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In diesem Beitrag sind nur vereinzelt Bilder vorhanden und es werden keine Namen genannt aus Respekt vor der Privatsphäre eines jeden Piraten und Zauberers, einer jeden Hexe und Priesterin, die am Camp teilnahmen. Bilder sind zwar einfacher und oft treffender als Worte, doch an dieser Stelle reichen selbst diese bei weitem nicht aus, das Erlebte auch nur annähernd zu beschreiben.
(Anm. des Sammlers)
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Immer mehr Menschen kamen daher in flatternden Fair Trade-Rüstungen unter dem Banner des Wassermannzeitalters, und es kam zu schnatternden Begegnungen und jauchzendem Wiedersehen. Bis endlich alle Seelenritter versammelt und in der Tafelrunde der Jurte ohne Tafel beisammen saßen, als der Schamane das Camp offiziell eröffnete.
Er saß auf seinem Thron, der kein Thron war, und wurde flankiert von seinem Kollegen, Partner, Freund und Bruder im Geiste, der die Medizin der Großmutter aus seinem Heim im Schatten der großen Maya-Metropole von Palenque in unsere Lande brachte und mit ihm zusammen das Retreat leitete.
Wie ein halb vergeistigter Waldschrat kam er mir vor, der zuviel bereits von anderen Dingen gesehen hatte, als dass er noch ganz auf der Erde weilte.
Wiederum ihm zur Seite befand sich eine bezaubernde Latina, die in Wirklichkeit gar keine Latina war, sondern aus Israel kam und die beiden in ihrer Arbeit unterstützte und trug.
In ihrem langen weißen Kleid wirkte sie wie ein zartes Elbenmädchen, das leichtfüßíg über die Erde zu schweben schien, wie es die Art ihres Volkes war.
Ich musste mich zurückhalten, um mich nicht zu vergewissern, dass sie auch wirklich Spuren auf dem weichen Waldboden hinterließ.
So saßen sie da, Gandalf, Radagast und Galadriel, der Weiße Rat hatte sich versammelt; nur Saruman ließ auf sich warten. Vielleicht war die Einladungs-E-Mail in seinem Spam-Ordner gelandet, wer weiß.
Mir aber war es ganz recht, genau die Art von Freaks, die ich so sehr liebe.
Ich blickte mich um und sah in gutmütige Gesichter und leuchtende Augen, während der Wald um uns herum gespannt wartete, was denn als Nächstes passieren möge.
Und – wir gaben ihm Antwort.
Nach der Begrüßung, die beinahe schon meinem Gedächtnis entschlüpft und im Nebel der Erinnerung verschwunden ist, machten wir uns daran, ein großes Feuer zu entzünden, in dessen heißer Glut die Ahnensteine für die Schwitzhütte erhitzt wurden.
Wir begrüßten die Geister der vier Himmelsrichtungen, Väterchen Himmel, Mutter Erde sowie die uralte, heilige Quelle in der winzigen Höhlenkammer eines jeden Herzens und luden sie ein, daran teilzunehmen.
So denn alle Vorbereitungen getroffen waren, zogen wir uns aus, wurden im Duft des Weihrauchs gereinigt und krochen einzeln durch die niedrige Öffnung in den symbolischen Schoß von Pachamama.
Jene Zeremonie verlief ähnlich wie das Te Mazcal-Ritual im mexikanischen San Cristóbal, an dem ich während meiner Mittelamerika-Reise teilnahm, von der ich erst vor wenigen Monaten zurückgekehrt war. Viermal wurde die Tür geöffnet und neue Steine in die Kreismitte gebracht, gefolgt von zischenden Aufgüssen in der Dunkelheit des Mutterleibs.
Doch schon zu Beginn brach mir der Schweiß aus wie eine Horde Mongolen über die Steppen Zentralasiens. Mein Körper begann, sich all der Gifte und des Ballasts der letzten Wochen zu entledigen, und ließ mich zart und rosa wie ein frisch geschlüpftes Menschenjunges zurück.
Danach traten wir in die Stille der Nacht unter einem Sternenmantel, der einen fest verwurzelten Stadtbewohner in Staunen und Ehrfurcht versetzen muss, und erfrischten uns mit köstlich kühlem Wasser aus einer großen Tonne gleich neben der Hütte.
Am liebsten wäre ich wie Obelix in den Bottich gesprungen, um mich darin zu laben und ihn ratzeputz leer zu trinken, aber sharing is caring. Oder wie der Franzose sagt: „contenance“.
Ein bisschen lüge ich, wenn ich sage „Stille der Nacht“, denn sie wurde zerschnitten vom wütenden Fauchen des vereinsamten Feuers, das sich wohl verraten fühlte, nachdem es uns zuvor so gute Dienste geleistet hatte.
Also versammelten wir uns und leisteten ihm Gesellschaft, während es dankbar unsere erkaltenden Körper wärmte. Doch wir selbst waren tatsächlich still und sprachen kein Wort, um diesen sakralen Moment nicht mit unbedachten Faseleien zu zerstören. Sodann brachten wir das Feuer in die Jurte und schworen, es niemals wieder im Stich zu lassen, sondern uns fürderhin gut darum zu sorgen.
…Na gut. In Wahrheit war das eh so geplant gewesen. Denn während der Eröffnung hatte uns der Schamane bereits darauf hingewiesen, dass doch bitteschön alle darauf achten sollten, dass das Feuer während der gesamten Dauer des Camps nicht ausgehen dürfe, weil… Weil.
Aber wie ich eingangs schon sagte: es ist eine Geschichte, und die Gedanken sind frei.
Es war schon spät, und die meisten inklusive meiner Wenigkeit verkrochen sich bald in die mehr oder weniger wasserdichten und ganz sicher nicht biologisch abbaubaren Wände ihrer schnuckligen mobilen Höhlen.
Doch trotz der Müdigkeit, die mich mit der Unvermeidlichkeit eines Bulldozers, der von einem Blinden geführt wurde, zu übermannen drohte, leuchtete ein Gedanke wie ein Leuchtfeuer in der zunehmenden Schwärze meines schwindenden Bewusstseins, bevor ich mich endgültig der säuselnden Wärme meines Daunenschlafsacks ergab:
Morgen, ja morgen schon! würde ich endlich Großmama’s heiligen Trank zu mir nehmen. Darauf freute ich mich schon wie ein Tofu-Schnitzel.
Ich hatte ja keine Ahnung.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht