Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Wellblechdekadenz…
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Das ist schon abgefahren. Wenn man so etwas auf regelmäßiger Basis sieht, da kann man sich leicht vorstellen, dass einige Leute die Nerven verlieren, religiös werden und anfangen, von feuerspeienden Drachen und eifersüchtigen Donnergöttern zu quasseln.
In der Tat, nach solchen Abenden am Strand von Big Corn wusste ich, wie Mythen entstehen: man spürt die Schöpfung wie ein brennendes Stück Diamant in der Kehle.
Heiliger Apfelstrudel, ist das zu fassen? Ich wusste ja bereits, was das berüchtigte Inselklima mit Wolken zu machen imstande ist, aber sowas… Unsterbliche Lords von den Sternen? Kein Zweifel, schau doch hin.
Kennt Ihr das im übrigen? Da gibt es diesen magischen Moment während Sonnenuntergängen, und zwar nachdem sie schon eine geraume Weile hinter dem Horizont verschwunden ist und die Farben immer mehr verblassen. Da kommt dann irgendwann der Moment, wo man denkt, das war’s und will schon gehen, bevor es langweilig wird.
Das jedoch wäre ein schrecklicher Fehler, vor allem so denn ein paar unschuldige Wolkenfetzen über den Himmel ziehen. Denn wenn man dann noch ein paar Minuten wartet, kann es sein, dass der Himmel plötzlich in Flammen steht und man unweigerlich das Gefühl hat, Gott nackt zu sehen.
Ja, den Spruch habe ich von meinem revolutionären Companero in Tisey geklaut, aber das ist mir egal, weil er passt einfach zu gut, um ihn nicht herzunehmen. Und ich habe es hiermit zugegeben und gleichzeitig einen Salut in seine Richtung abgefeuert, alles shiny.
Aber nicht einmal das war es. Nicht einmal das.
Das wirklich Verrückte daran ist: Egal, wie hinreißend, entzückend und wunderschön ein Ort auch ist – aber je mehr Tage ins Land dümpeln, desto stärker tritt selbst da ein geradezu erschreckender Gewöhnungseffekt ein.
So man diesem nicht zum Opfer fallen will, muss man sich täglich immer wieder selbst mental ohrfeigen und ins Gedächtnis rufen, wo man sich -Hallo??- gerade befindet und wie geil das eigentlich ist. Andernfalls ist man verdammt, auf Gedeih und Verderb.
Und selbst dann, irgendwann kann man einfach nichts mehr aufnehmen. Da scheint es so eine Art nervale Sicherung zu geben, die im Normalfall einen Overload verhindert.
Pah! Aber was kümmert mich der Overload? Denn ich bin der Overlord!
…Und dann merke ich, dass ich mitten inmitten eines Palmenwaldes stehe mit Spalieren aus elegant geschwungenen Stämmen, die hoch droben in dieser so klassischen, so kitschigen und nichtsdestotrotz göttlichen Fächerkrone enden mit prallen Kokosnüssen in ihrem aussichtslosen Kampf gegen die Schwerkraft…
…Und mir bricht schon wieder fast das Herz.
Denn so langsam pirschen wir uns an den Kern des Straßenpudels heran, Kameradinnen und Kameraden, der aufgeregt springende Punkt an der Kristallwaage nämlich versteckt sich nicht unter der Schale jener nahrhaften und überaus gesunden Früchte, er versteckt sich nicht zwischen den Milliarden Sandkörnern oder in der schäumenden Gischt der Brandung, sondern ganz bodenständig und nonchalant im Dickicht der hiesigen Dschungelwälder.
Denn als ich einmal um „El Bluff“, das südliche Kap von Big Corn herumwanderte im Schutz von Ranke, Wurzel und Blatt, da kam ich mir schon ein bisschen vor wie Guybrush Threepwood auf der Suche nach dem Schwertmeister:
„Hinter Dir, ein dreiköpfiger Affe!“ –- „Das wird Dir nichts bringen.“
Und dort, von allen möglichen Winkeln dieser bezaubernden Inseln womöglich der unscheinbarste und unwahrscheinlichste, traf mich mein ganz persönlicher
Fluch der Karibik.
Im Ernst, das ist kein parakreativer Magerquark, es passt wirklich so oberflächlich und offensichtlich wie die Faust auf’s Auge, denn endlich, endlich! weiß ich jetzt, was mich an „Monkey Island“ und den „Pirates Of The Caribbean“ seit jeher so fasziniert hat.
Tags darauf musste ich grad noch einmal dahin spazieren, nur um sicher zu gehen, dass sich das Universum tatsächlich keinen billigen Scherz mit mir erlaubte.
Und es war… gaaanz, ganz eigenartig. Obwohl ich den Weg schon einmal gegangen war, entdeckte ich neue Dinge. Neue Wege und halb versteckte Pfade, neue geheime Orte. Doch ich spürte genau das Gleiche. Etwas Tiefes, etwas Starkes, etwas Altes. Es war, als kannte ich diesen Ort von irgendwo her, als ob ich hier schon einmal gewesen war oder gar gelebt hätte,
„a feeling as if in some state, less visionary than a dream, in some past real existence, I had seen all I saw, with precisely the same feelings as I now beheld them – as if all my sensations were a duplex mirror of a former revelation.“
(Mary Shelley, „The Last Man“)
Das war ein ähnlich unheimliches Gefühl wie auf der Cosmic Convergence oder damals nach meiner Ankunft in Hyderabad oder, wiederum, Beijing: eine Art umgekehrte Sehnsucht, das Gefühl von Heimweh, obwohl man eben nach Hause gekommen ist.
Sehr seltsam ist sowas.
Da waren Steine im Wald.
Eine überwucherte Talmulde, Lianen wie riesige Spinnennetze, Palmen, Bananen, ein Baum mit hübschen lila Blüten, helle Sonnenflecken auf dem sandigen Boden, übersät mit vertrockneten Blättern. Ein Feld voller Baumstümpfe, amputierte Gerippe, tot, ich befand mich auf einem Friedhof.
Dieser Ort ergriff mich, ich spürte… Bedauern, Mitleid, Schmerz. Ich hatte den Drang, Trost zu spenden und mich gleichzeitig zu entschuldigen. Mächtig und berührend war das. Das alles macht vielleicht keinen Sinn und mag demgemäß absurd klingen, aber so fühlte ich mich nun mal auf diesem verzauberten Stück Erde mit all seinem zärtlich vergangenen Schmerz.
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Bitte umblättern: Gedankendomino…
*rülps*
Form wahren, Peter Pan! — Prost.
Ahhh, mein liebster Reisender, ich sehe Sie befolgten meinen Rat und fügten einige pro domo Verweise in Ihr Epistel. Wohl denn, habe ich auch unverzüglich Veränderungen feststellen können, in manierlichem Sinne. So hat sich die Faktenlage Ihrer Netzpräsenz mit sogenannten Schlüsselworten angereichert. Das ist gut, lieber Schreiblerling, ausgezeichnet. Alldieweil, benötigt Ihr Manuskript mehr von diesen dienlichen Propositionen. Immer weiter, Herr Literat.
Im Übrigen ist die Freude über Ihr baldiges Erscheinen in Mannheim bei dem Fräulein Tochter und meiner Person ungebrochen.
Wie sagte bereits Goethe: „„Das freundliche Mannheim, das gleich und heiter gebaut ist.“
Ihnen wird es vortrefflich hier gefallen, in der unwiderstehlichen Residenzstadt der Kurpfalz.
Vorzüglich, vorzüglich, Verehrteste! Sobald sich mir die Gelegenheit erschließte, gelobe ich gleich und heiteren Sinnes der Kurpfalz meine bescheidene und dienliche Aufwartung zu machen. Eine manierliche Netzpräsenz erscheint mir dahingehend besonders trefflich, herzlichsten Dank. Überdies ergebenst.