Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Schlangenzungen & Perlweiß-Zombies…
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Erholt und guter Dinge erwachte ich früh am nächsten Tag und zelebrierte ausgiebig meine Morgenroutine, bestehend aus einer kurzen Entspannungsmeditation, einer noch kürzeren kalten Dusche und Yoga. Doch das änderte sich schnell, als ich mit dem Typen vom Tag davor und ein paar seiner Freunde beim Kaffee saß, weil die Burschen waren mir so sympathisch wie eine Horde Stechmücken.
Auch er selbst kam mir zwielichtiger vor auf den zweiten Blick. Wo denn die anderen Tour-Teilnehmer seien? Ich dachte, wir würden uns alle kurz vor Neun treffen. – Die seien schon auf dem Weg zum Boot. – „Aha. Sollten wir nicht auch mal los?“ – „Neinnein, passt schon, bestell Dir ruhig noch einen Espresso.“
Kaum wurde der serviert, erschauerte sein Körper kurz und er meinte: „Okay, let’s go!“
– Echt jetzt? Kopfschüttelnd exte ich meine Tasse und folgte ihm ins Innere des bajaj. Auf dem Weg zum Anleger wollte er den Rest der Kohle haben, woraufhin ich erst einmal die Notbremse zog.
Ich erklärte ihm, dass mir sein Preis nach reiferer Überlegung durchaus sehr teuer erscheine und ich erst Rücksprache mit den anderen Teilnehmern zu halten gedachte, bevor die Transaktion ihren zufriedenen Abschluss finden sollte.
Bei meiner Ehre als Rikschafahrer! Normalerweise würde ich etwas derart Niederträchtiges niemals tun; ein Deal ist ein Deal, baca.
Aber hier in Äthiopien scheint das Gang und gäbe zu sein, und bei der Tornadoladung Bullshit, die ich selbst bis dahin ertragen musste, verspürte ich keinerlei, ja, nicht einmal den geringsten Krümel eines Skrupels mehr.
Im Gegenteil, ich muss gestehen, ich genoss die Situation sogar ein wenig.
Wohlan, später werde ich das karmatechnisch sicherlich abarbeiten müssen, aber das war mir in dem Moment scheißegal.
Spätestens nach seiner nächsten Antwort wusste ich, wo der falsche Hase lang lief und dass ich am Ende doch den richtigen Riecher bewiesen hatte: Mais non! Das gehe nicht, dass ich mit anderen Passagieren redete, das sei
V-E-R-B-O-T-E-N.
Nun, damit hatte er sich gütlich verraten und mit voller Pracht ins Aus geschossen.
Der Manager der Tour hingegen war da leidlich cleverer und ging anstandslos von vier- auf dreihundert Birr runter, was im Vergleich mit dem „Planet“ sogar einigermaßen plausibel und annehmbar erschien.
„Today is a special day!“ – Jaja, Du mich auch.
Tatsächlich zahlten die anderen ferenji auch diesen Preis, was nicht ausschließt, dass er uns alle noch immer gemeinsam verarscht hatte. Aber wenn ich nicht nachgehakt hätte, hätte ich mich grün und blau geärgert, das weiß ich. Das weiß ich sehr genau.
Erstaunlicherweise sah ich den anderen „Guide“ während meiner gesamten Zeit in Bahir Dar niemals wieder…
Die Tour war an sich ganz nett, aber in Wirklichkeit kaum das Geld wert, dass man dafür hinblättert. Man schippert halt ein wenig auf dem Tana-See umeinander und besucht ein, zwei (Halb-) Inseln mit eher unscheinbaren und für Nerds vielleicht fetten Klöstern, von denen aber ein jedes zusätzlich fünf Euro Eintritt kostet.
Das Tourismusamt in diesem Land hat echt einen an der Klatsche.
Am Schluss fährt man noch zur Nilmündung, die man als solche niemals erkennen würde, genauso wenig wie die lauthals beworbenen Hippos, die am gleißenden Nachmittag natürlich unter Wasser bleiben, damit das Gleißen erträglicher wird.
Immerhin bekam ich einige „Tankwas“ zu Gesicht, jene hübschen Kajaks aus Papyrus, die sich problemlos schultern lassen und mit etwas Glück einige Monate überdauern. Eines kam sogar in voller Action daher gepest.
Schließlich rang ich mich dazu durch, mir eines jener klassischen Rundklöster mit dem klangvollen Namen „Ura Kidane Meret“ exemplarisch anzuschauen, und da muss ich sagen, in dem Fall hat es sich tatsächlich gelohnt.
Auf der Lichtung um das Kloster herum wurde eben eine Zeremonie abgehalten mit leierndem Gesang, der von „Kabaros“ (Trommeln) und Sistren (traditionelle Rasseln) begleitet wurde. Weiß berobte Gläubige standen in Scharen unter dem Schatten der angrenzenden Bäume oder ihrer Sonnenschirme, um den klagevollen Predigten und Liedern zu lauschen.
Im Inneren der Kirche gab es zwei Rundbogengänge, einen äußeren und einen inneren, wobei letzterer um einen kubusförmigen Wandkörper in der Mitte führte, der mit vielhunderten und bunten Malereien vollständig ausgefüllt war.
Dargestellt waren Szenen aus der Bibel, aus denen mich große Augen erwartungsvoll anblickten. Sie schienen mir irgend etwas sagen zu wollen, aber ich hatte ja keine Zeit, weil das Boot schon wieder ablegte.
Den Rest der Zeit verbrachten wir praktisch wartend an den jeweiligen Anlegern, denn man durfte nicht einmal die idyllisch bewaldeten Inseln erkunden, ohne Eintritt für’s Kloster zu zahlen.
Den Abschuss brachte da ein alter Haudegen mit geschulteter Flinte: Nicht einmal die zehn Meter vom Kassenhäuschen bis zum nächsten Restaurant durften wir ohne Ticket gehen, um einen Kaffee zu trinken oder eine Kleinigkeit zu essen.
Schön, dann gibt es den Lunch eben erst auf dem Festland, Du vernagelter Paragraphenreiter, Du gscherter.
Eine derart absurde Penibilität spottet einfach jeder Beschreibung, und die Restaurant-Besitzerin durfte sich herzlich bei ihm bedanken, denn so hatten sie beide nichts davon außer genervte und leicht fassungslose Visagen von unserer Seite.
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Bitte umblättern: Falsche Versprechen…
(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht