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Festung

Die Ebene vor Mekelle wurde nun wieder zusehends bergiger und noch kahler, eine Gegend, die mich an das Atlas-Gebirge erinnerte vor langer Zeit in einem Marokko, das mir lieb und teuer in Erinnerung schwebt. Hoch aufragende Schlösser und Festungen aus schroffem Gestein erhoben sich wie Wachtposten um die Stadt Adigrat, wo wir ein schnelles Frühstück einnahmen.

Schrauben

Wie der Bus schraubte sich meine Laune gemächlich in die Höhe der vor uns liegenden Gebirgszüge, als wir uns schließlich für das letzte Stück des Wegs nach Westen wandten. Axum war nun nicht mehr weit.

Was dann geschah, war wie ein Traum.
Nein. Es war, als ob ich wie Dornröschen endlich aus einem langen, dumpfen Dämmerzustand wieder erwacht sei und: „hrummm, hrummm, kommt meine Freunde!“

Wie ein Traum

Ich brachte es nicht übers Herz, meine Kamera auszuschalten.
Warum auch, ich hatte doch meine vor Saft und Kraft strotzende Powerbank sowie eine zweite, voll ausgeruhte und höhentrainierte Speicherkarte griffbereit und at the ready!
Denn Kehre um Kehre, Haarnadel um Haarnadel, taten sich neue und unglaublich schöne Täler vor meiner chronisch sonnenverbrannten Nase auf, und Berge, Berge, Berge!

Chronisch

Dabei rieb ich sie liebevoll und beinahe regelmäßig mit einer veganen und nano-freien Meeressonnencreme (in einem Land ohne Küstenstreifen) ein, Lichtschutzfaktor 50+. Dafür jedoch wies sie ziemlich viele komische und chemisch lautende Inhaltsstoffe auf. Naja.

Da muss ich mal meine Schwester fragen, die hat so seine App, die kann den Strichcode lesen und dann sagen, ob das wirklich ein verantwortungsvolles, selbstbewusstes und nachhaltiges Produkt ist oder gestreckter Biokäse.

Höhenlinien

In der Tat, es schien im ganzen Land kaum eine Ecke zu geben, die nicht spektakulär oder zumindest so beeindruckend aussah, dass ich am liebsten in voller Fahrt ausgestiegen wäre. (Selbstverständlich wäre das reiner Wahnsinn gewesen, liebe Oma, und deshalb habe ich, wie immer, den Zug genommen.)

A propos, die Hänge waren durchgehend und ohne Unterbrechung mit Terrassenfeldern verziert, deren Grenzmauern aus grob behauenen Steinen aussahen wie gigantische Höhenlinien, die ein größenwahnsinniger – und arbeitsloser – Kartograph in die Landschaft gemeiselt hatte. Das hätte dann aber schon einer vom Kaliber Humboldts gewesen sein müssen, fürwahr.

Verteidigung

Auch die vereinzelten Gehöfte waren mit hohen Steinmauern umgeben, die mir ein wenig vorkamen wie eine Verteidigungsanlage. Die Bauern dort schienen ihr Stroh in flachen Baumwipfeln zu trocknen.

Terrassen, Bäume, Strohballen, ein umgekippter LKW: überall dasselbe Prinzip, nur in immer neuen Settings, die mir die Sinne schwindelten und kühn verzauberten.

Besser nicht

Ähnlich wie um Adigrat, nur noch prächtiger, reckten sich steile Felstürme stolz und anmaßend in die Höhe wie gestrandete Ungeheuer aus grauer Vorzeit. Einer sah tatsächlich aus wie die monströse Rückenflosse eines Wesens, dessen restlichen Körper man sich besser nicht vorstellte.

Dieser ganze Tag kam mir vor wie eine meisterhafte Symphonie aus Bildern und Eindrücken, die sich, langsam und vorsichtig erst, leise und zart wie die Moldau von ihrem Ursprung fortbewegt, um in der Folge unmerklich und doch stetig anzuschwellen…

Symphonie

…und schließlich, unter silbernen Fanfarenstößen und dem Geleit der gewaltigen Ambossschläge von Trommeln, in einem donnernden Crescendo sein furioses, triumphierendes Finale zu erreichen!
Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium…“ – Oder so.

Selbst das Ego war zufrieden, der alte Grantlhuber; früher hätte man so eine Gegend wahrscheinlich die „äthiopische Schweiz“ genannt.
Naja… vielleicht mit einer Prise Mexiko. Als wir in Adwa einfuhren, dem letzten Stopp kurz vor Axum, war ich fix und fertig, saß schwer atmend im Bus und war – fassungslos.

Unerbittlich

Daran gewöhne ich mich in Äthiopien wohl auch nicht mehr.
Selbst in seiner Schönheit war dieses Land schonungslos, unerbittlich und bombardierte den armen Reisenden täglich und stündlich! mit neuen Eindrücken, die wie ein Kometenhagel, wie eine Legion feuerspeiender Drachen durch den wirbelnden Raum meines in Flammen stehenden Gehirnes rasten.

Kraftvoll

Eindrücke, die so schwer und kraftvoll waren, dass ich wohl einige Lebensalter damit zubringen müsste, diese infernalischen Blitzgewitter zu verarbeiten.
Vollkommen fertig war ich; in der Art muss sich ein multipler Orgasmus oder ein Erweckungserlebnis anfühlen.

Als ich letzten Endes, nach alles in allem sechs weiteren Stunden auf dem dampfenden Teer in Axums traditionelle Traveller-Bude „Africa Hotel“ eincheckte und vorsichtig und mit brennenden Augen mein Zimmer betrat…,

Entladen

…da entlud sich endlich die ganze aufgestaute Freude und Energie in meinen Gliedern in himmelweiten Luftsprüngen, und ich befreite mich jodelnd und singend vom Ballast schier unerträglichen Glücks.

Zwar recht nüchtern, doch mit den saubersten und luxuriösesten Einrichtungen versehen, kostete mein Single gerade mal sechs Euro quetsch, wo ich sonst locker zehn oder mehr für hingeblättert hätte. Da kann man es gut mal ein paar Wochen aushalten; mal sehen, wieviel ich schaffe.

Erbaulich

Vor meinem Fenster entzückte ein kleiner, etwas verwahrlost wirkender und trotzdem irgendwie hübscher Garten das Herz, umgeben von hohen Balkonen sowie dem rosafarbenen und ockergelben Gemäuer des Hotels. Der abschließbare Wandschrank war zwar nicht begehbar, aber da ließe sich sicher noch was drehen.
Wo ist denn dieser scheiß Meisel?

Wohlan, die zweitägige Odyssee in den hohen Norden Äthiopiens in der Nähe der eritreischen Grenze fand somit ein zuhöchst erbauliches Ende.
Lass mal sehen, was man in Axum so alles anstellen kann.

Nach Westen

Um Adigrat

Atlas

Wachposten

Baum

Ungeheuer

Gemächlich

Karg

 

 

 

 

 

Felszacken

Garten

Haarnadel

 

 

 

 

 

Berge

Gehöft

Strohlager

 

 

 

 

 

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