Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Alea iacta est…
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Als ich in El Rama aus dem Bus stieg, um gewissenhaft zum Ticket Office für die Pangas zu latschen, kippte ich fast aus denselben, platzte vor Freude und wurde aus meiner Default-Dimension geblasen, denn praktisch im Handumdrehen hatte ich mich in den Ort verliebt.
Dabei konnte ich noch nicht mal was sehen, es war ja schon dunkel!
Und das, obwohl der untröstliche und miesmuschlige Herr am Ticketschalter mir kopfschüttelnd beschied, dass alle Plätze für die erste Panga Tags darauf ausverkauft seien. „Im Ernst? Echt jetzt?“ Ok, damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. Welle, wo schwirrst Du hin, lass’ mich nicht aus den Augen.
Moment, da waren noch andere Touris ummadum, wie machen die das denn?
Aaha! -Anscheinend- fährt -vielleicht- eine Fähre am Abend des kommenden Tages direkt von Rama nach Corn, eventuelllll immerhin, doch keiner wusste mehr, Gerüchte schwirrten in der Luft wie eine lustige Schar tricksende Glühwürmchen.
„Na gut, selbst wenn ich jetzt hier erst einmal festhänge, mir taugt der Ort so oder so, also ist es mir ehrlich egal, was als Nächstes passiert.“ Ticket hatte ich also keines, dafür ein strunzgünstiges Einzelzimmer direkt am Anleger, das mir der untröstliche Herr stattdessen verschacherte.
Ja, eigentlich muss ich gar nicht mehr auf die Insel. Ich bleibe einfach hier, trinke Rum, tu so, als ob das hier Tortuga wär’ und fahr auf diesem pinken Disneyride bis an mein verfilztes und zerronnenes Lebensende. HA! Ja, warum eigentlich nicht, der Flor de Cana ist eh billig…
Aber nein, noch ist die Geschichte nicht zu Ende.
Denn, als ich am nächsten Morgen aufstand und im Büro vorsichtig nachfragen wollte, ob nicht vielleicht jemand storniert hat und es dahingehend wieder Boletos gibt, da hieß es nur: „Jaja, kein Problem, hier bitteschön.“ Aha.
Nein, vielmehr scheint mir allgemein, als hätte ich den Prozess, der in León seinen Anfang genommen und während der Zeit in Tisey über bestanden hatte, nunmehr abgeschlossen, mit den letzten Nachwehen in Matagalpa. Zumindest diese eine Runde. Dingdingdingding!
A propos, am Tag meiner Abreise aus jenem ungemütlichen Ort wachte ich wiederum sehr früh auf, viel zu früh für’s Frühstück, und machte meine Energiearbeit. Und wieder schien sie die Welt aus den Angeln zu heben, einmal kurz zu durchschütteln und wieder voll zentriert auf ihre Stelzen zu stellen: so, passt.
Danach, …hahaaaa! Danach Mann, woohooooo! Danach war alles nur noch eine einzige Welle, auf der ich in apokalyptischer Entspannung bis zu den Maisinseln ritt wie ein Protagonist diesen Infinity Break bei „Endless Summer“. Flink wie ein Wiesel, wie ein Wanderfalke huschte ich pfeilschnell über Juigalpa, Rama und Bluefields nach Big Corn.
Eine jener beiden Inseln, über die ich so lange grübelte, während mir mein Herz die ganze Zeit hinweg nur gellend zuschrie: „JAJAJAJAJAJAJA!!!!“
Größer kann der Weg vor meinen Füßen kaum leuchten, lauter kann der Zaunpfahl nicht winken, heller kann das Schicksal nicht klopfen.
Und mit jedem Meter fühlte ich mich leichter und großartiger—
Mein Gott, ich fühle wieder! Ich bin wieder offen und durchlässig, ich spür’s ganz deutlich. Als ob ich nach lang anhaltenden und arg drückendem Schmerz endlich auf’s Klo kann… Keine Ahnung, warum mir gerade der Vergleich einfällt.
Eines muss ich Nicaragua lassen. Hier tut sich viel, und das tut es heftig. Es herrscht eine ständige, mahlende und walzende Bewegung, und das ist irgendwo faszinierend und spannend.
Gott, ich liebe El Rama! Abgesehen davon, dass mir die Typen hier zuviel schmatzen. So zwischen den oberen Zähnen durch, brrrrr!
Und da wir am Ende doch nicht untergegangen sind, kam ich auf etwa 15 bis 16 Stunden auf der Straße respektive Wasser in zwei geruhsameren Tagen, als mir all die Flip Flop-Humboldts weismachen wollten.
Teilweise traumhaft und dabei fast angenehm waren die Fahrten, vor allem jene fulminante Jagd im Schnellboot auf dem Rio Escondido um sechs Uhr morgens, der sich bedächtig von El Rama zur Karibik hin schlängelt. Sechs Uhr, das bedeutet Sonnenaufgang, und Ihr alle wisst, was das wiederum heißt.
Der Dschungel Nicaraguas flog an uns vorbei, Hüttchen und Siedlungen am Ufer, die gerade im Begriff waren, gähnend den Tag zu grüßen. Es war umwerfend, großartig, und ich konnte gar nicht verstehen, warum fast alle Insassen den Kopf nach unten hielten und die Augen widerwillig zukniffen.
Vielleicht weil sie in Fahrtwindrichtung saßen, die armen Tropfe.
Nun, mal gewinnt man, mal verliert man. An jenem Tage jedoch stand- nein, saß ich als strahlender Sieger auf dem Goldpodest. Zwei Elfenbeinstunden im Grinsehimmel eines verzückten Travellers, uund noch eine Kurve, wwwuschsch. Nach rechts und nach links, sliden und gliden, relaxter als die Sphinx yo, und Quantenwellen riden.
Als wir schließlich auf’s offene Meer hinausfuhren, in einer weeeiten Schleife Kurs auf den Hafen von Bluefields nahmen und seine bunten, windschiefen Gebäude langsam zwischen dem Blätterdach auftauchten, da explodierte auf einmal die Welt um mich herum.
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht