Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Vergeistigung ist…
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Es gab auch einen schwarzen Tag für die Menschen in Awra Amba – und in ganz Äthiopien, was das anbelangt. Eine Maschine der „Ethiopian Airlines“ stürzte kurz nach ihrem Start vom Bole-Flughafen in Addis Abeba auf ihrem viel zu kurzen Weg nach Kenia ab, wobei sämtliche 150 oder 160 Passagiere aus aller Herren Länder dabei ums Leben kamen.
In der Tat eine weltweite Katastrophe, und so schloss ich für ein paar Minuten die Augen und wünschte den armen, verwirrten Seelen alles Gute für ihren Übergang, dass sie sich nicht verirren und sicheren Schrittes ihren Weg hinüber in die Hallen der Ruhe finden mögen. Auch gedachte ich ihren leidenden und trauernden Angehörigen, auf dass sie gut und beschützt durch diese schwere Zeit kämen, um wieder heil und ganz zu werden.
Alsbald erreichten mich auch besorgte Nachrichten meiner Lieben, ob es mir denn gut ginge und ich doch hoffentlich nicht auch in jenem verfluchten Flieger saß. Gott sei Dank funktionierte das Internet zu dem Zeitpunkt, und mein Guthaben war noch nicht ganz aufgebraucht, denn hätte ich mich darauf nicht melden können, wäre die Panik verständlicherweise helle gewesen!
Auch Ian klopfte an und fragte nach der Nummer des israelischen Pärchens, das wir während der Simien-Wanderung kennengelernt hatten. Er wollte sich bei ihnen bedanken, denn sie hätten ihm unter anderem Uganda als nächstes Reiseland auf seiner Route empfohlen und ihm diese Idee fix eingepflanzt.
Andernfalls wäre er planmäßig nach Kenia gegangen und wohl in eben jenem Flugzeug gesessen…
Unsichtbar und in leerem Spalt dazwischen
Weben des Schicksals seidne Fäden weit.
Keiner kann sie ahnen, noch allzeit entwischen;
Weben fleißig ihr Gewirk durch Raum und Zeit
Wie unermüdlich tapfre Spinnen.
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Wohl hat der Furcht, mag ihnen zürnen dann
Der ihr Gebaren, ihre Sprache nicht verstehen kann.
Doch ist es mir, da scheinbar Unrecht sich gebiert,
Dass wir ohne sie, darüber ganz schön angeschmiert
Und ratlos hier hernieden stünden.
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Geschichten sind es, die sie flüsternd uns erzählen:
Geschichten aus der Ahnenwelt in längst vergangner Zeit.
Geschichten, die mal Kopf, mal Zahl sich wählen
Bis unser Geist am Ende sich befreit.
Unterdessen und bis dahin geleitete Worksew, die „Goldene Lady“ und ebenfalls Guidin in Awra Amba, mich, Awoke („Weisheit“ und Hayalsews kleiner Bruder), und den israelischen Kampfzwerg mit ihrem mannigfaltigen Wissen über diverseste Wasserfilter, zu einem Vorzeigewohnhaus.
Dort war die Dame des Show Rooms nämlich eben dabei, frische Injera-Fladen zu backen auf einem stylischen und funktionell höchst ausgeklügelten Lehmofen Schrägstrich Herd, bezüglich Hitzezufuhr und Rauchabzug. Ich weiß nicht mehr, wie es geht, aber es klang ganz hervorragend.
Injera machen geht im übrigen ganz ähnlich wie Crèpes, nur dass die Dinger halt viel größer sind. Wir durften das auch mal ausprobieren und versagten – mit Abstufungen – kläglich dabei.
Oder ich unterhielt mich mit Awoke über Stipendienmöglichkeiten in Deutschland, half ihm bei der Sichtung einiger Uni-Websites und kommentierte dilettantisch, doch vornehm seinen frisch gebackenen Lebenslauf.
Zusammen wogen wir die Vorzüge einiger Meditationstechniken im direkten Vergleich zum indischen Bollywood-Kino ab, und am Ende, ohne Frage das mit Abstand wichtigste Thema in seinem zerbrechlichen Teenager-Alter, suchte er drucksend und (wahrscheinlich) errötend um Rat in der großartigen, bunten und schrecklichen Welt der Ersten Liebe und all ihrer Herzschmerzen.
Bei mir. Das arme Schwein.
Naja, immerhin tat ich mein Bestes und beteuerte ihm, dass es freilich viel gesünder und erstrebenswerter sei, die Finger von diesen kratzbürstigen, pubertierenden Biestern zu lassen, und dass er seine sexuelle Energie lieber hinauf ins Kronenchakra ziehen und somit in spirituelles Potential verwandeln solle. Da habe er wie auch die Welt im Ganzen mehr davon.
Neiiiin, natürlich nicht! Aber gedacht hatte ich es mir schon.
Stattdessen versuchte ich ihm die Angst zu nehmen, und er solle sich ruhig und mit kühlem Kopf voraus ins brodelnde und gärende Leben stürzen, sich dabei aber nicht wundern, wenn er bei dem Versuch Am Ende mit Schrammen und Kratzer nach Hause käme.
Denn dazu sind wir schließlich auf diesem fantastischen Spielplatz von Väterchen Geist und Mutter Erde. Wenn einem das Herz auch mal anständig blutet, aber letztlich ist das immer noch der beste Kompass, und Heilung findet sich überall, sogar in den unwahrscheinlichsten Hinterstübchen und Kämmerchen.
Also Kopf hoch, junger müder Krieger, nicht alle Mädels sind doof, und wie singen es die Sportis: „Andere Mütter ham’ auch schöne Töchter“? Irgendwie so.
In der Form schwadronierte ich und faselte sinnloses Zeug, zu dem er in regelmäßigen Abständen höflich und anständig nickte.
Mei, was blieb ihm sonst schon übrig?
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht