Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: The San Cristóbal…
———————————————–
Wie bin ich nur in diesen Schlamassel geraten?…
Und wie kann er die Frechheit besitzen, mir auch noch etwas beibringen zu wollen? –- Wie zur Hölle soll ich das alles auf einen Punkt bringen? Braucht‘s das überhaupt?
…Alles, was ich in Wirklichkeit brauche, ist ein Hebel, wo ich ansetzen kann, einen Halt, an dem ich mich entlang hangeln kann, einen Schalter im Dunklen-
Halt! Schalter ist das richtige Stichwort.
In diesem Moment befinde ich mich an einem Ort, den ich doch vor ein paar Tagen erst verlassen hatte, wie es scheint. Noch vor ein paar Wochen hätte ich mir nicht träumen lassen, bereits wieder auf dem Sofa meiner alten Heimat auf der Schwäbischen Alb zu sitzen. Saß ich nicht gestern noch an einem idyllischen See auf der anderen Seite der Welt?
Es ist verwunderlich, wie einen das Leben, oder vielmehr seine in den Schatten verborgene Kehrseite, grade so im Vorbeigehen und doch mit der Wucht eines Hammerschlags auf einen völlig anderen Pfad führt:
Aufgrund eines familiären Notfalles musste ich nämlich meine Reise für einige Wochen unterbrechen und nach Hause zurückkehren.
Doch werde ich an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen, da es mir beileibe nicht angebracht erscheint. Verzeiht mir also, wenn ich es denn bei einigen mysteriösen Andeutungen belasse, denn nichtsdestotrotz bietet ein derartiges Ereignis interessanten und wichtigen Erzählstoff, an dem ich nicht ungeachtet vorbeigehen will.
Aber ich sprach von Hebeln und Schaltern. Als ich im Bus saß von Guatemala City nach Flores, da fühlte ich mich ganz eigenartig, seltsam… friedlich und gelassen. Es war, als ob sich in mir eine neue Tür, eine bisher verborgene Pforte aufgetan hätte.
Das heißt, das stimmt so nicht ganz.
Ich habe sie immer gespürt, instinktiv gewusst, dass sie da ist, aber bis zu jenen Tagen blieb sie für mich verschlossen, verschleiert und von einem unantastbaren Bannspruch belegt. Doch am Ende nicht gänzlich unerreichbar, denn endlich! endlich habe ich wie durch Zauberhand den passenden Schlüssel gefunden.
Manchmal muss man gar nichts Neues lernen, um auf seinem Weg voranzukommen. Manchmal reicht lediglich eine kleine Erinnerung, ein sanfter Schubs in neuem Kleid, mit anderen Worten.
Es ist, als ob sich eine innere Schleuse, bis dahin verbarrikadiert von einem eisernen Riegel aus Angst und eingefahrener Gewohnheit, geöffnet hätte, die bisher unzugängliche Gefühlswelten zurückhielt wie ein Staudamm die Fluten der Schneeschmelze im Frühling.
Gewiss, es handelte sich hierbei um einen Schutzmechanismus, um unliebsame und möglicherweise zu heftige Gefühle abzuwehren, der vielleicht sogar mal einen Sinn hatte.
Und dennoch, auch wenn es unschöne und ungewollte Emotionen sind, die uns zuweilen überfallen, gehören sie doch zu unserem Erleben wie die Finsternis zum Licht, oder etwa nicht?
Wer käme denn auf die verschrobene Idee, das eine zu preisen und das andere im gleichen Atemzug zu leugnen? Da muss man ja schizophren werden.
Nun, ich zum Beispiel. Irgendwann hielt mein Unterbewusstsein diesen Schachzug wohl für eine besonders geschickte Idee, zu der mein Ego ihm lautstark applaudierte.
Nach und nach jedoch kam ich auf den Trichter der Tatsache, dass diese trickreiche Strategie a) eine tickende Zeitbombe darstellt und b) mir folgerichtig nur die Hälfte aller möglichen Erfahrungen und Lernfelder menschlicher Existenz erlaubt:
„Und, wie war Dein Leben so?“
„Naja, so semi.“
Im Ernst, wer gibt sich denn mit einem Stück zufrieden, wenn er die ganze Torte haben kann? Sicher, das kann einem schon mal Magenschmerzen bereiten, aber ist sie nicht verdammt lecker? Und wenn man nicht aufpasst, kriegt man überdies einen seelischen Sonnenbrand ab, der einem langsam aber sicher das dicke Fell über die Ohren zieht.
Und danach ist alles öd, vertrocknet und tot.
(Reichen diese Metaphern? Weil, das wäre eine fantastisch subtile Überleitung.)
Außerdem gleicht das ganze in etwa dem Versuch, mit einem hölzernen Schild eine Supernova im Zaum halten zu wollen. Selbst wenn man es denn entgegen aller Erwartung lange genug schafft, bekommt man ziemlich wahrscheinlich am Ende davon Krebs.
Nein, danke. Aber das ist leicht gesagt.
Wie gesagt, gewusst habe ich um diesen Umstand schon eine ganze Weile, ja, ich konnte die granitenen Festungsmauern in mir beinahe sehen, aber wie zum Teufel soll ich sie einreißen, wenn ich lediglich einen Kupferkeil zur Hand habe?
Kennt Ihr das, wenn Ihr auf ein fremdes Klo gehen wollt und in der Dunkelheit verzweifelt sämtliche Wände nach dem Lichtschalter absucht?
So in etwa, nur über Jahre hinweg.
Und endlich, durch eine Verkettung sehr glücklicher und unglücklicher Umstände, halte ich ihn endlich in Händen, den silbernen Schlüssel zur verborgenen Pforte meiner ganz eigenen Unterwelt, und verfüge zudem über den Mut (oder die Torheit, je nachdem), ihn auch zu benutzen.
Trompeten erschallen klar und hell, auf gehen die Tore mit rostigem Knarzen und ohrenbetäubendem Knall, die Sonne strahlt blendend hervor und der Schmerz wallt über mich wie eine reinigende Sintflut und reißt mich mit!
Erst drückt, zieht, sticht und kratzt es ganz fürchterlich, aber dann merke ich, wie eine unendlich mächtige Woge aus nicht einmal unangenehm kribbelnder Energie über mir zusammenschlägt. Vor Schreck sauge ich schnell und ruckartig die Luft ein, ich zucke zusammen wie unter einem gleißenden Blitzschlag – doch im nächsten Moment verpufft die gewaltige Explosion aus bitzelnder Ekstase, die mich taumeln ließ, und hinterlässt… nichts.
Nicht die geringste Spur. Ich bin vollkommen ruhig. Ich bin überall und nirgendwo. Ich… bin. – Eigenartig.
Zumindest so lange, wie ich es schaffe, die Schleusen zu diesem emotionalen Kerker offen zu halten, alles eine Frage der Konzentration.
Doch lasst mich Euch nun noch etwas mehr von Verkettungen und seelischen Bränden berichten…
————————-
Bitte umblättern: Wie innen…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht