Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Abschiede im Morgengrauen…
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Awassa war ziemlich entspannt.
Jon hieß er glaub’ ich. Mein Sitznachbar. Der, dem sie den Rucksack geklaut hatten. Tststs, na, immerhin lieh ich im mein Smartphone ab und zu, damit er mal eine Nachricht verschicken oder jemand anrufen konnte, während wir uns auf der Fahrt dorthin langsam und vorsichtig kennenlernten.
Nach etwa fünf Stunden stiegen wir an einer zentralen Hauptstraße der Kleinstadt südlich von Addis Abeba aus und suchten uns ein „bajaj“; sehr sympathisch im übrigen, denn dort gibt es unsere allseits geliebten und gefürchteten Tuk-Tuks, und zwar in blau-weiß.
Erst wollte mich der Pendler Joshua in ein Hotel schleppen, wo er standardmäßig unterkam zu der Zeit und entschied, dass sowohl dessen Komfort als auch die Reinlichkeit der Bediensteten dem Range eines „ferenji“ in etwa gerecht wurden, aber mir war es zu kahl, zu businessmäßig auf knochenweißen Hochglanz gebohnert und ein kleeeeein wenig zu teuer.
Stattdessen landete ich im namenskräftigen „Circle of Life“-Hotel, fast oder praktisch am Seeufer gelegen. Aber dazu gleich.
Die Straßen wurden noch immer vom Timkat-Fieber geschüttelt, von daher war es eine prickelnde Wohltat, in den überquellenden Garten der Unterkunft einzutauchen, wo die Soundanlagen im Mob draußen von kapriziösem Vogelgezwitscher abgelöst wurden.
Bilder stiegen in mir auf von ähnlich friedvollen Oasen in Guatemala; am besten passt jedoch wohl Palenque im Süden Mexikos. Vielleicht war es dem Namen oder der Zimmerauslegung nach kein Hostel, aber es fühlte sich definitiv nach einem an.
Spätestens nach meinem Check in mein schlichtes, jedoch gemütliches Zimmer „Bahir Dar“, als Elvis aus Burundi vor mir stand, in der behutsam geöffneten rechten Handfläche ein paar Krümel Gras, und mich unterwürfig um ein paar Papes bat.
„Oh je, Du Armer, da schau her.“ Das war ein Rasta mit derart plattgedrückten Dreads, dass es durchaus gewollt aussah und der mich sogleich unter seine Fittiche nahm. Wir quatschten den ganzen restlichen Tag nach meiner Ankunft. Gelegentlich spickte auch sein äthiopischer Kumpel Kitajo aus seiner Bude.
Das verließ der aber auch nur alle paar Tage, weil, er musste eine Dokumentation für das Hotel fertig schneiden, was er stets gern betonte und augenscheinlich kein Ende nehmen wollte. Ein vergeistigter und vergesslicher Schrat, der nicht ganz in dieser Welt zu driften schien.
Wohlan, augenscheinlich zumindest gut genug, als dass er seinen Free Food & Accomodation Deal nicht doch vorzeitig platzen lassen wollte. Deswegen war er eben immer am „fertig“ schneiden. Ich wusste ja gar nicht, dass man für einen Zehn-Minuten-Beitrag Wochen für braucht!
Ge. Aber wahrlich, beim Circle of Life handelte sich nicht um ein gewöhnliches Guest House, da die Besitzerin zudem ein Projekt für obdachlose Kinder ins Leben gerufen hatte, die direkt nebenan wohnten. Bis zu jenem Zeitpunkt hatte sie bereits an die 90 Kids von der Straße geholt. Mach’ das erstma nach, Digger.
Vor allem im Layout des Gartens und vor allem in der himmlischen Qualität meines King Size-Bettarrangements konnte man recht deutlich eine erfahrene, europäische Hand ausmachen, die wohl ein bisschen herum gekommen sein mag. Das Moskitonetz hatte nur ein paar Löcher, kaum der Rede wert, ein erfahrener Schneider hat das in zwei Wochen wieder zusammengenäht.
Bah, acht Euro, easy brother.
Jener Ort war im Prinzip ein Mikrokosmos von Awassa, ein entspanntes und zurückgelehntes Städel am Ufer des gleichnamigen Sees, an dessen malerischem Dritte Welt-Ufer man sogar gepflegt und herrschaftlich entlang flanieren konnte.
Das war nur das erste Exemplar einer ganzen Seenlandschaft im sogenannten „Rift Valley“, einem Teil des Afrikanischen Grabenbruches, zu dem meines Wissens auch die charakteristisch lang gezogenen Tanganyika- und Malawi-Seen gehören. In Äthiopien gab es eben nicht nur einen, sondern mehrere kleine entlang dieser – Riftzone. Starker Fachbegriff, wie?
Arg viel mehr gab es auch nicht zu sehen, bis auf das durchaus einzigartige und elegante Sidamo-Denkmal im Stil eines eingerollten Bananenblattes und vielleicht die dahinter liegende Kirche, an der man gut einmal vorbeigehen kann.
Man war einfach dort.
Heute vielleicht mal ein neues Restaurant oder Straßencafé ausprobieren? Oder ist das zu krass? „Chigarilo“, denn hier wandern die Essenspreise leicht einmal unter die Ein-Euro-Marke. Was meinen Hunger freilich wie einen Blasebalg anfachte. Da leiste ich mir doch noch einen von diesen köstlichen bunnas (Espresso, remember?) für umgerechnet fünfzehn Cent.
Eselskarren durchstreiften die Straßen, sicher gelenkt von ihren aufrecht stehenden Besitzern. Das Knattern von Motorrädern erfüllte den Raum, und üppiges Grün verlieh dem ganzen Melée ein warmes, lebendiges Gefühl. Die Minibusse wurden dort von den wendigen bajaj’s verdrängt, die sich mitotisch zu teilen schienen.
Kinder wurden manches Mal von ihren Müttern ausgeschickt, sie bettelten um ein paar Birr. Die Affen dagegen holten sich, was sie wollten. Kein Scheiß, dem Dario, einem nur leicht autistischen Italiener aus Florenz, der einen Tag nach mir eintraf, dem haben sie sein Marihuana geklaut.
Die wissen Bescheid, die Viecher, die kennen sich aus.
Und viele bunte Vögel gab es da, vor allem zwischen dem Schilf am See, und alles zwitscherte und trällerte, als ob soeben der allererste Frühling im Morgengrauen unserer frisch geschlüpften Welt angebrochen wäre. Das Klima war merklich wärmer und drückender als in Addis.
Ab und zu besuchten wir die schwarz-weißen Colobus-Affen im Park mit ihren drolligen, langen Schwänzen und lockten sie mit altem Brot von dem Bäumen herunter. Das hat Spaß gemacht, aber ich glaube, ich sollte mal Zähneputzen…
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht