Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Ein München im…
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Fast hätte ich ja die Abfahrt verpasst am nächsten Morgen. Dabei war ich nur wenige Minuten zu spät, weil mein täglich Ful und Bunna doch länger dauerten als ich dachte.
Aber für diese zwei tapferen und aufrechten Frühstücksgesellen würde ich sogar das Ende der Welt abwarten! Ja, ich würde auch warten, bis der Kosmos sich zusammenfaltet und die Schöpfung neu ersteht. Chigarilo, überhaupt kein Problem.
„Ende der Welt“ ist im übrigen ein gutes Stichwort, aber dazu gleich.
Der Bus war also tatsächlich schon abgefahren. Bevor die ersten Keime von Sorgenfalten jedoch Zeit fanden, sich in den Furchen meiner trockenen Stirn festzusetzen, fing mich bereits ein unruhiger und flach atmender junger Bursche auf Ferenji-Ausschau ab.
Für ihre Unannehmlichkeiten schenkten mir die Tour-Leute nämlich eine, nein zwei Bajaj-Fahrten und noch einen Kaffee, während wir an einem, nein zwei Treffpunkten auf den Bus warteten, der noch in der Stadt umeinander fuhr, letzte Besorgungen machte und weitere Teilnehmer einlud. Nicht schlecht, bis dahin war ich angemessen beeindruckt von der Orga.
Da komm’ ich doch gerne und öfter ein bisschen zu spät.
Sodann fuhren wir frischauf nach Debark, wo wir uns im Büro des Simien-Nationalparks registrierten und noch einmal schnell auf’s Klo hüpften, bevor sich unser Bus nach einer weiteren Kaffeepause gegen Mittag endlich ins Gebirge des Parks schlängelte.
Schon kurz nach der Abfahrt wurde ich von der Fotografin aus Hamburg in Beschlag genommen, die ich in Tis Abay bei den Wasserfällen getroffen hatte und eigentlich, zunächst, ganz nett fand.
In der Folge entpuppte die sich jedoch als ziemliche, nein als unfassbare Nervensäge und war so von Angst und Sorgen durchdrungen und zerfressen, dass ich mich wunderte. Ich wunderte mich, wie sie es schaffte, für so lange Zeit und in der intensiven Art und Weise, wie sie es tat, die Welt zu bereisen.
Das war im übrigen recht faszinierend, denn wir schienen da quasi entgegengesetzte Gemütswege eingeschlagen zu haben: Während ich das Glück und die Gnade erfahren durfte, meine Ängste (wohl nicht alle, aber immerhin auch nicht wenige) Stück für Stück abzulegen, schien sie sich mit den Jahren immer mehr hineinzusteigern.
Allerdings war sie auch ein gebranntes Kind mit allerlei Krankheiten und Unverträglichkeiten inklusive einer durchlebten Krebstherapie; das prägt sich natürlich ein. Aber solcherlei Dinge gehen natürlich Hand in Hand. Wie Ian es leger und doch trefflich ausdrückte: „It’s all in the head.“ Das war ein in den Staaten lebender Engländer, der mit Aseni, einem einheimischen Mädel aus Lalibela, unterwegs war.
Ja, ich würde mich nicht wundern, wenn da der Kopf, oder ihr Innenleben nicht das Huhn ist, das vor dem Ei da war.
Abgesehen davon verfügte sie über eine derart penetrante und aufdringliche Art, dass es uns allen reichlich schwer fiel, für sie auch nur eine Unze Mitgefühl aufzubringen.
Manches Mal konnte sie durchaus höflich und sogar charmant sein, aber ihr schien einfach nicht bewusst zu sein, dass es auch andere Menschen auf der Welt gab, die vielleicht nicht ganz genauso dachten wie sie und die man deswegen vielleicht nicht ständig unterbrechen sollte, wie es einem grade so passt.
Whoa, und sie war so dermaßen deutsch, krittelig und paranoid, dass mir die Galle hoch kam und ich mich in meiner nationalen Haut immer unwohler fühlte, so dass ich mich mehrmals bei der Gruppe und vor allem bei Abraham, unserem leidgeprüften Guide, im Namen unserer gesamten Nation entschuldigte.
Der arme Tropf bekam über die Tage die volle Breitseite und Ladung ihres Blitzkrieges an Beschwerden und Lamenten ab, weil es von den Organisatoren eben sonst keinen gab, der einigermaßen Englisch konnte.
Echt, die ging gar nicht und verbreitete nur negative Stimmung; was anderes konnte die tatsächlich nicht, außer mit ihrem klapprigen Tripod umeinander zu fuchteln.
Oh, hervorragend, ein kleines Beispiel ihres wunderlichen Treibens:
Weil, sie hatte einen Rucksack voll Kameraausrüstung zu schleppen, denn sie ja eine PROFESSIONELLE Fotografin, was sie demgemäß im Minutentakt auch postulierte.
Deshalb konnte sie ja ihre Wasserflasche nicht selber schleppen und regte sich folgerichtig auf, wenn sie einen mal Schluck trinken wollte und Abraham, ihr kürzlich ernannter Water Boy, grade nicht bei Fuß war.
So schaute ihre wunderbare Welt aus.
Ihren richtigen Namen will ich in diesen Beiträgen nicht erwähnen, weil das nicht sein muss. …Nennen wir sie also Lobelia Sackheim-Beutlin, aus Respekt vor der großen Seele, die hinter dem zerrütteten Ego steht und die nicht weniger göttlich ist als die eines jeden Menschen.
Naja, aber erst einmal genug von dem zeternden Funktionsfaserdrachen.
Dann waren da noch Dani, ein grundsympathischer Spanier sowie ein süßes Pärchen aus Israel, Ohad und Gali. Die beiden waren Veganer und mir geistig und seelisch vielleicht trotzdem am nächsten.
Sie kannten Injera bereits aus ihrem Heimatland, denn dort gibt es anscheinend eine recht große Gemeinde äthiopischer Juden. – Und da erinnerte ich mich auch, stimmt! Denn auch aus diesem Land mussten sie in den 80er-, 90er-Jahren flüchten, weil die Derg-Kommunisten am Ende niemanden ganz koscher fanden außer sich selbst.
Nun, vielleicht noch ein paar andere Kommunisten, je nachdem, wenn sie vielleicht an Großzügigkeit litten und einen guten Tag hatten und sich dabei vage an so jemanden wie Karl Marx erinnern konnten; auch wenn sie augenscheinlich nicht wirklich verstanden hatten, was er eigentlich im Sinn hatte.
Egal, das sind am Ende verschwendete Buchstaben.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht