Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Psychologisches Traktat…
———————————————–
Jedoch war ich immer noch keinen Schritt weiter, ob ich jetzad nach Santa Cruz oder nach San Juan wollte oder sollte. Am Ende war es mir jupps, es sollte nur so ruhig, langweilig und gringoleer wie möglich sein.
Nun, das „Iguana Perdida“ in Santa Cruz klang mir eher wie ein Partylon und war sowieso ausgebucht, also machte das „Mayachik“ am Rande von San Juan mein Rennen, obwohl ich ganze 700 Meter vom Anleger praktisch zu Fuß zurücklegen musste, weil ich die 57 Tuk-Tuks beharrlich ignorierte, die am nächsten Tag an mir vorbei dackerten. Aber immerhin wurde mir so die Entscheidung abgenommen, und ich landete im
Jackpot Baby!!! Yesssss! Genau das, was ich brauchte und wollte. Merci Dir und küss’ die Hand, Destiny.
San Juan entpuppte sich als genau das verschlafene Kaff, das ich mir nach all den Fährnissen und Entbehrungen so sehnlichst gewünscht hatte.
…Hey! Im Prinzip bin ich seit meiner erneuten Ankunft in fucking Cancun an keinem Ort länger als vier Tage geblieben, eine für mich wangenklatschend absurde Reisegeschwindigkeit, bei der sich selbst der Millenium Falcon vor Selbstzweifeln in ein Stop-Schild verwandelt hätte.
Das Mayachik war ein bezaubernd verwunschener Garten mit strohbedeckten Hütten aus Naturstein, Lehm und Holz, die sich gemütlich darin kuschelten. Da wuchsen Bananenstauden und Kaffeebäume, es gab Beete mit Oregano, grünem Tee, Ananas und anderen Kräutern und Gemüsen, Eco-Toilets sowie einer eigenartigen Apparatur, deren Sinn und Zweck mir verschlossen blieb, weil ich blöderweise vergaß, Olivia (aus Wien) danach zu fragen. Ge biitte!
Jedenfalls, da war ein Plastikfass mit einigen ominösen Vorrichtungen, die in mir den Eindruck erweckten, als ob da drin nicht etwa Früchte oder Ähnliches vergoren wurden. Das Ganze war jedoch angeschlossen an ein feststehendes Fahrrad, mit dem also irgendwas da angetrieben werden konnte, sofern sich jemand erbarmte, sich auf den Sattel zu schwingen.
Eine seminukleare Biogasanlage? Mierda, no se.
Mit schlapp geschnippsten 50 Quetzales mithin also die mit Abstand günstigste und zur gleichen Zeit gemütlichste Bleibe meiner ganzen bisherigen Reise. Lediglich beim Anblick der Speisekarte sog ich scharf die Luft ein und rümpfte meine sonnenverbrannte Nase. Aber das hier war ja nicht Semuc Champey, hier gab es Alternativen in Schlurfnähe, von denen ich noch genüsslich berichten werde.
Und als wäre das noch nicht genug, unterstützen sie auch Dörfer im Hinterland von Atitlán, die bisher vom Tourismus und seinen Einkünften verschont geblieben sind. Nachhaltig, ökologisch und sozial, sämtliche Brandzeichen einer neuen Ära lodern in den Bannern dieser honigsüßen Einrichtung. Und nett sind sie obendrein auch noch und so gar nicht verkniffen idealistisch oder zähneknirschend dogmatisch.
Gute Arbeit Leute, weiter so!
Ein himmlisch abseits und ruhig gelegener Rückzugsort, wären da nicht die infernalischen Legionen aus Straßentölen und heillos übermotivierten Wachhunden gewesen, die mit ihrem herzzereißenden Jaulen und Kläffen die nächtliche Stille zerschredderten wie ein Rudel osteuropäischer Werwölfe bei Vollmond.
Wie schön, wenn das maschinengewehrartige Bellen endlich nachließ und die Grillen ihr zirpendes Lied von neuem anstimmten. In der Ferne erklang Gelächter, viel schöner als der grauenhaft schiefe Gesang aus der benachbarten Kirche; kein Wunder, dass die Hunde lauthals protestierten.
Die Biester schienen sich mit der allgegenwärtigen Tuk Tuk-Plage um die absolute Mehrheit im Straßenparlament zu streiten, sowohl zahlenmäßig als auch akustisch. Tagsüber jedoch regierten eisern die roten Legionen der blechernen Ameisen.
Trotz dieser Gefahren für Leib und Gehörgang verbrachte ich überraschend wenig Zeit in meinem Hexengarten, da ich eine ganze Woche lang vollauf damit beschäftigt war, meinen Lieblingstätigkeiten nachzugehen:
Lesen, Schreiben, schauen, sitzen, liegen, das Ganze sachte gewürzt mit einigen wohlfeilen Spaziergängen durch die Straßen und Gässchen, während derer ich gleichzeitig die einschlägige Comedor- und Café-Landschaft erkundete an einem Ort, dessen einzige Sehenswürdigkeit in einer bescheidenen, steinernen Kirche in der Dorfmitte bestand.
So verliebte ich mich vom Fleck weg in das winzige „Las Marias“, in dessen dunkelhölzerne Gemütlichkeit gerade mal zwei Tische passten, zusammen mit einer Barnische, welche die unterschiedlichsten Utensilien zum Zubereiten von sagenhaft leckerem Kaffee beherbergte und in die sich der wohlbeleibte Eigentümer seitlich hineinzwängen musste.
Die bunten Fliesen zwischen der urigen Holzvertäfelung erinnerten mich leise wispernd an die fabelhaften Kunstwerke, die über die iranischen Moscheen flossen wie ein farbenspeiender Blumenteppich über eine Oase in der Wüste.
In der Tat, der schüchtern sympathische Barista verfügte über marokkanische Wurzeln.
Der Clou in diesem überaus gefälligen Ensemble bestand darin, dass es sich im zweiten Stock eines winzigen Hüttchens befand mit Blick auf den See und die ihn umgebenden Hänge, halb verborgen im diesigen Zwielicht des staubtrockenen Dunstes, der im Lauf des Tages stetig zunahm und die Sicht auf dieses hoch gelegene Paradies aus fein geriffeltem Wasser und drohend aufragenden Vulkankegeln zunehmend verschleierte.
Vielleicht der einzige Wermutstropfen, wenn ich an jenes kristallklare Gemälde zurückdenke, das der Ausblick von Panajachel Ende vergangenen Jahres auf meine Netzhaut zeichnete. Genausogut hätte diese Erinnerung aus einem anderen Leben stammen können.
Je früher am Tag, desto klarer also die Sicht und desto wacher die vormaligen Eindrücke meiner ersten Stunden in Guatemala. Wie schön waren demnach jene goldenen Momente mit Patricia in den frühen Morgenstunden, als wir frischgebacken von einem betörend galanten Sonnenaufgang vom hohen Aussichtspunkt auf der „Indian Nose“ zurückkamen…
————————-
Bitte umblättern: Pickel & Nasen…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht