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Überdruss

Am sechsten Tage dann wusste ich, dass es Zeit war, abzureisen.
Nachdem ich vor fermentierten Getreidefladen und Kaffee fast überlief, bestellte ich mir im Adob aus lauter Überdruss einen Fruchtbecher.

Eigentlich wollte ich ja zunächst ins sagenumwobene Awra Amba ziehen, aber quasi im letzten Moment noch änderte ich meinen Schlachtplan. Auf dem Rückweg von meinem morgendlichen Shorewalk kam ich an einem Büro vorbei mit der Aufschrift „Ethio Backpacker“ in großen, freundlichen Buchstaben und leuchtend grüner Wandfarbe.

Warmes Licht

Gewohnheitsmäßig beschleunigte ich zunächst meine Schritte und wollte beherzt daran vorbeigehen, doch aus den Augenwinkeln schien es mir, als ob von der Seite her ein warmes und helles Licht aus seinem Eingang leuchtete, das mich sanft zum Verweilen einlud. Hm.

An jenem Tage jedoch ging ich tatsächlich daran vorbei, doch nahm ich mir vor, da noch einmal nachzuhaken und der Sache auf den Grund zu gehen.
Tags darauf also bereitete ich mich innerlich sorgfältig auf das Verkaufsgespräch vor, rückte meine Energiezentren zurecht, überwand meinen antrainierten Widerwillen und betrat vorsichtig und bedacht die Tour Agency.

Gesalzen

Das einzige, was mich wirklich interessierte, war eine kurze, dreitägige Wanderung durch die Simien Mountains, das Highlight in Äthiopien und mit 180 Öcken im Schnitt dermaßen gesalzen, dass selbst ein verliebter Koch zum Speim anfängt.

Einheitlich

Als Gashaw, der Eigentümer der Tour Company, zunächst denselben Preis verlangte, wollte ich mich schon umwenden und endgültig das Handtuch werfen: Na gut, hatte ich mich dieses Mal eben geirrt.
Immerhin, wenigstens gelten einheitliche Wucherpreise, hat man ja auch nicht oft.

Doch im letzten Moment wagte ich einen letzten, verzweifelten Vorstoß und fragte mit dem zuckersüßesten Lächeln, das ich aufzubringen imstande war, nach einem Discount.

Händel

Und siehe da! Nach einigem Zögern bot er mir wirklich und wahrhaftig 150 an! Ha, und wenn mir das noch nicht reichte, ja, dann wüsste er noch einen ganz besonderen Handel mit mir einzugehen und würde lediglich 130 Euro inklusive allem, was man nur in solch eine Tour inkludieren könnte, von mir verlangen, so ich es denn in mir fände, ihm eine ansprechende Bewertung bei tripadvisor zu geben.

Nun, sprach ich, so mir denn die Tour in Wirklichkeit gefalle und ich darüber nicht das Lügen anfangen müsste, so würde ich dies mit Freude im Herzen tun und überdies gar tolle Marketing-Scherze treiben.
Dergestalt schlugen wir ein, und der teuflische Pakt ward geschlossen.

Verheißungsvoll

Glücklich und beschwingt leerte ich meinen bunna und trat in den strahlenden Tag hinaus, die Simien-Berge leuchteten nun klar und verheißungsvoll in meinem Geist, der äthiopische Kibbuz musste da leider warten.

Ducken

In der Tat wollte ich möglichst bald mit der Wanderung beginnen, denn mit dem vorsichtigen, doch dräuenden Heranrücken der Regenzeit würde das Wetter da oben sicherlich nicht besser, wenn auch vielleicht etwas wärmer werden.

Im Anschluss erwies ich noch eben dem örtlichen Markt meine Ehre, der sich in seinem Chaos, dem sich stapelnden Müll und der verwirrenden Anzahl und Vielfalt an Gerätschaften und menschlichen Körpern kaum von anderen unterschied. Die niedrigen Plastikplanen der Stände schienen sich unter der sengenden Schwerkraft zu ducken, als ob der Himmel selbst sich darauf wälzen wollte.

Berge

Das eine oder andere Bäumchen jedoch, sowie die beeindruckenden Berge aus Zwiebeln, Knoblauch, Tomaten und Kohl, die mit den bunten Gewürzpyramiden wetteiferten, wer von ihnen dem Universum wohl am nächsten sein möge, verliehen dem vielfarbigen Treiben einen hübschen Anstrich.

Bäumchen

Aber meine Suche nach einem aussagekräftigen und mit Witz und Charme versehenen T-Shirt verlief, wie zu erwarten, auch dort erfolglos. Genauso wie mein verzweifeltes Streben nach einer Ledersandale.

Das war hoffnungslos, gnadenlos geradezu! – Alles war „los“.
Entweder, es gab sie nur mit diesen dreimal verfluchten Flip-Flop-Stegen, die ich leiden kann wie eine Mandelentzündung, oder sie waren allesamt aus Plastik, wo einem nach Sekundenbruchteilen die Füße stinken wie eine Romadour-Fabrik.

Windig

Das einzige Paar nach Vielhunderttausenden, die ich einer eingehenderen Untersuchung für würdig befand, kostete mithin zwanzig Euro.
Es tut mir leid, aber nein danke. Die krieg’ ich daheim auf dem Tollwood günstiger, so ungefähr. Naja, nicht ganz, aber Ihr versteht.

Kuss der Zeit

Blutenden Herzens hatte ich soeben einen Gutteil meiner Schatzkiste für eine geführte Wanderung entleert, da konnte und wollte ich einen derart obszönen Preis für ein Paar windige Schlappen nicht aufbringen. – Nie! Nie!

Mein blutend Herz ist im übrigen eine ganz hervorragende Überleitung zum nächsten Kapitel meiner großen Reise durch das alte Abyssinien.
Warum, das erfahrt Ihr das nächste Mal. Oder das übernächste. Oder das darauf:
Wer kann es wissen, die Zukunft wird es missen – und die Zeit küssen…

Gerätschaften

Shorewalk

Anstrich

Blutend Herz

Bunnas leeren

Missen

Besuch

Wissen

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