Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Emotionale Vergewaltigung…
———————————————–
Allianzen sind wie Blätter im Wind. Kaum verlagern sich Interessen, werden aus Freunden von heut auf morgen Feinde. Am besten verdeutlicht das vielleicht die außenpolitische Schiffschaukel um Persien im 19. Jahrhundert. Da schloss Iran mehrmals Bündnisse mit England oder Frankreich, wobei sich der Dritte dann stattdessen mit Russland zusammentat.
Also Spielgemeinschaft Iran-England gegen Napoleon-Russland oder Iran-Napoleon gegen England-Russland. Das ging mehrere Jahrzehnte munter ein paar mal so hin und her, und keiner schien das auch nur im geringsten für irgendwie seltsam oder verrückt zu halten; nein, sowas ist vollkommen normal bei uns.
Nun, die Iraner haben für eine Zeitlang wohl bekommen, was sie wollten. Indem sie stets einen Bündnispartner wie eine gepfefferte Bundeslade vor sich herführten, hat keiner der ansonsten übermächtigen Gegner es gewagt, in das von den Wirren des 18. Jahrhunderts gebeutelte Land einzumarschieren.
Well played, Persia. Von der anderen Seite her betrachtet jedoch war das Land der pingpongende Spielball der europäischen Imperialmächte, eine Vorwarnung und Lehre für ähnliche Versuche der Amerikaner etwa hundert Jahre später.
Eine unheimliche Begegnung ganz anderer Art hatte ich tags darauf, als ich mich zum Meditieren in einen beschaulichen Palmenhain setzte. Nach einer Weile innigster Gemütsruhe nahm ich nach und nach ein sacht ansteigendes Trappeln war… War das wohl die Erleuchtung, die wie die Vier Reiter über das Angesicht der Erde auf mich zugallopiert kam?
Nein, es war nur eine Herde Schafe, deren Mittagsbuffet ich unwissentlich gesprengt hatte. Das schien sie aber nicht weiter zu stören, denn sie grasten seelenruhig um mich herum.
Neidisch blickte ich zu ihnen hin. Selbst beim Fressen wirkten die entspannter als ich nach drei Stunden extremster Konzentration.
Sie näherten sich mir bis auf wenige Meter, ohne scheinbar Notiz von dem schrägen Eindringling zu nehmen. Neben mir zirpte eine Grille im Gras, im Baum darüber trällerte im Kanon ein Vogel sein Lied.
Total zuzentriert, schädel-high und durchgevibed auf Ace Ventura. Leider hatte ich mein Hawaii-Hemd vergessen.
Ich zuckte mit den Schultern und meditierte also zu einer Ziegenherde.
Warum nicht. Im Gegenteil, von Sekunde zu Sekunde erschien es mir passender. Ich schloss die Augen, und ihr monotones Mampfen und Stampfen umwallte mich wie eine brodelndes, waberndes Nebelmeer im fahlen Morgendunst.
Manches Mal schubsten sie sich empört zur Seite, wenn gewisse Tanzbereiche verletzt wurden oder jemand den Schokoladenpudding seines Tischnachbarn klauen wollte. Zwei junge Zicklein stellten sich auf die Hinterbeine und stießen spielerisch ihre Köpfe aneinander. Und immer gut kauen. Ist die halbe Verdauung.
Einmal schauten sie alle gebannt in dieselbe Richtung, aber es war kein Räuber auszumachen, also verlief sich der fluchtbereite Mob wieder nach und nach. Wie bei uns, wenn die Krankenwägen und der Notarzt alles zusammenpacken und es nichts mehr zu sehen gibt.
Wiederum an einem anderen Tag hat mich ein eifriges Tehraner Pärchen in die Mangrovensümpfe von Hara auf der Nordseite der Insel entführt: „Schaut her, wir haben einen WESTler bei uns im Autoooo!!“
Leider war Ebbe und die Bootstour fiel ins Wasser (Aus dem Kompendium über Anton Schnurgerad’s Paradoxien).
„Mmmso ein Pech. Wie schade, tja also, ich muss dann auch wieder zum Strand und so chillen und so….“
„Strand! Super, da wollen wir auch hin.“
Fünfzehn Minuten später fand ich mich bei einem flotten FullMoon-Dreier mit Traubenschnaps-Bull und Pistazien zu blärendem Industrie-Techno-Pop wieder.
Als ein Motorrad vorbeikam, hat der aber ganz schnell den Schnaps versteckt und die Mukke runtergepegelt aus Angst, das könnte die Sittensecurity („Spaßex“) sein. Junge Junge, die scheinen das hier mit dem Alk-Verbot wirklich ernst zu nehmen.
Das hat ihnen dann auch gereicht, und sie haben mich brav wieder in meinem Paradies für Proletarier abgesetzt.
Bevor ich denn wieder mit der Fähre nach Bandar Abbas rübermachte, hab ich mich noch schnell von einem netten Dörfler zum Chahkooh Valley fahren lassen, eine enge Schlucht, die sich als Kind mit Geologie angesteckt hatte.
Die Felsen dort sahen aus, als ob ein monumentaler Regen aus ätzender Flüssigkeit auf sie niedergegangen wäre, ziemlich einzigartig.
Das Ganze hab ich mir noch von oben angeschaut. Von einem Hügel aus hatte man einen tollen Blick auf die karge Landschaft drumherum. Von dort sah die Schlucht aus wie eine klaffende Wunde, welche von einer titanischen Axt in das gemarterte Fleisch der Erde getrieben wurde.
Bevor er mich am Hafen absetzte, brachte er mich noch zu den Lenge-Werften, wo die traditionellen Barken der Einheimischen seit wohl gut drei-, vierhundert Jahren gebaut werden. Hierbei handelt es sich wirklich um schöne Boote mit geschwungenem Rumpf und einer liebevoll gestalteten Reeling am Achternaufbau. Da will man am liebsten gleich ablegen, eine Hand am Ruder, and now… Bring me that horizon!
Meinem Chauffeur schien es nichts auszumachen, dass ich ihn nicht verstand, denn er quasselte wie ein Buch mit tausend von rechts nach links Farsi-Seiten und erzählte mir Geschichten. Abwechselnd zuckte ich mit den Schultern (mit die wichtigste Geste beim Reisen, will solide geübt sein) und nickte unbestimmt.
Ein liebevoller Familienvater, sein Sohn war auch dabei, aber als ich mir eine gedreht hab und er meine Papes entdeckte, wollt’ er gleich mit mir Haschisch kaufen gehen.
Loift. So, und jetzt kann die Reise sahnehaubig beginnen.
Komm schon Iran. Zeig, was Du drauf hast!
————————-
Bitte umblättern: Der Nachtigallen Trauer…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht