Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Ton Steine Scherben…
———————————————-
Mittlerweile wurde aus dem jungen ein später Nachmittag, einige dicke Wolkenbänke verdunkelten schon wieder den Himmel, so dass ich letztlich entschied, mich von diesem faszinierenden Flecken Erde loszureißen und in den Bus nach Mexico City zu steigen. Arg viel mehr brauchte ich an dem Tag auch nicht.
Meinen vorerst letzten im fernen Westen, der so schnell und viel zu schnell heranraste wie eine siedende Dampflok auf der Flucht vor einem zusammenfallenden Gebirge, verbrachte ich dafür umso ruhiger und gelassener mit einem abschließenden Erkundungsgang, der mir noch ein ganz anderes und dahingehend erleuchtendes Bild von diesem blubbernden Menschenkessel bot.
Zunächst schlenderte ich die breite „Reforma“ entlang in Richtung der Nobelviertel „Juárez“ und „Roma“, wo ich mich im Schatten hoher Wolkenkratzer, wie ich sie zuletzt nur in Bangkok vor fünf Jahren erlebt hatte, leise dahinduckte.
Normalerweise bin ich ein glühender Fan von kleinen Seitenstraßen und abgelegenen Gassen, in denen sich das Licht im Geäst der säumenden Bäume verfängt, und sich dann aber überlegt, zu bleiben, um dem Tag beim Werden und Vergehen zuzuschauen und weil es so gemütlich dort ist.
Allerdings muss ich gestehen, dass die Superlativen und das Monumentale unserer modernen Himmelspaläste ihre Wirkung auf mich nicht verfehlten. Vielmehr machte es sogar Spaß, in diesem seltsam entspannten Trubel von Downtown Mexico entlang zu schippern, und ich muss auch sagen, dass ich die Stadt trotz des Betons und des Teers und all des grauen Strebens überraschend grün fand.
Wann immer ich in eine jener Seitenstraßen blickte, sah ich fast ausschließlich Alleen, regelrechte Höhlengänge um das Dach wurzelnder Spaliere, das sich wie ein natürlicher Baldachin über den Asphalt wölbte.
Ja, selbst die großkopfertsten Ausfallstraßen erlaubten oft einen baumbestandenen Fußgängerbereich in ihrer Mitte, der in regelmäßigen Abständen von Brunnen gesäumt von vielerlei Statuen bewacht wurde; ein Bild, das selbst bei all dem Lärm und den ganzen Abgasen zum Verweilen einlud.
Das war irgendwie erstaunlich.
Am „Angel de la Indepencia“ vorbei, dem Münchner Friedensengel gar nicht unähnlich, hielt ich thematisch direkt auf den „Bosque de Chapultepec“ zu, einem ausladenden Stadtpark mit Seen, weiteren Statuen und Brunnen und halt dem obligatorischen Krimskrams.
Aber er kam mir wirklich mehr wie ein Wald vor, denn die Bäume standen dort viel dichter als anderswo in Parkanlagen. Unter ihrem Schatten drehte ich also meine letzte Ehrenrunde, bevor ich auf dem Rückweg zum Hostel fast schon im Spurt den „Parque España“ sowie den bezaubernden, weil überlaufenden, wuchernden und leidlich geordneten „Parque México“ durchquerte.
Zu dem Zeitpunkt eigentlich war ich mit Eindrücken schon wieder überladen nach dem Ruinen-Mayhem davor, aber ich hatte trotzdem das eigenartige Gefühl, in den vergangenen Stunden mehr Grün gesehen zu haben als in all den Wochen davor, und Karl Valentin höchstbersönlich setzte der Ironie die Krone auf.
Ein paar Kohlen hatte ich noch übrig und schmiss sie wahllos in irgendwelche Buden auf dem Kunsthandwerkermarkt, hob mir allerdings noch ein paar Pesos für ein oder zwei oder drei Getränke bei den Veganskis im Erdgeschoss auf. Danach machte ich mich entspannt und zufrieden wieder einmal auf zum Flughafen.
Ein Kilo mehr Gepäck als maximal zulässig, ein Drittel immerhin bestand aus Souvenirs und schönen Dingen, im Schnitt gar nicht so schlecht.
Warum auch nicht? Emotionalen Ballast loswerden und das daraus resultierende Loch mit möglichst bunter Materie verfüllen, hat schon immer funktioniert. Ich bin ein Fan von Gleichgewichten, das muss ich schon auch einmal erwähnen.
Abgesehen davon blieb keine Zeit zum Reflektieren, („Oh, Gott sei Dank!“ höre ich Euch da sagen. Jaja, gebt es doch zu, ich kann Eure Gedanken praktisch sehen.) denn im Flieger wartete ja schon das Bordkino auf mich.
Eh, das war so krass, ich hatte noch NIE! einen derart leeren Flieger erlebt wie auf der ersten Strecke zurück nach Madrid.
Alter. Grad, dass mal so eben ein Passagier auf eine ganze Sitzreihe kam, scheiße, sogar die Mitte war gähnend leer! Das war im Prinzip genial, denn so hatte jeder sein eigenes Abteil. Ein Platin-Deluxe-Full-Cama-Jet, und zwar vom Feinsten; ganz plötzlich rutschte mir da aber mein grünes Herz vollends in die Hose.
Nur das Frühstück, liebe Iberia, das könnt Ihr Euch wirklich, wirklich, getrost und genehm in Eure glatt gegelten Haare schmieren, da esse ich ja noch lieber altbackenes Knäckebrot, zum Teufel. Allgemein war ich von deren Service wenig angetan, nächstes Mal wieder Emirates.
Auf dem Kurzstreckenflug nach München musste man sogar alles extra zahlen wie bei den Billigschleudern. Jetzt bin ich mir nicht sicher, ob das in der Zwischenzeit Mode und normal geworden ist, so wie etwa ADHS, aber wenn ich soviel Geld hinblättere, dann finde ich, sollte sich auch auf kurzen Etappen ein anständiger Snack und ein bisschen schwarze Plörre schon noch ausgehen.
Und nicht solcherne schwindsüchtigen und hepatitischen Scheiben Badformschinken und ein Käse, der so aussah, als wäre er mit Wassermalfarben gesättigt worden. Gleichzeitig schienen sich beide an chronischer Hypochondrie zu begeistern, und der ausgelatschte Wecken, der sie umgab wie eine leidende Pietà, erinnerte in seiner Konsistenz eher an einen depressiven Pappendeckel als an ein Nahrungsmittel.
Herzlichen Dank, aber nein danke, so sehr hasse ich mich selbst dann doch nicht.
Das mit dem Verarbeiten muss ich also schieben, denn zudem war die Reise von der ersten bis zur letzten Minute gespickt und bis an die Zähne bewaffnet mit handfesten Eindrücken.
Das muss ich erst einmal sacken lassen, da hinten, auf den sanften Hügeln meiner frühkindlichen Heimat, die sich noch in die Nebel winterlicher Kälte hüllen.
–– Hee! Vielleicht ist die Schwäbische Alb in Wahrheit ja auch eine Pyramide!!
…Wo ist denn nur mein Spaten? Prost. (Freier Assoziationsblaster)
————————-
Bitte umblättern: …
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht