Zu schnell? Einmal zurückblättern, sehr gern: Blumengärten & Vorhöllen…
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Aber so ist das. Wo andere entspannt ein Buch lesen oder mit geschlossenen Augen ihren Playlists lauschen, häng’ ich Millimeter vor dem Seitenfenster und muss Acht geben, dass ich mir die Birne nicht zu oft anhaue. Ähnlich geht es dem bedauernswerten Objektiv meiner Kamera. So vergehen auch zehn Stunden hoppsta wie im Flug. Hm? Wie? Aussteigen? Schade. – Okeoke!
Und es kam selbstredend zu der einen oder anderen Bekanntschaft, von der ich bereits berichtete, immer begleitet vom leisen Knacken der Sonnenblumenkerne zwischen iranischen Kiefern. Der Trick ist, sie hochkant zwischen die Zähne zu nehmen.
Auch auf der Zugfahrt von Esfahan nach Bandar Abbas teilte ich mein Liegewagen-Abteil mit einem jungen Pärchen und ihrer Freundin, die mich fleißig von der trockenen Wüstenlandschaft jenseits des Fensters ablenkten. Mithilfe von Online-Wörterbüchern versuchten wir, unsere Konversationen über die üblichen drei bis vier Standardsätze hinaus zu erheben.
Als auch diese Quellen versiegten, vertrieben wir uns die Zeit mit infantilen Spielchen, und es wurde viel und herzlich gelacht. Sie begleiteten mich auf der Fähre bis nach Qeshm, wo sie mich schließlich in einem einfachen Hotel absetzten.
Einziger Wermutstropfen war, dass auch sie, wie so viele Einheimische!, unheimlich auf Selfie-Bilder standen.
Ergeben nahm ich also das (Jeder nur ein) Kreuz auf meine Schultern und ertrug geduldig die Strafe der Sünden all jener, die sich inklusive mir in den letzten Jahren über diese gottverdammichen Sticks lustig gemacht hatten.
Wohin ich auch kam, erregte ich einige Aufmerksamkeit, sobald ich meinen Tabaksbeutel auspackte. Sofort war ich umringt von neugierig stierenden Augenpaaren, die mich bei der Herstellung meiner „sigar almani“ bewunderten. Obwohl nicht gänzlich unbekannt in Iran, fragten mich die Locals – nicht wenige mit einem gierig hoffnungsvollen Glanz in den Augen – regelmäßig, ob ich da nicht etwa Marihuana rauchte.
Trotz meiner gegenteiligen Beteuerungen, dass es sich wirklich nur um stinknormalen Tabak handelte, verteilte ich großzügig Kostproben, weshalb ich in den letzten Wochen meine tägliche Ration von fünf auf vier Zigaretten herunter schrauben musste. Ein geringer Preis für die allumfassende Großherzigkeit, den ich gerne bereit war, zu zahlen.
Ja, mit den Jungs und Mädels hier kann man einigen Spaß haben, so man denn seelisch in der Lage ist, sich darauf einzulassen. Sie sind weiß Gott keine Engel, sondern so menschlich und damit fehlerbehaftet wie alle anderen Bewohner dieses Planeten auch. (Meist sind sie leicht zu erkennen, da sie vor einem Auto stehen.)
Aber mittlerweile habe ich gut an die zehn Handynummern gesammelt, und das nicht nur aus Höflichkeit. Die Leutchen wollen tatsächlich Kontakt halten und fragen mich regelmäßig, wo ich bin, wo Spaß haben und ob’s mir auch ja gut geht.
Die sind schlimmer als meine Mutter! (Nichts für ungut, die darf das ja.)
Mal schaun, ob ihre whats app-Beteuerungen auch nach meiner Rückkehr anhalten. Auf Bilder aus Deutschland sind sie ja alle ganz scharf. Es sieht wohl so aus, als müsste ich mir das Ding wieder runterladen, ist ja von Facebook verkauft worden, oder?
Aber zumindest denke ich, haben sie im Grunde eine wunderschöne Seele und ein so großes Herz, dass die Hand zum Gruß kaum darum herum reicht.
Man sieht es allein an der verspielten Art und Weise, wie sie die Hecken ihrer Parks gestalten, an den oftmals bezaubernden Murals und den bunten Scheinwerfern, mit denen sie teils sehr geschmackvoll und gekonnt alles mögliche beleuchten bei Nacht. Ganz zu schweigen von ihrer Musik, ihrem Kino, welches noch meiner Entdeckung harrt, und selbstverständlich ihrer poetischen Ader, über Generationen hinweg sorgsam kultiviert.
Und diese Augen! Schaut einfach für ein paar Momente in deren leuchtendes Opal oder eisklares Blau wie aus dem Inneren eines stillen Gletschers… und Ihr werdet verstehen, was ich meine.
„The light that lights the eye is also the heart’s light“
(J.A. Rumi, „The Masnavi“)
Also bitte, lasst uns endlich aufhören, die Menschen, die hier leben, mit der Handlungsweise ihrer Regierung oder ihres religiösen Führers gleichzusetzen. Großer Gott! Das wäre, wie wenn man sagen würde, ganz Deutschland sei wie die CDU oder SPD. Ein erschreckender und zutiefst deprimierender Gedanke.
Deshalb bin ich froh, dass das Embargo endlich gelüftet wurde, und ich bete dafür, dass der Westen es in seiner hochfahrenden Gnade zulassen und der Iran andererseits so gescheit sein wird, die Ketten seiner langen Isolation endlich abzuschütteln. In Wirklichkeit befürchte ich allerdings, dass es nicht viel Grund zu Hoffnung geben wird. – Nur ein Narr würde hoffen…
Aber anstatt dessen zu verzweifeln wäre letztendlich nicht nur eine Sünde, sondern schlicht ein Fehler, denn niemand von uns kann die Zukunft vorhersagen, nicht wahr? In diesem Sinne gibt es in der Tat IMMER Hoffnung.
Nicht nur dafür, dass dieses Land durch eine gegenseitige Öffnung wiederbelebt werden könnte. Vielmehr hat diese stolze und kraftvolle Kultur sämtlichen Nationen dieser Welt soviel zu bieten und zu geben, dass sich nicht nur die Fortress Europe eine gehörige Scheibe davon abschneiden könnte.
Ich bin mir sicher, dass ich hier irgendwo mein Taschenmesser hatte…
„… Terrorrist? Here no. But arround Irran!…“
So schließe ich meine Aufzeichnungen mit den Worten Rumi’s aus seiner berühmten Masnavi:
„Here speech, like a camel breaks down on its road.
I will say no more, but guard my tongue from speech.
The rest is told without aid of tongue
To the heart of him whose spirit is alive.“
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(N)Euer Senf – mittelscharf, wenn’s geht