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Sicher?

Obwohl unser Stern in derartigen Gefilden schon ziemlich früh verwirrend hoch zu stehen pflegt, wurde sie mir vom menschlichen Götterberg verdeckt, der mir zu sagen schien: „Bist du dir absolut sicher, dass du das wirklich willst?“

Es war neun Uhr an einem ruhigen Dienstag und ja, ich wollte es von ganzem Herzen. In der Tat hatten sich bis dahin nur wenige Besucher auf das Gelände getraut, und so stieg ich relativ unbehelligt die schmalen und berüchtigt hohen Stufen an der Vorderseite dieses perfekt symmetrischen Wunders hinauf.

Erdboden

Kurze Zeit später fand ich mich etwa 65m über dem Erdboden wieder, auf der flachen Spitze der drittgrößten Pyramide der Welt, unter mir Millionen und Abermillionen Tonnen aus Lehm und Basalt. Weil es sich dabei wirklich um unfassbare Ausmaße handelte, überraschte es mich, dass es „nur“ die zweitgrößte Pyramide in den Amerikas war.

Denn von einem vermeintlichen Hügel in Cholula wird sie sogar noch übertroffen, der zwar kaum höher, in seinem Grundriss jedoch fast doppelt viel Fläche einnimmt wie sein Gegenstück in Teotihuacan. Allerdings müssen sie das Ding in Cholula erst noch ausbuddeln.

Tlaloc

In dem Zusammenhang bleibt die Cheops-Pyramide in Ägypten die höchste der Welt, doch ihr Volumen bringt es gerade einmal auf die Hälfte von dem der mexikanischen.
Aber es hilft nichts, da werde ich auch noch hin müssen, ich seh’ das schon kommen.

Die Spanier nannten sie die „Pyramide der Sonne“, aber manche Forscher stellten unlängst die These auf, dass das Bauwerk vielmehr dem Wassergott Tlaloc gewidmet gewesen sein könnte, darauf deute die Symbolik einiger verbliebener Kunstgegenstände sowie der auffällige „Burggraben“, der die Pyramide einst umgab.

Weit schweifend

Das war mir in dem Moment aber alles Latte, denn die Aussicht von da oben war einfach sagenhaft, zudem erhebend und, wie sagt man, weit schweifend. Ich konnte nun das gesamte Gelände überblicken, von der Mondpyramide im Norden die Straße der Toten entlang bis zur Gefiederten Schlange am anderen Ende.

Ganz vorne drängelten sich immer noch die Herrschaftshäuser um die Gunst der Zeit, darum herum gruppierten sich die Ruinen bescheidenerer Behausungen. Mein Blick schweifte in der Tat weit und kühn über das trockene und mit Kakteen, vereinzelten Baumgruppen und Gestrüpp bewachsene Hochland um Mexico City, das sich kaum weniger beeindruckend vor mir ausbreitete als das in Monte Alban.

Nichts übersehen

Nach den Panorama-Pflichtshootings setzte ich mich an eine der vier Ecken und ließ diesen eigen- und so fremdartigen Ort nochmals auf mich wirken, schaute immer wieder in verschiedene Richtungen, wie um mich zu vergewissern, dass ich auch wirklich dort war und ja nichts übersehen hatte.

Erst als der menschliche Lärmpegel spürbar lauter wurde, sowohl quantitativ als auch in seiner besonders schrillen Qualität in Form einer formidablen asiatischen Kampfhenne ohne jeglichen Sinn für persönliche Grenzen, machte ich mich langsam an meinen antizyklischen Abstieg. – Nein also, danke, aber das Programm konnte ich nicht nochmal gebrauchen.

Antizyklisch

Obwohl, einen kleinen Schmunzler der Nostalgie konnte ich mir in dem Moment doch nicht verkneifen. In einem kleinen Ritual der Ehrerbietung umrundete ich einmal alle tiefer liegenden Plattformen und schraubte mich dergestalt langsam wieder der Erde entgegen, bevor ich meinem Bauchgefühl folgend über mehrere Ruinenfelder in die Außenbereiche der uralten Metropole gleiten ließ.

Vertiefung

Dort erstreckte sich eine schöne Graslandschaft mit knorrigen Bäumen und fotogenen, weil exotischen Kaktuspflanzen, die die Szenerie etwas auflockerten und ihr einen verwegenen Desperado-Charme verliehen.

Durch Zufall entdeckte ich in einer jähen Vertiefung im Boden mehrere Höhleneingänge mit Tonscherben drin, wo ich jetzt nicht weiß, ob sie ähnlich antik (und vielleicht wertvoll) waren oder ob sich da nur jemand einen Spaß erlaubt hat. Egal, eine hab’ ich mitgehen lassen, nur so fürs Feeling.

Innenhof

Wie auch bei anderen solcher Stätten gab es in Teotihuacan nicht nur in der Höhe und Breite viel zu entdecken, sondern auch und vielleicht umso mehr in der Tiefe. Denn an manchen Stellen konnte man schön sehen, wie unterschiedliche Kulturen zu unterschiedlichen Zeiten diesem Ort ihren eigenen Stempel aufgedrückt und auf alten Grundmauern auf- beziehungsweise weiter gebaut hatten.

Zum Abschluss legte ich noch einmal die komplette Strecke auf dem großen Boulevard zurück, um mich mit Würde und Style zu verabschieden und blickte also ein letztes Mal mit kindlichem Staunen und einem schaurigen Gefühl der Bedeutsamkeit über den Platz des Mondes. Bei dem Gedanken daran stellt es mir heute noch die Nackenhaare auf.

Als allerletztes Zuckerl und Encore schaute ich mir einen alten Palast an mit zauberhaften und unglaublich filigran verzierten Steinsäulen, die um einen sonnigen Innenhof herum ihre ewige Wache hielten. Auf ihnen waren Vögel abgebildet, aber warum das so war, das habe ich tatsächlich vergessen.

Höhlen

Nackenhaare

Tatsächlich

Hochland

Ruinenfeld

Aufbauen

Götterberg

Symmetrie

Richtungen

Berüchtigt

Pflicht

Verwegen

Charme

 

 

 

 

 

Spitze

Ecke

Sagenhaft

Ehrerbietung

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