erscheint, wen man in nicht weiter Ferne von wild wucherndem Dschungel belagert wird. Und doch war es genau das: ein Brückenkopf der Natur und im Notfall eine Arche.
Und genau dieses Bild müsst Ihr im Kopf haben, wenn Ihr die Bedenken des Schamanen bezüglich eines intensivierten Anbaus von Obst und Gemüse verstehen wollt. Denn das würde aussehen wie der Einzug ins Paradies, bei dem sich sämtliche Tiere friedlich an der Hand halten, um hernach überaus unfriedlich über seine eigene kleine Schöpfung herzufallen und sie wieder in die Kuhweide zu verwandeln, die sie einst war.
Und so kam er mir auch wirklich vor mit seinen schütteren Haaren und dem wild wuchernden Vollbart: wie ein selbstvergessener und zerstreuter Gott, der am Sonntag nichts Besseres im Sinn hat, als pfeifend über ein Stück Erde zu spazieren, dabei eine Schneise aus purem Leben hinter sich zurücklässt und sich deswegen verwundert am Kopf kratzt.
Wenn sich aufgrund der religiösen Unter- und Obertöne manchen von Euch die Nackenhaare aufstellen, dann nehmt doch Radagast her, den verrückten Zauberer im Düsterwald, der sich irgendwann wahrscheinlich in einen Naturgeist verwandelt hat.
Das geht auch.
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Bitte umblättern: Zuviel Darwin…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht