Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Von Befindlichkeiten…
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Aber wohin? Der einzige Mensch, der mir in Matagalpa wirklich gefiel, war der Manager von „Martina’s Place“, einem entspannten und unprätentiösen Hostel, wo ich ein ganzes Dorm mit an die zwanzig Betten fast für mich alleine hatte. Erst am Abend checkte noch ein Amerikaner ein, der mir kurz vor dem Zubettgehen eine ganz unglaubliche Geschichte erzählte, aber das führt hier zu weit und ist eigentlich nicht von Belang.
Doch grade er war einer der Menschen, die mir von Bluefields eher abrieten- Schande auf sein Haupt!- und ernsthaft bezweifelten, dass ich es schaffen würde, an einem Tag nach El Rama zu kommen. Von dort ging es nur per Schnellboot weiter nach Bluefields, von wo aus die einzige und zuverlässig planmäßige Barke wiederum nur Mittwochs zu den Corn Islands rausfuhr.
Das Knifflige an meiner Situation war jetzt die relativ authentische Tatsache, dass es schon Montag war. Tell me why…
Das hieß, wenn ich es nicht schaffte, am Dienstag in einem Rutsch nach El Rama zu kommen, um dann Tags darauf die erste „Panga“ (=Lancha=Boot) um -hust- fünf Uhr morgens nach Bluefields und darüber hinaus dort um neun die Fähre auf die Inseln zu erwischen –
Dann müsste ich dort im Notfall eine Woche rumhängen, weil niemand, nicht einmal der große Gedankenozean des Raums, weiß, wann und wieso ansonsten etwas halbwegs Schwimmendes auf die Maisinseln fahren würde, sollte.
Und sooviel Zeit hatte ich dann doch nicht mehr zur Verfügung.
Keine Chance, nicht mit so vielen Unbekannten.
Bis ich auf einen Blog im web stieß, indem haarfein erklärt wurde, wie es doch funktionieren könnte. „Ha,
und hey: bis nach Juigalpa ist es eh der gleiche Weg wie nach Ometepe.
Von da ist es nicht mehr weit bis nach Rama, das heißt, in Juigalpa weiß ich auf jeden Fall, ob ich es noch bis dorthin schaffe. Und wenn nicht, dann fahr’ ich einfach weiter Richtung Lago Nicaragua, immerhin sind es auch Inseln, nur halt in einem See.
Also, dann schlaf ich doch ganz entspannt morgen aus, frühstücke in aller Ruhe, gehe zum Busbahnhof – und schau einfach, was dann so passiert.“
Voll geil. Sobald ich diesen Entschluss gefasst hatte und auf Destiny’s Trickster-Würfel vertraute, war ich glücklich und zufrieden, und ich wusste mit einer Bestimmtheit vom Ausmaß einer Naturkatastrophe, dass ich auf der richtigen Spur unterwegs war.
Es dauerte auch nicht lange, bis ich wusste, warum.
Um 10:20 Uhr stieg ich in den Bus nach Managua und war emsig guter Dinge, nur ein wenig genervt, dass ich landschaftlich gesehen mal wieder auf der falschen Seite saß.
Um 11:50 Uhr dann der kritische Umstieg in San Benito kurz vor Managua. Geht noch ein Bus nach El Rama?,
„Ja logo, kommt gleich.“ – „Iiiiik! -freu- Gracias!“ Ich schaffte es gerade noch, mir einen herrlich ungesunden Hamburger und einen Hähnchenflügel an der Straße zu kaufen, da stand er auch schon.
Wow, Die Entscheidung war gefallen. So einfach, so schnell.
Kurz wurde mir sogar etwas mulmig, weil ich gehört hatte, dass die Überfahrt von Bluefields nach Corn ziemlich ruppig sein kann. Vor ein paar Jahren sei sogar ein Frachter mit Passagieren an Bord gesunken, allerdings muss der Captain sämtliche Wetterwarnungen in den Wind geschlagen haben, der arme Trottel.
Doch das war es gar nicht: große Wellen sind schlicht und einfach eine meiner Urängste. Das ist in etwa so, als ob Dein ganzer Körper bei dem Gedanken daran gepackt und wie eine halbleere Zahnpastatube langsam ausgedrückt wird. Erwartet mich da vielleicht eine Konfrontation mit einem meiner mächtigsten Dämonen?
Egal, am Ende vertraue ich dem Flow, und der reitet smooth Richtung Osten, Baby!
Krass, sogar die Leute im Bus waren angenehme Zeitgenossen. Bis hin zu dem Typ, der das Geld einsammelte, der grinste gar breit und machte schelmenhafte Faxen mit den Fahrgästen; ich wär’ fast ein Bier mit ihm trinken gegangen.
…Irgendwas ist hier faul.
Langsam zuckelten wir röhrend durch die letzten Ausläufer der Berge hin zur Küste. Am frühen Abend dann wandelte sich die Landschaft merklich: seit langer Zeit wieder einmal, eigentlich seit meinen ersten Wochen in Guatemala, fuhr ich durch üppigen Dschungel, und mit ihm kam seine ganz eigene Atmosphäre von Feuchtigkeit und Wärme.
Und da erwischte es mich. WwHÄMM! Volle Breitseite. Ich fühlte mich zum wiederholten Male so, als würde ich nach langer und schmerzvoller Abwesenheit endlich wieder nach Hause kommen. Mit im Gepäck rollte eine wehmütige und sehnsuchtsvolle Freude, die mir fast die Tränen in die Augen trieb.
Mein Magen drehte sich vor Freude einmal um seine Querachse und donnerte ungeduldig gegen das Zwerchfell, so dass die Lungen in ihrem druseligen Tagewerk inne hielten und verwundert und protestierend zur Seite rückten: „Hee, aufwachen Herzbeutel! Es gibt Arbeit oder muss ich das mal wieder alleine ausbaden?!“
Es ist haargenau das Gefühl, das ich hatte, als Arnold und ich nach den kalten und knisternden Wochen in Russland und der Mongolei am Ende unserer Transsib-Reise nach Beijing kamen. Nur erschien mir es nicht mehr ganz so extrem, vielleicht, weil es damals einfach das erste Mal war.
Deswegen! Deswegen wollte ich unbedingt nach Bluefields. Deswegen leuchtete dieser Name in meinem Kopf wie eine Glühbirnenmesse in der Nacht!
…Manchmal ist es auch umgekehrt.
Manchmal wird einem erst bewusst, wie sehr man etwas vermisst, nachdem man es wiedergefunden hat.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht