Letztes Einhorn, kennst Du sein Lied?
Im Mond geborn, von Erden schied.
Es wanderte einsam, im Zwielicht grau;
Von weitem rief umwölktes Blau,
So dass es sich entschloss,
Mutiges, tollkühnes Ross!
Spreizte weit die Hufe lang
Und hinab zur Welt schon sprang.
Am glatten See, im Mondlicht bleich,
Landete es im Grase weich,
Durch das still der Nachtwind strich;
Sehr sanft und vornehm biegt’ es sich.
Die Luft roch herrlich, frisch und klar,
Wie es in altvordren Zeiten war.
Im funkelnden Glanz voll Silberlicht,
Das sich in seinen Augen bricht’,
Staunte das Fohlen, und war froh,
Über unsre Welt, so jung und roh.
Doch bald erblickte es im nahen Wald:
Zwischen Blatt und Zweig ist gern ein Spalt,
Wirrende, irrende, sirrende Lichter
Wie kullernde und kichernde Gesichter.
Sie reizten das Einhorn wie verrückt,
Ihr Necken machte es ganz verzückt!
Komm zu uns! Und spiel ein Spiel…
Komm zu uns! Mit Kopf und Stiehl…
Komm doch her! Die Neugier sticht…
Komm zu uns! Verzag nur nicht…
So ging das Wesen in ihrem Bann,
Unhörbar, wie es nur ein Hobbit kann,
Nah und näher an das Gehölz heran,
Bis sein dunkles Maul es verschlang!
Im finstern Schatten, stickig, dumpf,
Der ihm vorkam wie ein Sumpf,
Über Stein und Wurzel sachte strich
Das arme Tier, es fürchtet’ sich!
Bäume neigten sich, drohten ächzend,
Und fahle Stimmen stöhnten krächzend.
Doch immer tiefer zog der Feentanz,
Flink wie Sternenschnuppen Schwanz,
Bis es jäh auf eine Lichtung trat,
Wo der Mond um etwas Heimweh bat.
In ihrem Schoße stand ein Funkenregen
Und räusperte sich ganz verwegen.
Einen tosenden Wasserfall fand es dort,
Der bauschte und rauschte immerfort.
Das Einhorn sah nur, wie er brandete,
Bis es in einer Pfütze strandete.
Doch schon erklang das nächste Lied,
Das sich in einem Baum verriet.
Seltsam schien es, fast wie Zuhaus,
Vor ihm versteckt sich Ratz und Maus.
Hoch verschlungen im Geäst,
Da lag des Mondanbeters Nest!
Wo krummer Ast macht eine Beule,
Saß mit wachen Augen: eine Eule.
Entzückt, dass sie seine Sprache sprach,
Das Einhorn schnell sein Schweigen brach:
„Weißt Du, Verwandter, wo ich bin?
Und wo sind all die schönen Lichter hin?“
Stolze Schwingen breiteten sich aus,
Und sie rief aus ihrer Kehl’ heraus:
„Den Grund, den Du zertrittst, heißt Erde!
Wie kommt Geweih auf eins der Pferde?“
„Von Pferden weiß ich nichts zu sagen“,
Hörte sich das Einhorn klagen,
„Kleinen Elfen folgte ich hierher,
Doch jetzt seh’ ich sie nicht mehr.“
Die Eule rümpfte ihren Schnabel:
„Zurück zum Wasser, kleine Fabel!
Und wart beim zahmen Regenbogen,
Bis der Schleier wird gezogen.“
Dankbar neigte es sein Haupt,
Ein kleines Schnauben war erlaubt,
Denn nun schien ihm die Sache klar
Und tat, wie ihm geheißen war.
Von frechen Tropfen leis’ umspielt,
Die Fabel bange Wache hielt.
Doch es dauerte nicht lang,
Bis der Tanz erneut begann.
Bald schon kamen mehr herbei,
Taumelnd, feixend, wild und frei,
Bis der grüne Tobel war erfüllt
Und in einem Feuertanz enthüllt!
Das Einhorn besah sich seine Beute
Inmitten dieser dreisten Meute.
Doch dann geschah, wie sonderbar,
Ich weiß noch, wie es war:
Mit dem ersten Licht der Sonne,
Welch Wunder, gleißend helle Wonne,
Gab es plötzlich keine Fünkchen mehr.
Anstatt dessen gähnte dort – ein Bär!
Um ihn ein Wuseln und ein Schwirren,
Es konnte sich doch wohl nicht irren:
Unter Tieren wurd’ seitdem verhandelt,
Die kleinen Feen hatten sich verwandelt!
Fuchs und Marder, Igel klein,
Specht bat die Fledermaus herein,
Tausendfuß und Schmetterling,
Die Spinn’ in ihrem Netze hing.
Doch auch des Mondwesens Gestalt
Wurd’ aus dem Märchen weggemalt.
Wo Horn und Fell ins Wasser rinnt’,
Lag da nackt das erste Menschenkind.
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht